„Sonntagsschüsse – Fußballfieber in der Kreisklasse“, Kapitel 5

"Sonntagsschüsse" Buchcover

„Sonntagsschüsse“ Buchcover

FC Kohlenmoor – TSV Weiherfelden (Vorbereitungsspiel)

„Warum hämmert Willi in meinem Kopf?“, murmelte ich verwundert, als ich am nächsten Morgen meine schmer­zenden Augen öffnete. Dröhnende Kopfschmerzen poch­ten rhythmisch in meinem Schädel. Der Geruch in unserem Zimmer war eine widerliche Mischung aus Schnapsladen und Verwesung. Aber besonders irritierend war der Umstand, dass jedes Pulsieren in meinem Kopf von Willis Stimme begleitet wurde: „Aufstehen! Ihr Schlafmützen!“

Ein leises, schwaches Stöhnen drang aus der anderen Ecke des Zimmers an mein Ohr. Stefan blickte mit schweren, verklebten Augen von der Zimmertür zu seinem Wecker.

„Verdammt!“, murmelte er und wälzte sich ungelenk aus dem Bett.

„Was ist denn los? Wo sind wir?“, stammelte ich.

„Waldlauf!“, ächzte Stefan, wankte wie ein Schlafwandler zu seiner Sporttasche und schnürte in Zeit­lupentempo die Joggingschuhe.

Während all meine Körperfunktionen versuchten, mich eines Besseren zu belehren, erhob ich mich aus dem warmen, kuscheligen Bett und folgte Stefans Beispiel.

Mit kreidebleichen Gesichtern öffneten wir die Tür und starrten auf den ungeduldig über den Flur tigernden Willi.

„Meine Güte, Jungs, ihr lernt wohl nie dazu. Dass diese Aktion jedes Jahr aufs Neue funktioniert, wirft wirklich ned des beste Licht auf eure Generation!“

Stefan und ich waren stolz, dass wir unsere Laufschuhe ohne Hilfe zubinden konnten. Zu komplexeren Gedanken­gängen fühlten wir uns noch nicht in der Lage. Also quittierten wir Willis verwirrende Rüge einfach mit einem leeren Blick.

„Des is sozusagen a Tradition bei den Jungs. Die Neuen werden bei den Trinkspielen gezielt abgefüllt, indem man sie bei jeder Gelegenheit als Trinkopfer benennt. Ihr seid ned die Ersten, denen des passiert.“

„Na toll. Solche hinterlistigen Hunde!“

„Sind die anderen schon weg?“

„Nein, keine Sorge“, knurrte Willi, der an diesem Morgen etwas unausgeglichen wirkte. „Ihr habt noch fünf Minuten.“

„Danke!“, murmelten wir knapp, während wir über die Flure des Gasthauses eilten. Wenigstens ein Weiher­feldener Urgestein hatte Mitleid mit uns armen un­schuldigen Neuzugängen.

Vor dem Eingang der Unterkunft wartete Trainer Andreas bereits mit zehn weiteren Spielern, die es noch vor halb 7 zum Waldlauf geschafft hatten. Unsere Kollegen sahen ebenfalls mitgenommen aus. Trotzdem hellten sich ihre schlaftrunkenen Mienen bei unserem Anblick auf.

„Mein Gott, Stefan. Das ist ja fast noch besser als deine nackte Einlage in Obsthofen!“, lachte der erfahrene blonde Torjäger Michael Meister und blickte Stefan Schmidt kopfschüttelnd unter die Gürtellinie.

Erst jetzt fiel mir auf, wie absurd mein Zimmerkollege Stefan aussah. Übermüdet und sicherlich nicht ohne Restpromille war er geistesgegenwärtig in seine Lauf­schuhe geschlüpft, hatte aber vergessen, vorher eine Trai­ningshose überzustreifen. Und so stand er nun da, blass wie ein Geist, in T-Shirt, Joggingschuhen und einer eng anliegenden getigerten Unterhose, mit der er selbst den schrägsten Strichern von St. Pauli ernsthafte Konkurrenz machte.

„Marco, dagegen machst du ja mal wieder eine richtig gute Figur!“, grinste Niklas Dinger schadenfroh.

„Aber dein Outfit sieht recht unbequem aus“, bemerkte Routinier Klaus Meier trocken, als er mein nur halb zugeknöpftes Hemd und vor allen Dingen die zerknitterte Jeanshose musterte. Ich hatte keine Ahnung, weshalb ich in Jeans geschlafen hatte. Die einzige Erklärung, warum ich sie noch nicht in eine Sporthose eingetauscht hatte, war die schlaftrunkene Hektik des grausam verkaterten Morgens gewesen.

