30 Jahre Fahren mit dem VGN
Etwa 940.000 Fahrten werden die Fahrgäste des Verkehrsverbundes Großraum Nürnberg am Mittwoch mit den Bussen und Bahnen unternehmen. Dabei nutzen rund 150.000 mit ihrer Fahrkarte die Verkehrsmittel gleich mehrerer Unternehmen. Was heute selbstverständlich ist, kam vor 30 Jahren, am 27. September 1987, einer Revolution gleich. Fünf Städte und zehn Landkreise hatten sich Ende der 1980er Jahre zusammengetan und den gemeinsamen Verkehrsverbund ins Leben gerufen. Auf der unternehmerischen Seite schlossen sich die damalige Deutsche Bundesbahn, die kommunalen Verkehrsunternehmen der Städte Nürnberg, Fürth und Erlangen sowie die Schwabacher Firma Wutzer zusammen. Bereits einen Tag vorher, am 26. September 1987, startete die S1 von Nürnberg nach Lauf als erste S-Bahnlinie im Raum Nürnberg. Seither ist das Gebiet des VGN auf die dreifache Größe angewachsen, mit 15.100 Quadratkilometern ist er der flächenmäßig zweitgrößte Verkehrsverbund Deutschlands. 2,75 Millionen Menschen leben in diesem Raum.
„In den 30 Jahren seines Bestehens hat sich das Konzept eines gemeinsamen Verkehrsverbundes bestens bewährt. Der VGN ist heute die verkehrliche Klammer der Metropolregion Nürnberg und beispielhaft für eine erfolgreiche Zusammenarbeit über die Grenzen einzelner Gebietskörperschaften hinweg“, bestätigt der Vorsitzende des Grundvertrags- Ausschusses des VGN und Regierungspräsident von Mittelfranken, Dr. Thomas Bauer. Den Verkehrsverbund bilden heute insgesamt acht kreisfreie Städte und 16 Landkreise, rund 780 Linien, betrieben von mehr als 100 Verkehrsunternehmen, stehen der Bevölkerung zur Verfügung. Im vergangenen Jahr verbuchte der VGN mit mehr als 243 Millionen Fahrten einen neuen Fahrgastrekord.
Zusammenarbeit als Erfolgsmodell
Das Ziel eines Tarif- und Verkehrsverbundes im Großraum Nürnberg entstand bereits Anfang der 1970er Jahre. Damals nahm der Pendlerverkehr zwischen der Städteachse Nürnberg-Fürth-Erlangen-Schwabach und dem Umland erheblich zu. Die gleichzeitig ansteigende Motorisierung der Bevölkerung ließ die Verkehrsbelastung in den Zentren entsprechend anwachsen. Die Gründerväter des VGN erkannten, dass diese verkehrlichen Probleme nur durch eine Zusammenarbeit auf regionaler Ebene zu lösen sind und mit einem starken öffentlichen Personennahverkehr. Der Gesamtverkehrsplan Großraum Nürnberg (GVGN) präzisierte 1978 diese Ziele mit Empfehlungen für den Aufbau eines Schnellbahnsystems aus Sund U-Bahn, ein enges Zusammenwirken zwischen dem Schnellbahnnetz und den Verkehrsmitteln in der Fläche sowie für einen Verkehrs- und Tarifverbund als optimale Organisationsform. Anfang der 80er Jahre konkretisierte eine Arbeitsgemeinschaft von DB und VAG den heute noch geltenden Gemeinschaftstarif, die Einnahmenaufteilung und die weitere verwaltungsmäßige Abwicklung innerhalb des Verbundes. Alle wichtigen Entscheidungen werden seitdem einstimmig von den beiden Verbundgremien getroffen. Die Verkehrsunternehmen sind in der Gesellschafterversammlung der Verbundgesellschaft vertreten. Im Grundvertrags- Ausschuss beschließen die Landkreise und kreisfreien Städte zu Verbundthemen. Auf Basis der verkehrspolitischen Zielsetzungen und der Zusammenarbeit der Verbundpartner entwickelte sich Wachstum in vielen Bereichen: Verbundgebiet, Verkehrsnetz, Verkehrsangebote, Serviceleistungen und nicht zuletzt bei den Fahrgastzahlen.
