Gedanken zum Reformationstag: 500 Jahre Reformation
Der reformiert erzogene Schweizer Spitzendiplomat und Rotkreuzaktivist Carl Jakob Burckhardt erinnerte sich noch als alter Mann, wie sehr ihn ein katholischer Gottesdienst beeindruckte, den er in seiner Kinderzeit zufällig besuchte: Der bunt ausgemalte Kirchenraum, der stimmungsvolle lateinische Chorgesang, der Bischof in seiner festlichen Amtstracht, dazu der duftende Weihrauch …!
In der Tat sind die katholischen Messen sinnenfreudiger als die evangelischen und die Kinder wachsen durch ihre Ministrantentätigkeit in die Gemeinde, in den Glauben hinein.
Martin Luther entdeckte aber beim Studium der Bibel den Kern des Evangeliums neu: Wer auf Christus vertraut, den führt der HERR in Gottes neue Welt. Über den Sinn, den Wert unseres Lebens, über unsere ewige Seligkeit entscheiden also nicht unser Erfolg, das Urteil der Mitmenschen oder der angeblich unfehlbare Papst. Ich darf nach lutherischer Auffassung täglich und gerade in schweren Zeiten, wenn der eigene Glaube schwindet, neue Kraft schöpfen aus den Sakramenten von Taufe und Abendmahl, die mir unbedingt Anteil schenken an Christi Heilstat: Er hat meine Schuld vor Gott gesühnt, hat meinen Tod besiegt.
Nach Auffassung der Reformierten und der Freikirchler sind die Sakramente nur schöne, sichtbare Rituale, vermitteln aber nicht das ewige Heil. Wo finden die Anhänger dieser Lehre dann aber Trost, wenn ihr eigener Glaube oder der ihrer Kinder schwankt? Hier legt man herkömmlicherweise größten Wert auf das persönliche, öffentliche Bekenntnis zu Christus, auf die strenge Befolgung der Gebote Gottes. Diese Haltung kann dann zu vorbildlichem Verhalten im Alltag führen, aber auch zu Druck vonseiten der anderen Christen und zu Selbstanklage.
Die Einsichten Luthers führen andererseits zu Freiheit und Gelassenheit im Alltag. Weil ich meines ewigen Heils gewiss bin, kann ich nun in aller Ruhe überlegen, was in meiner konkreten Situation christlich sein könnte, wohl wissend, dass auch der Frömmste ein schwacher, fehlbarer Mensch bleibt. Maßstab des christlichen Tuns sollen jedenfalls die Nächstenliebe sein, der Versuch, die anderen zu verstehen, rücksichtsvoll miteinander umzugehen, nicht aber die sture Befolgung kirchlicher oder staatlicher Gebote.
Weitere Sonntagsgedanken
Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
Infos zu Christian Karl Fuchs:
- geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
- Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
- Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
- Promotion zum Dr. theol. 1995
- Ordination zum ev. Pfarrer 1996
- Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
- seither in Neustadt/Aisch
- blind
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