Die folgenden 30 Minuten waren ein Höllenritt sonders gleichen. Noch nie hatte ich bei einem kurzen Waldlauf bei lockerem Tempo derart gelitten. Schon bei der Hälfte der Strecke waren meine beiden Innenschenkel bereits von der Naht der engen Jeanshose wund gerieben. Meine Hoden fühlten sich gequetscht an wie zwei Ostereier in einem viel zu kleinen Nest. Doch das war beileibe nicht mein einziges Problem. Mit einem bitteren Galle­geschmack auf der Zunge und dem rhythmischen Hämmern im Kopf als ständige Begleiter, kämpfte ich mich verbissen über den mit feinen Kieselsteinen be­deckten Waldweg. Ich vermag nicht zu beschreiben, wie sehr ich mich auf die anschließende Dusche im Hotel­zimmer freute, als wir die Tortur endlich hinter uns gebracht hatten und wieder in unserem Zimmer standen.

Damit er sich endlich seiner peinlichen getigerten Unterwäsche entledigen konnte, ließ ich meinem Freund Stefan trotzdem den Vortritt. Ich wollte mich gerade aufs Bett setzen und von dem anstrengenden Frühsport erholen, als Stefans entsetzte Stimme aus dem Bade­zimmer ertönte.

„Auch das noch! Marco, das solltest du dir mal ansehen!“

Besorgt taumelte ich ins Bad. Ich hatte schon so manche Befürchtung, was mich in dem Badezimmer er­wartete. Zu meiner positiven Überraschung waren Wasch­becken, Toilette und Dusche sauber und unversehrt.

„Was ist denn los?“, fragte ich erleichtert.

„Lies selbst“, seufzte Stefan und reichte mir den kleinen handgeschriebenen Zettel.

Liebe Bewohner des Zimmers 24,

Da ich so eine Schweinerei nur selten in einem Bade­zimmer vorgefunden habe, würde ich mich über ein ange­messenes Trinkgeld sehr freuen.

Es ist mir ein Rätsel, wie Sie das geschafft haben!

Und glauben Sie mir eines: Ich habe schon viele Dinge gesehen!

– Ihre Putzfrau

Stefan und ich hatten nicht den blassesten Schimmer, was wir in der Nacht in unserem Badezimmer angestellt hatten. Ich für meinen Teil wollte auch keine weiteren Details darüber wissen. Mit einem resignierten Lachen auf den Lippen vereinbarten wir, der Putzfrau am nächsten Morgen ein fettes Trinkgeld zu geben. Sie wird es sich sicher verdient haben. Dann machten wir uns fertig zum Frühstück.

Es überraschte mich sehr, dass mein Magen wieder aufnahmefähig war. Offenbar hatte ich die reinigende Wirkung der Kombination aus Frühsport und einer heißen Dusche unterschätzt. War man einmal durch die mor­gendliche Hölle gegangen, konnte man den Tag trotz einer heftig durchzechten Nacht wieder ohne nennens­werten Kater beginnen.

Einzig die kreative Wirkung des Alkohols blieb bestehen, als ich mir in wildesten Bildern ausmalte, welch abartige Sauerei Stefan oder ich – oder wir Beide? – in unserem Badezimmer hinterlassen hatten. Wir sollten es zum Glück nie erfahren…

10 Minuten vor 10 standen wir erstmals auf dem Rasenplatz des FC Kohlenmoor. Und diesmal trugen wir sogar richtige Sportkleidung. Es herrschte allgemeine Vorfreude auf ein abwechslungsreiches Training mit Ball. Der Tag konnte nur besser werden.

Aber wir hatten uns zu früh gefreut. Als Trainer Andreas 5 Minuten vor 10 in den Mittelkreis schlenderte, war sein Gesichtsausdruck alles andere als freundlich. Uns war nicht wohl in unserer Haut, als der Coach jeden einzelnen Spieler mit verärgerter Miene musterte. Er sagte lange nichts. Dann endlich polterte er los: „Ich hatte soeben einen netten Plausch mit unserer Gastwirtin.“

Fragend suchte ich Stefans Blick. Hatten wir etwa noch mehr angestellt, als ein verdrecktes Badezimmer zu hinterlassen?

„Und ich hatte nach dem Frühstück eine interessante Unterhaltung mit unserem guten alten Willi.“

Wir wussten nicht, wohin das alles führte. Aber die gesamte Mannschaft hatte ein ganz mieses Gefühl.