Verkehrsverbund in der Metropolregion
Während zu Gründerzeiten die starken Pendlerverflechtungen zwischen der Städteachse und den angrenzenden Landkreisen im Vordergrund standen, umfasst das Verkehrsgebiet heute den Kernbereich der Europäischen Metropolregion Nürnberg und reicht teilweise darüber hinaus. Vollständig im VGN vertreten ist der Regierungsbezirk Mittelfranken, in Teilen die Bezirke Ober- und Unterfranken sowie die Oberpfalz. Mitglied ist auch der schwäbische Landkreis Donau-Ries. Einzelne Linien berühren Ober- und Niederbayern. Das Gebiet des VGN deckt damit mehr als 20 Prozent der Fläche des Freistaats Bayern ab.
Im Lauf der Zeit gewannen die Pendlerverkehre am Rand des früheren Verbundgebiets sowie der Freizeitverkehr an Bedeutung. So erfolgte in den Jahren 2005 bis 2007 die Integration des südlichen Landkreises Bayreuth sowie der Bahnhöfe Iphofen und Kitzingen. Die Region Bayreuth trat im Jahr 2010 komplett bei, ebenso Stadt und Landkreis Bamberg und zum Teil der Landkreis Haßberge. Die jüngsten Erweiterungen fanden 2015 mit dem Landkreis Lichtenfels sowie zu Jahresbeginn mit der Integration des Restlandkreises Kitzingen statt. Ab dem 1. Januar 2018 ist dann auch der Landkreis Haßberge komplett im VGN. Den mit Abstand größten Pendlereinzugsbereich hat nach wie vor die Städteachse mit knapp 260.000 Einpendlern. Vor allem durch die Gebietserweiterungen in Oberfranken ist der Verbundraum heute polyzentrisch, mit verkehrlichen Verflechtungen im Umfeld der Oberzentren. Neben Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach sind dies Amberg, Ansbach, Bamberg und Bayreuth. Besonders geprägt ist der VGN zudem durch die strukturellen Unterschiede zwischen dem Verdichtungsraum und dem hohen Anteil des ländlichen Raumes mit geringer Bevölkerungsdichte und dünner Siedlungsstruktur.
Weit verzweigtes Strecken- und Liniennetz
Mit der Größe des Gebietes wuchs auch das Liniennetz des VGN, von ursprünglich 3.000 Kilometer auf heute 13.000 Kilometer Länge. Die Zahl der Linien stieg von 127 bei der Gründung auf aktuell 780. Den in Bezug auf die Fahrgastzahlen größten Effekt hatte der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Wie bereits bei der Gründung des VGN angestrebt, ist in den Jahren ein leistungsfähiges Schnellbahnnetz mit S- und U-Bahnen entstanden. Das Netz der U-Bahnen in Nürnberg und Fürth wurde sukzessive auf eine Linienlänge von 40 Kilometern ausgebaut. Einen weiteren großen Qualitätssprung brachte die Verdreifachung des S-Bahnnetzes auf eine Länge von 224 Kilometern im Dezember 2010. Jeden Werktag nutzen rund 100.000 Fahrgäste die S-Bahn Nürnberg, mit den U-Bahnen sind täglich mehr als 400.000 Fahrgäste unterwegs. An 130 P+R-Anlagen steigen Pendler auf die Busse und Bahnen des VGN um.
Ausbau der Fahrtenangebote
Der Ausbau des Streckennetzes ging mit gleichzeitigen Verbesserungen im Verkehrsangebot einher. So wurde bei der Erweiterung der S-Bahn Nürnberg die Verkehrsleistung um 1,4 Millionen Zugkilometer aufgestockt, das sind 25 Prozent mehr an Zugleistungen gegenüber dem vorherigen Regionalbahnverkehr. Schon vorher, nämlich mit Einführung des Bayern- Takts im Juni 1996, hatte die Bayerische Eisenbahngesellschaft das SPNV-Angebot im Verbundgebiet um rund 15 Prozent erweitert.
