Ein neues Verfahren, viele Produkte: Bayreuther Chemiker entwickeln neues Konzept zur Olefin-Herstellung

Symbolbild Bildung
Andreas Gollwitzer und Prof. Dr. Rhett Kempe in einem Labor für Anorganische Chemie der Universität Bayreuth. Foto: Christian Wißler

Andreas Gollwitzer und Prof. Dr. Rhett Kempe in einem Labor für Anorganische Chemie der Universität Bayreuth. Foto: Christian Wißler

Eine Forschergruppe um Prof. Dr. Rhett Kempe an der Universität Bayreuth hat ein Verfahren entwickelt, das es der chemischen Industrie erstmals ermöglicht, Ethylen auf sehr einfache Weise zu maßgeschneiderten Ausgangsprodukten für Gebrauchsgüter wie Folien, Seifen, Weichmachern oder Schmiermitteln zu verarbeiten. Es handelt sich um ein hochflexibles Katalyse-Verfahren, das für ganz verschiedene Produktlinien eingesetzt werden kann. So kann jetzt auf der Basis von Ethylen eine deutlich höhere industrielle Wertschöpfung erzielt werden, als dies bisher möglich war. In Nature Communications haben die Wissenschaftler ihre mittlerweile patentierten Forschungsergebnisse vorgestellt.

Ethylen – auch als Ethen bezeichnet – ist eine gasförmige Kohlenwasserstoff-Verbindung (C2H4), die von der chemischen Industrie weltweit in großen Mengen erzeugt wird. Es handelt sich um ein Massenprodukt, das immer dann entsteht, wenn längerkettige Kohlenstoff-Verbindungen gespalten werden (Steam Cracking). Die Nutzung als Rohstoff für Kunststoffe (Polyethylen) birgt jedoch nur eine geringe Wertschöpfung. Wirtschaftlich attraktiver ist es, aus den Ethylen-Molekülen kleinere Molekülketten herzustellen. Diese linearen Alpha-Olefine – so die chemische Bezeichnung – können zum Beispiel von der Kosmetikindustrie oder der Lack- und Farbenindustrie als Rohstoffe genutzt werden. Je nachdem, welche Endprodukte dabei angestrebt werden, müssen bislang unterschiedliche Katalyseverfahren angewandt werden, um aus Ethylen die jeweils benötigten Alpha-Olefine herzustellen.

Deshalb bietet das in Bayreuth entwickelte Verfahren entscheidende Vorteile. Zwei Katalyse-Prozesse greifen dabei ineinander: Ethylen ist das Ausgangsmaterial, die Elemente Yttrium und Nickel bilden die Grundlage der Katalysatoren. Das Zusammenspiel dieser beiden katalytischen Prozesse lässt sich sehr einfach und gezielt so steuern, dass – je nach Bedarf – unterschiedliche Alpha-Olefine produziert werden können. Diese stehen dann als Rohstoffe für ein breites Spektrum von Produkten für den alltäglichen Gebrauch zur Verfügung. Dazu zählen Folien für Lebensmittel, Behälter für Medikamente, Schmiermittel für Motoren, Waschmittel für die Wäsche, kosmetische Erzeugnisse wie Seifen oder

Shampoos und vieles mehr. „Unser neues Katalyse-Verfahren lässt sich an die Herstellung unterschiedlicher Produkte und an die jeweils benötigten Mengen flexibel anpassen – und dies ohne großen technischen Aufwand. Daher bietet es der chemischen Industrie die Chance, das Massenprodukt Ethylen für ein Portfolio hochwertiger Erzeugnisse sehr selektiv und damit für eine höhere Wertschöpfung zu nutzen“, erklärt Prof. Dr. Rhett Kempe, der an der Universität Bayreuth einen Lehrstuhl für Anorganische Chemie innehat.

Veröffentlichung:
Andreas Gollwitzer, Thomas Dietel, Winfried P. Kretschmer and Rhett Kempe, A broadly tunable synthesis of linear α-olefins, Nature Communications (2017). DOI: 10.1038/s41467-017-01507-2.