Leserbrief: Stark beschränkter Blickwinkel – SPD-Ratsfraktion zum Bamberger Radentscheid
Sehr geehrte Damen und Herren!
Zugegeben – zwei Kernforderungen des Bamberger Radentscheids führten, käme man ihnen nach, zu deutlich erhöhten Unfallrisiken. Leider macht ihre Bedeutung für die Verkehrssicherheit die Zustimmung zu einem Bürgerentscheid, der sie beinhaltet, unmöglich.
- Von der Fahrbahn abgetrennte Radfahrspuren bedeuten Gefahr an jeder Kreuzung, Einmündung, Grundstücks- und Parkplatzzufahrt, da sie hier häufig unachtsam von Kraftfahrern überquert werden. Weil dies die Hauptursache schwerer Fahrradunfälle war (und ist), wurde vor nunmehr über 20 Jahren die generelle Radwegbenutzungspflicht aus der Straßenverkehrs-Ordnung gestrichen.
- Die seitens des Radentscheids geforderte Kreuzungsgestaltung – Radverkehr wird zunächst in die zu querende Straße hineinverschwenkt – führt zu Mißverständnissen und unsicherer Fahrweise. Jahrelang wurde sie deshalb von den Radfahrverbänden bekämpft. Inzwischen entspricht sie nicht mehr den gültigen Regelwerken.
Hiervon abgesehen, ist das Kernanliegen des Radentscheids aber nur allzu berechtigt. Die bisherige Verkehrspolitik geht, von kleinen Insellösungen abgesehen, auf jeder Ebene vom absoluten Vorrang des motorisierten Individualverkehrs aus. Alle anderen Verkehrsarten leiden unter dieser Doktrin: Allgegenwärtige Behinderungen, unzureichende Verkehrswege, umständliche, nicht selten gefährliche Wegeführung stehen einer attraktiven Mobilität zu Fuß, mit dem Fahrrad sowie in Bahn und Bus entgegen.
Gerade auch die neuen Radverkehrsanlagen, welche in den letzten Jahren in Bamberg geschaffen wurden, belegen: An Denken und Motivation der Verantwortlichen in Politik und Behörden hat sich nichts geändert. Die Radler werden an den Rand gedrängt, die Querschnitte der ihnen zugedachten Flächen bewegen sich günstigstenfalls am unteren Limit des Zulässigen, seitliche Sicherheitsräume zu benachbarten Verkehrsräumen, aber auch zu festen Hindernissen fehlen in der Regel.
Somit kann Herrn Stieringer nur deutlich widersprochen werden: „… die SPD-Fraktion“ kann sich gar nicht „auch zukünftig im Stadtrat dafür einsetzen, den Radverkehr in Bamberg weiterhin zu fördern und sicher zu gestalten“ (Fränkischer Tag vom 10. Januar 2018). Sie müßte – wie andere auch – damit erst einmal beginnen.
„Die einzelnen Maßnahmen“ – die SPD stellt der Radverkehrsförderung Kinderbetreuung, Schulhaussanierung und bezahlbaren Wohnraum gegenüber – „dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden“, fordert die Fraktion – und tut doch genau dies. Nicht im geringsten kommt ihr in den Sinn, dort Mittel umzuschichten, wo es naheliegt, nämlich weg von der bisherigen massiven Bevorzugung des Autoverkehrs. Offenbar hat man längst vergessen, was man selbst einstimmig im Rat beschlossen hatte:
- „Radfahren … sichert die Mobilität zu geringen gesellschaftlichen … Kosten (Radverkehrsinfrastruktur ist gegenüber anderen Straßenbaumaßnahmen vergleichsweise günstig, …)“ (Radverkehrsstrategie Bamberg, Stadt Bamberg, Mai 2012).
Auch die von der stark autoverliebten CSU geführte Landesregierung gibt sich erstaunlich eindeutig:
- „Das regelmäßige Radfahren verringert … die gesellschaftlichen Kosten im Gesundheitsbereich. … Radverkehr kann nur dann effektiv und kostengünstig gefördert werden, wenn die Förderung systematisch und konsequent geschieht“ (Radverkehrshandbuch Radlland Bayern, Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, Mai 2011).
Die deutlichste Ansage macht das gleichfalls CSU-geführte Bundesverkehrsministerium:
- „Ein Vorteil ist, dass Maßnahmen im Radverkehr meist sehr kosteneffizient sind. Den Ausgaben für den Radverkehr stehen zudem Einsparungen an anderer Stelle, zum Beispiel im Gesundheitsbereich, bei den Umweltkosten sowie bei anderen Infrastrukturausgaben gegenüber“ (Nationaler Radverkehrsplan 2020, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Oktober 2012).
Fazit:
Die Bamberger Sozialdemokraten hinken dem allgemeinen Erkenntnisstand offensichtlich um Jahre hinterher. Leider stehen sie da nicht alleine, sondern wissen eine große Mehrheit des Stadtrats hinter sich. Daß die hiesige Kommunalpolitik wider besseres Wissen „lediglich“ gegen das Allgemeinwohl gerichtete Lobbyinteressen vertritt, darf hoffentlich ausgeschlossen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig
Neueste Kommentare