ZDF-Terrorexperte Theveßen beim Neujahrsempfang von Erzbischof Schick
Neujahrsempfang im Zeichen von Kultur und Terror
ZDF-Terrorexperte Elmar Theveßen: „Es gibt keinen Kampf der Kulturen“
Erzbischof Ludwig Schick hat für das Erzbistum Bamberg die Kultur zum Jahresthema ausgerufen und zugleich Krieg und Terror als größte Bedrohungen für die Kultur bezeichnet. Auf seinem Neujahrsempfang in Bamberg sagte Schick am Samstag: „Über die Kultur nachzudenken, sie zu bewahren, zu fördern und weiterzuentwickeln, soll unsere Hauptaufgabe 2018 sein. Damit verbinden wir uns mit dem Europäischen Jahr des kulturellen Erbes sowie mit dem Jubiläum ‚25 Jahre UNESCO-Weltkulturerbe Bamberg‘, zu dem kirchliche Gebäude, vor allem der Kaiserdom, gehören.“
Der Erzbischof unterstrich, dass alle Bereiche der Kultur in Europa vom Geist des Evangeliums geprägt seien. Aus den Werten und Tugenden des Evangeliums sei eine Kultur der Menschenwürde und der Menschenrechte, des sozialen und politischen Lebens entstanden, die auch hochwertige Kulturgüter in Architektur und Kunst, Literatur und Musik, in Gesetzgebung und Verwaltung, Sitte und Lebensweise hervorgebracht hätte.
Das kulturelle Leben werde in der heutigen Zeit vor allem durch Kriege und Terror zerstört und verhindert, fügte Schick hinzu. „Unter dem Terrorismus leidet heute die ganze Weltgemeinschaft.“ In den vergangenen Jahren hätten Terroristen Denkmäler zerstört, die zum Weltkulturerbe zählen. Aber auch Film, Theater, Musik und Medien – Ausdruck kulturellen Lebens – seien verhindert oder verboten worden. „Das Leben in Freiheit und Selbstbestimmung, in Frieden und Gerechtigkeit wird untergraben durch terroristische Gewalt gegen Personen und Sachen, durch Bombenanschläge und Drohungen“, so Schick. Terrorismus und Kultur hätten miteinander zu tun, das sei unverkennbar. Einerseits verhindere eine partizipative, demokratische und werteorientierte Kultur den Terrorismus; auf der anderen Seite verhindere der Terrorismus kulturelles Leben in Freiheit und Friede, im Aufbau von sozialen Strukturen, in denen die Menschen gern leben und arbeiten sowie Kulturgüter geschaffen werden könnten. „Den Terrorismus bekämpfen ist deshalb ein Auftrag für jeden, der kulturelles Leben erhalten und fördern will, und die Kultur fördern ist ein wesentlicher Beitrag, um Terrorismus zu verhindern.“
Der Terrorismusexperte Elmar Theveßen betonte in seinem Festvortrag, dass es derzeit keinen „Kampf der Kulturen“ gebe, sondern Extremisten auf der islamistischen und der rechten Seite, die der Mehrheitsgesellschaft einen solchen „Kampf der Kulturen“ einreden wollten. Denn nur auf diese Weise könnten sie Nachwuchs gewinnen und ihre Ideologie weiter ausbreiten, sagte der stellvertretende ZDF-Chefredakteur und Leiter der Hauptredaktion Aktuelles. Die Rechtfertigung für Gewalt sei zudem durch eine Verfälschung des Islam entstanden. Koran-Ausgaben mit entsprechenden Interpretationen in den Fußnoten würden heute weltweit in den Moscheen verbreitet. Die meisten Terroristen, so Theveßen, seien nicht als Flüchtlinge nach Europa gekommen, sondern hier aufgewachsen und hätten europäische Staatsbürgerschaften.
Theveßen zitierte aus einem Strategiepapier der Islamisten, wonach nicht mehr große Anschläge das Ziel seien, sondern viele kleinere Attacken, die Furcht und Panik auslösen und zu einer Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen führen sollen. Durch die zunehmende Entfremdung sollten so Muslime in Deutschland ermuntert werden, sich dem Dschihad anzuschließen. Die von Rechtspopulisten betriebene Polarisierung der Gesellschaft sei daher Wasser auf die Mühlen der Islamisten.
Auch in Deutschland werde von Rechtsextremen verbreitet, dass wegen der „Kollaboration des Establishments“ und auch der Kirche mit dem Islam ein Widerstandsrecht mit allen Mitteln, auch bewaffnet und unter Bedingungen eines Bürgerkriegs, erlaubt sei. Diese Propaganda werde auf Pegida-Demonstrationen oder in rechtspopulistischen Internetblogs verbreitet. Die Werte der Demokratie würden hier missbraucht, um die Demokratie anzugreifen. „Das ist der Moment, wo die Demokratie auf alle Bürger in der Gesellschaft angewiesen ist, um die Demokratie zu verteidigen.“ All denen, die die Gesellschaft spalten und ihr Angst einreden wollten, müsse als Signal entgegengeworfen werden: „Ich habe keine Angst.“
Zum Neujahrsempfang des Erzbischofs kamen rund 1300 Gäste in die Bamberger Konzert- und Kongresshalle, unter ihnen auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, Gesundheitsministerin Melanie Huml, Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich, Landrat Johann Kalb sowie der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Silberhorn. Für die musikalische Gestaltung sorgte die Combo der Werkstatt Neues Geistliches Lied unter der Leitung von Tobias Lübbers.
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