Fast 90 Prozent der Ökologischen Vorrangflächen nutzlos

„Landwirtschaft muss endlich Beitrag gegen Artensterben leisten“

Greening ist nicht wirklich grün – Nachbesserung dringend erforderlich

Ökologische Vorrangflächen (ÖVF) sollen eigentlich mithelfen, den galoppierenden Artenschwund aufzuhalten. Konventionelle landwirtschaftliche Betriebe mit mehr als 15 Hektar Ackerland sind deshalb verpflichtet, mindestens fünf Prozent ihrer Fläche als solche bereitzustellen. Somit soll die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft wieder erhöht werden. Eine internationale Studie* kommt nun aber zum dem Schluss, dass der Großsteil der Maßnahmen keinen positiven ökologischen Effekt hat und für die Artenvielfalt völlig bedeutungslos ist. „Von den insgesamt zehn möglichen Maßnahmen haben lediglich Landschaftselemente, Blühstreifen und Brachen einen Nutzen für die Natur. Diese drei Maßnahmen werden aber lediglich auf 14 Prozent der ökologischen Vorrangflächen in Bayern umgesetzt“, so LBV-Landwirtschaftsexperte Matthias Luy. Dabei haben ökologische Vorrangflächen ein hohes Potenzial. Im Zuge der am Samstag in Berlin stattfindenden Demonstration „Wir haben Agrarindustrie satt“ fordert der LBV deshalb: „Wir brauchen ein neues Fördersystem, bei dem Landwirte Prämien nur für echte Umweltleistungen erhalten. Nur so können wir die gewaltigen Herausforderungen zur Rettung der Biodiversität und zum Klimaschutz bewältigen. Das in Bayern praktizierte Greening ist untauglich und muss dringend verbessert werden“, so Dr. Norbert Schäffer, Vorsitzender des LBV.

Eine internationale Forschergruppe hat den Nutzen ökologischer Vorrangflächen in der EU untersucht. Das Ergebnis ist ernüchternd. Lediglich drei der insgesamt zehn zur Auswahl stehenden Maßnahmen haben tatsächlich einen positiven ökologischen Effekt. Diese sind Landschaftselemente, Blühstreifen und Brachen. Sie werden von den bayerischen Landwirten auf 14 Prozent der ökologischen Vorrangflächen eingesetzt, wobei knapp 13 Prozent auf Brachflächen entfallen. „Die absolut dominante Maßnahme, die auf 72 Prozent der ökologischen Vorrangflächen umgesetzt wird, ist jedoch der Anbau von Zwischenfrüchten oder Untersaaten, wie zum Beispiel die Grasuntersaat bei Mais. Diese Maßnahme ist aber für den Erhalt der Artenvielfalt völlig bedeutungslos“, erklärt Luy.

Der LBV weist weiter darauf hin, dass Feldränder oder Pufferstreifen nur mit einer blütenreichen Krautvegetation durch Selbstbegrünung oder Ansaat von Blühmischungen einen Nutzen für die Natur haben. „Die zugelassene Einsaat mit Gras ist für die Artenvielfalt bedeutungslos“, so Luy. Auch die Verpflichtung mindestens einmal jährlich den Aufwuchs zu zerkleinern ist kritisch zu sehen. „Der Aufwuchs darf bereits im Juli gemäht werden. Gerade im Sommer ist der positive Effekt jedoch am Größten, wenn Blüten, Bienen und viele andere Insekten Hochsaison haben. Wer dann den Aufwuchs zerkleinert, macht aus seiner eigentlich wertvollen Maßnahme eine ökologische Falle“, erklärt der Experte. Ein weiterer Kritikpunkt ist der ab ersten August zulässige Anbau einer Winterkultur mit dem erlaubten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger. Das mühsam erkämpfte Verbot auf den ÖVF gilt also nur für 7 Monate im Jahr.

Der LBV steht mit seiner Kritik nicht alleine. Denn das Greening (bestehend aus Anreicherung der Fruchtfolge, Erhalt von Dauergrünland und ÖVF) im Rahmen der EU-Agrarförderung sollte eigentlich einen wesentlichen Beitrag zum Stopp des Rückgangs der Artenvielfalt leisten. „Die Erwartungen an das Greening werden nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht erfüllt: Die Ökologischen Vorrangflächen entfalten kaum Mehrwert für die Biodiversität und gestalten sich in hohem Maße ineffizient“, stellte das Bundesamt für Naturschutz in seinem Agrar-Report vom Juni 2017 fest. Der Europäische Rechnungshof bestätigte diese Einschätzung in einem Sonderbericht vom Dezember 2017. Demzufolge wird das Greening so, wie es derzeit umgesetzt wird, wohl kaum signifikant zur Verbesserung der Umwelt- und Klimaleistung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik beitragen.

Aus Sicht der bayerischen Naturschützer dürfen Ökologischen Vorrangflächen nur diejenigen Flächentypen sein, die einen tatsächlichen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt sowie zum Wasser-, Klima- und Bodenschutz leisten. Spätestens in der nächsten Agrarförderperiode ab 2021 müssen die Weichen entsprechend gestellt werden, denn wenn nicht bald wirkungsvolle Instrumente zum Tragen kommen, werden wir uns wohl in weiten Landstrichen auf Dauer von Arten wie Rebhuhn, Schwalbenschwanz oder Venusspiegel verabschieden müssen.

Forderungen des LBV für die Anlage und Pflege von ÖVF:

  • Der Umfang von ökologischen Vorrangflächen sollte mindestens 7-10% der Ackerfläche eines landwirtschaftlichen Betriebes einnehmen.
  • Die ideale Standzeit von Brach- und Blühflächen beträgt 5-7 Jahre.
  • Blühflächen, Säume und (Bunt-)Brachen sollten gestaffelt bewirtschaftet werden, das heißt alternierend wird einmal jährlich die Hälfte des Saums gemäht.
  • Streifenförmige ÖVF sollten eine Breite von mindestens 5 Metern aufweisen um den verschiedenen Insekten- und Vogelarten ausreichend Lebensraum zu bieten und nicht zur Prädatorenfalle zu werden.
  • Die Rand- und Saumstreifen sollten mit größeren flächigen ÖVF in der Landschaft zu einem Verbund entwickelt werden.
  • ÖVF dürfen nicht mit Pflanzenschutzmitteln und Düngern behandelt werden.
  • Um einer Verfilzung der Vegetation entgegenzuwirken, muss das Mahdgut immer abtransportiert werden.

_________________________________________________________________________________________

* PE´ER, G. et al. (2017): Adding Some Green to the Greening: Improving the EU´s Ecological Focus Areas for Biodiversity and Farmers. – Conservation Letters 10,

Offenberger, M. (2018): Europäische Studie: Biodiversität profitiert kaum von Ökologischen Vorrangflächen. – ANLiegen Natur 40/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/greening_biodiv/.