50 Jahre Gruppe 47 in Waischenfeld: Nachlese

Erinnerung an früher. Autoren der Nachkriegszeit diskutierten mit Gästen über die Entwicklung der Literaturszene in Deutschland. Von links: Robert Schindel aus Österreich, Peter Hein aus Finnland, Elisabeth Plessen, Walter Hinderer, Hermann Piwitt, Zehra Cirak und Kurt Aebli (Schweiz). Foto: R. Löwisch
Erinnerung an früher. Autoren der Nachkriegszeit diskutierten mit Gästen über die Entwicklung der Literaturszene in Deutschland. Von links: Robert Schindel aus Österreich, Peter Hein aus Finnland, Elisabeth Plessen, Walter Hinderer, Hermann Piwitt, Zehra Cirak und Kurt Aebli (Schweiz). Foto: R. Löwisch

Das Treffen vieler Nachkriegsautoren, 50 Jahre nach der letzten offiziellen Tagung der Gruppe 47 war ein Erfolg, das bescheinigte auch einer der profiliertesten Vertreter dieser Zunft, Friedrich Christian Delius, den es freute, dass ein „Veteranentreffen“ die Autoren für einige Stunden in den Vordergrund rückte, die nach dem Krieg maßgeblich am demokratischen Aufbau Deutschlands und einer eigenständigen deutschen Literaturszene beteiligt waren.

„Wir waren ja nach dem Krieg völlig isoliert von der europäischen Literatur“, bekannte Walter Hinderer während einer Podiumsdiskussion auf der Waischenfelder Burg. Der „alte“ Schreibstil des Nazi-Regimes war passe, ein neuer nicht in Sicht. So blieb den Schriftstellern, die allesamt auch den Weltkrieg mitgemacht hatten nichts anderes übrig, als selber aktiv zu werden, meinte auch die Zeitzeugin Elisabeth Plessen, die ebenfalls an der Diskussionsrunde teilnahm. Ursprünglich war eine Literaturzeitschrift geplant meinte Hinderer, doch der „Ruf“ wie sie die Neuerscheinung nannten, wurde von den Besatzern als zu linkslastig verboten, noch ehe sie auf den Markt kam. Was blieb? Die Gruppe der Neu-Schriftsteller und Journalisten las sich die eigenen Texte gegenseitig vor und kritisierte sie. Daraus entstand die „Gruppe 47“. Die aber nie eine Vereinigung nach klassischem Muster war, betonte Zehra Cirak, sondern eine „Truppe solidarischer Menschen“. Oder um es mit den Worten des „Erfinders“ Hans Werner Richter zu sagen: „Die Gruppe 47 war ein Verein, der keiner war“.

Was ist aus der Literaturszene nach dem Nachkriegsdeutschland geworden? „Eine unpolitische Literaturszene“ meint Jungstar Simon Strauss, der zusammen mit Nora Bossong den Nachwuchs während des Erinnerungswochenendes repräsentierte. Die Zeiten eines politischen Günther Grass mit stundenlangen Interviews sind längst vorbei, „heute sind wir froh, wenn von zehn beantworteten Fragen zu aktuellen Themen, wie dem Verhältnis zur Afd, drei in einer Kultursendung gebracht werden“. Das zeigt, so Bossong weiter, das der Stellenwert nicht mehr der gleich große ist wie früher. Und die Flut der Informationen, die täglich auf uns herabprasseln, „sorgen dafür, dass Nachrichten und Meinungen nur noch in kleinen Häppchen verabreicht und moderne Literatur oberflächlich behandelt und abgefertigt wird“.

Viele Teilnehmer des Jubiläumstreffens waren sich einig: es war höchste Zeit, sich bei den Nachkriegsschriftstellern für ihre geleistete Arbeit zu bedanken – indem man an sie erinnert. Von den mehr als 80 Autoren, die 1967 an der Tagung in der Pulvermühle teilnehmen leben noch 16. Aber nur sechs davon konnten an dem Treffen teilnehmen. Die anderen mussten wegen gesundheitlicher Probleme (hohes Alter) absagen. Mit Bedauern wurde zur Kenntnis genommen, dass beispielsweise Martin Walser und Peter Handke, Peter Bichsel und Alexander Kluge absagen mussten. Guntram Vesper, der wegen Terminüberschneidung nicht teilnehmen konnte wird im November in Ebermannstadt im Rahmen der Literaturtage „Blätterwald“ aus seinem neuesten Werk vorlesen und sich mit Zeitzeugen über das Treffen in der Pulvermühle vor 50 Jahren unterhalten. Hans Magnus Enzensberger und auch Jürgen Becker waren ebenfalls voll des Lobes für diese gelungen Veranstaltung, die nach dem Willen regionaler Politik „öfters“ stattfinden sollte.

Reinhard Löwisch