Auch in den U-Bahnen, Straßenbahnen und Bussen des allgemeinen ÖPNV profitieren die Fahrgäste von umfangreichen Verbesserungen. Seit den 1990er Jahren sind in vielen Städten und Gemeinden Stadt- und Ortsbusverkehre entstanden. In Zeiten mit geringer Auslastung ergänzt das Anrufsammeltaxi vielerorts das Verkehrsangebot. An Wochenenden und Feiertagen sind NightLiner und weitere Nachtbusse im Einsatz. In Zusammenarbeit mit der Verbundgesellschaft aktualisieren Landkreise ihre Nahverkehrspläne. Abgestufte Verkehrskonzepte mit Taktverkehr auf den Verkehrsachsen und in Stadtverkehren bis hin zu bedarfsorientierten Bedienungsformen sorgen heute für ein attraktives Nahverkehrsangebot auch in der Region.
Gestiegene Fahrgastzahlen
Das Gebietswachstum sowie der Ausbau von Infrastruktur und Verkehrsangeboten führten zu deutlichen Steigerungen bei den Fahrgastzahlen. Im ersten vollständigen Geschäftsjahr 1988 nutzen 109 Millionen Fahrgäste die Linien des VGN. Bis heute hat sich die Zahl auf 243 Millionen Fahrten mehr als verdoppelt. Obwohl der Motorisierungsgrad der Bevölkerung im selben Zeitraum um 42 Prozent gestiegen ist, ist der ÖPNV für die Mobilität in allen Lebensbereichen unverzichtbar. Das frühere Bild eines Nahverkehrsangebots fast ausschließlich für Schüler und Pendler ist heute überholt. Nur 28 Prozent der Fahrten entfallen auf den Berufsverkehr und 20 Prozent auf den Weg zur Ausbildung. In 32 Prozent der Fälle nutzen die Fahrgäste den ÖPNV für den Einkauf oder sonstige private Erledigungen. Der Anteil des Freizeitverkehrs liegt bei rund 20 Prozent, am Sonntag dienen sogar zwei Drittel der Fahrten dem Freizeitvergnügen.
Digitale Serviceangebote kommen an
„Zu einem leistungsfähigen ÖPNV gehören neben einem gut ausgebauten Netz und einem umfangreichen Verkehrsangebot auch Serviceleistungen, die den Fahrgästen den Zugang zum öffentlichen Nahverkehr erleichtern“, unterstreicht der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung des VGN, Tim Dahlmann-Resing. „In unserer mobilen Gesellschaft sind vor allem schnelle Informationen zu Verbindungen, Tickets und Fahrpreisen gefragt. Auch der Kauf von Tickets muss komfortabel und einfach sein“, so Dahlmann- Resing, der bei der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg die Ressorts Technik und Marketing verantwortet. Gerade bei kurzfristigen Fahrplanänderungen, Baustellen oder betrieblichen Störungen sind die Echtzeitdaten der Verkehrsunternehmen unverzichtbar. Neben den Anzeigen an vielen Haltestellen sowie in Fahrzeugen sind sie nun auch über die Fahrplanauskunft auf der Homepage des VGN sowie mit der App „VGN Fahrplan & Tickets“ abrufbar. Wer sich im Internet zu den Angeboten des VGN informiert, macht das in 70 Prozent der Fälle mit einem mobilen Gerät und häufig von unterwegs. Bereits seit 2007 bietet der VGN den Ticketkauf per Handy an. In seinem Onlineshop erwerben heute mehr als 200.000 Kunden ihre Tickets für das Smartphone oder zum Ausdrucken. Möglich ist auch der Versand per Post. Noch einfacher soll das Fahren künftig mit dem eTicket werden. In einem ersten Schritt erfolgt im nächsten Jahr die Einführung eines elektronischen Tickets für Abo- Kunden. „Gerade die technisch aufwändigen Informations- und Vertriebslösungen für die Fahrgäste könnten ohne die enge Zusammenarbeit der Verkehrsunternehmen im VGN nicht realisiert werden“, resümiert Dahlmann- Resing.
