Sonntagsgedanken: Ein Leib – viele Glieder
Ein Landwirt hatte sieben Söhne, die so zerstritten waren, dass die Existenz des Hofes auf dem Spiel stand. Als der Vater sich diesen Streit lange angesehen hatte, versammelte er seine Kinder und sprach zu ihnen also: „Ich habe hier sieben Stäbe zusammengebunden. Versucht, sie zu zerbrechen.“ Jeder bemühte sich, aber keiner schaffte es. Da nahm der Landwirt das Bündel in die Hand, löste das Band, nahm die Stäbe heraus und zerbrach sie einzeln ohne Mühe. Die Moral von der Geschicht: Einheit macht stark.
An sich eine Binsenweisheit: Jede menschliche Gemeinschaft kann nur bestehen, wenn alle Beteiligten vernünftig, ehrlich zusammenarbeiten, sich an faire Spielregeln halten, stets das Ziel im Auge behalten, das man eben nur gemeinsam erreichen kann. Die Wirklichkeit sieht freilich ganz anders aus: Der Psychiater Carl Gustav Jung behauptet, der Mensch leide unter einem narzistischen Komplex: Narzissos war, so eine griechische Legende, der junge Mann, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte. So ist das mit uns Menschen: Wir drehen uns um das eigene kleine, so vergötzte, so wankelmütige Ich und zerstören darüber die Gemeinschaft.
Das war damals in Korinth nicht anders als heute: Die christliche Gemeinde hatte sich in rivalisierende Gruppen gespalten. Jeder dachte, er allein habe Recht. Paulus demonstriert den Korinthern an einem Bild, dass wir Christen zusammengehören, aufeinander angewiesen sind, einander ergänzen. Die Glieder des menschlichen Körpers bilden eine große Einheit und jedes hat dabei seine ganz eigene Aufgabe. Leidet ein Glied, dann alle und gerade die empfindlichen, verletzlichen brauchen am meisten Schutz. Wir Christen sind durch unsere Taufe alle Glieder am Leib Christi. Sein Heiliger Geist durchströmt uns, will uns in Ebenbilder Christi, in Boten der Liebe Gottes verwandeln. So wie der menschliche Körper aber ungleich mehr ist als die bloße Summe seiner Teile, so ist auch die christliche Kirche nicht nur ein beliebiger Verein, sondern schon ein Abglanz von Gottes neuer Welt, bildlich gesprochen, der Leib Christi. Wir Christen sind nun aufgefordert, diese Gemeinschaft immer wieder neu zu bewähren, gerade den Schwachen innerhalb und außerhalb der Kirche zu helfen. Die Kirche ist keine Partei, aber sie soll Partei nehmen für die Schwachen, soll der Anwalt der Bedürftigen sein.
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Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
Infos zu Christian Karl Fuchs:
- geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
- Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
- Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
- Promotion zum Dr. theol. 1995
- Ordination zum ev. Pfarrer 1996
- Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
- seither in Neustadt/Aisch
- blind
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