Blick in die Zukunft
„Auch die Bewältigung der Zukunftsaufgaben wird nur durch die Kooperation von Verkehrsunternehmen und Aufgabenträgern, den kreisfreien Städte und Gemeinden sowie dem Freistaat Bayern, zu leisten sein“, ergänzt der für Planung und Infrastrukturausbau zuständige VGNGeschäftsführer Andreas Mäder. „Die Möglichkeiten der Digitalisierung werden wir neben Fahrgastinformation und Vertrieb auch bei der Verkehrsleitung und -steuerung nutzen. Die steigenden Erwartungen der Kunden an die digitalen Dienste für die gesamte Reisekette von Tür zu Tür, wie Information, Buchung und Bezahlung, sind eine der großen Herausforderungen in den nächsten Jahren.“
Der demografische Wandel sowie der Strukturwandel in den Städten und im ländlichen Raum erfordern Verkehrskonzepte, die den sich verändernden Mobilitätsbedürfnissen der Bevölkerung gerecht werden. Nach Prognosen wird das Verkehrsaufkommen im Umweltverbund (ÖPNV, Fahrrad, zu Fuß) ohne geeignete Gegenmaßnahmen in den nächsten 20 Jahren zurückgehen und die mit dem Auto zurückgelegten Wege dagegen um rund 5 Prozent ansteigen. Diese Entwicklung ist bedenklich, denn mit rund 18 Prozent des Treibhausgasausstoßes trägt der Verkehrssektor in Deutschland erheblich zum Klimawandel und den damit einhergehenden Problemen bei. Die Emissionsentwicklung wird dabei fast ausschließlich durch die Emissionen des Straßenverkehrs dominiert, die rund 95 Prozent der Verkehrsemissionen ausmachen. Dabei wiederum ist der Pkw- Verkehr für ca. 79 % dieser Emissionen verantwortlich.
Bislang wird die politische und öffentliche Diskussion zur Reduzierung dieser Belastung meist nur auf der Basis technischer Maßnahmen wie Elektromobilität, Biokraftstoff oder Wasserstoffantrieb geführt. Reboundeffekte schmälern die positiven technischen Wirkungen jedoch erheblich: Wer Benzin einsparen kann, fährt mehr. Allein mit der milliardenschweren Förderung der Elektromobilität wird es also nicht gelingen, die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Für einen möglichst geringen Rohstoff- und Energieverbrauch muss auch der Verkehr selbst reduziert werden. Beispielsweise wird die geplante Stadt-Umland-Bahn zwischen Nürnberg und Erlangen täglich rund 1.400 Pkw-Fahrten ersetzen. Dies entspricht einer „Autoschlange“ von mehr als 8 km Länge. Auch das Netz der S-Bahn Nürnberg muss durch einen Ausbau der restlichen Hauptkorridore noch leistungsfähiger werden. Dabei handelt es sich um den so genannten Sektor Nordost mit den Strecken Nürnberg – Neuhaus sowie Nürnberg – Simmelsdorf-Hüttenbach. Im Sektor West sind die Hauptstrecke nach Neustadt a. d. Aisch sowie die beiden Nebenbahnen nach Cadolzburg und Markt Erlbach nach S-Bahn-Standard auszubauen.
„Der Ausbau und mit zunehmender Dringlichkeit auch der Erhalt der vorhandenen Infrastruktur sind notwendig, damit der ÖPNV auch künftig seinen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Gerade für Sanierung und Unterhalt fehlt jedoch noch immer eine gesetzliche Finanzierungsregelung“, erinnert Mäder. „Langfristiges Ziel ist es, dem Kunden über eine Verknüpfung des öffentlichen Verkehrs mit anderen Mobilitätsdienstleistern (Carsharing, Radleihsysteme usw.) und dem privaten Pkw integrierte Mobilität aus einer Hand anbieten zu können, um eine möglichst umweltfreundliche Symbiose von öffentlichem bzw. kollektivem Verkehr und individueller Fortbewegung zu erreichen.“
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