„Der Willi hat mir a lustige kleine Geschichte erzählt. Er konnte nachts ned schlafen und ist auf seinem Balkon noch eine rauchen gegangen. Als er so friedlich da saß und die frische Nachtluft genoss, begann es plötzlich über ihm zu plätschern. Kein Regen, Jungs. Kein Regen. Irgendeine Wildsau hat nachts vom Balkon gepinkelt und den armen Willi von oben bis unten vollgebrunzt. Nun möchten wir natürlich wissen, wer das war. Will jemand was dazu sagen?“

Betretene Stille, einzig unterbrochen von vereinzeltem, erfolglos unterdrücktem Kichern.

„Niemand? Mir ist es ganz egal, ob sich keiner mehr an diese Schweinerei erinnern kann oder erinnern will! Wenn ich in 5 Minuten nicht weiß, wer das war, werdet ihr heut keinen Ball mehr sehen!“

Wir Spieler tauschten ratlose Blicke aus. Fragend zuckte ich in Stefans Richtung mit den Schultern. Waren das auch wir ge­wesen? Ausschließen konnten wir es nicht. Ein Blick in die Gesichter der anderen Mann­schaftskollegen verriet mir, dass es ihnen genauso ging.

„Wer hat denn das Zimmer über dem Willi?“, fragte Bernd Hagen schließlich, der von uns allen am wenigsten Lust hatte, wieder den ganzen Tag nur Kondition zu bolzen.

„Das ist eine gute Frage, Bernd. Und ich kann sie euch sogar beantworten“, erwiderte Trainer Andreas, dessen langsamer, ruhiger Ton so gar nicht zu seinem zornesroten Kopf passte, was ihn noch bedrohlicher erscheinen ließ. „Direkt über unserem Spielleiter Willi wohnt ein 70 Jahre altes Ehepaar aus Holland.“

„Krass! Und diese alten Säcke haben tatsächlich vom Balkon gepinkelt?“, entfuhr es dem wohl immer noch nicht ganz ausgenüchterten Niklas Dinger. Sofort erntete er von allen Seiten wütende Fußtritte. Doch es war bereits zu spät.

Andreas seufzte schwer: „Na gut Jungs, ihr habt es nicht anders gewollt. Wir setzen uns jetzt alle in die Autos und statten unserem geliebten Sandberg einen kleinen Besuch ab. Das arme alte Ehepaar hat nachts um 1 Uhr völlig aufgelöst unsere Gastwirtin aus dem Bett geklingelt und einen Einbruch gemeldet. Es waren vier volltrunkene junge Männer auf ihren Balkon geklettert und haben an ihre Tür geklopft.“

Man konnte an den Gesichtern der Mitspieler erkennen, dass in all unseren Köpfen das Gleiche vorging. Jeder Einzelne stellte sich die Frage, ob er letzte Nacht noch in der Lage gewesen wäre, von Balkon zu Balkon zu klettern. Ich hätte mir das Kunststück nicht mehr zu­getraut. Im Grunde war es aber auch egal. Wir saßen alle im selben Boot. Und dieses Boot fuhr geradewegs in die Hölle.

„Also los, Jungs. Der Sandberg ruft!“

Nach der durchzechten Nacht sah der verhängnisvolle Sandberg doppelt so hoch aus wie am Vorabend. Und zur Feier des Tages durften wir die tolle Aussicht gleich zwei­mal genießen. Erbarmungslos stoppte Trainer Andreas unsere Zeiten und trug sie akribisch in seinen Notizblock ein. Als die sandige Tortur schließlich ein Ende nahm, hatten wir uns das Mittagessen verdient.

Nach dem Essen war noch zwei Stunden Zeit bis zur nächsten Trainingseinheit. Ausnahmsweise befolgten wir einen Rat des Trainers und machten uns auf den Weg in das Hallenbad unserer Unterkunft. Eine kleine Portion Erholung vor dem Zirkeltraining konnte nun wirklich nicht schaden.

Niklas Dinger, Dominik Prien und Bernd Hagen saßen lässig am Beckenrand und ließen ihre Beine im erfrisch­enden Wasser baumeln.

„Wozu is denn des Telefon da eigentlich?“, fragte Bernd verwundert und deutete auf ein neben dem Becken­rand montiertes Telefon.

„Keine Ahnung“, antwortete Dominik gelangweilt. Der knallharte Verteidiger mit der Schafspelzfrisur hatte generell den Ruf, dass er recht emotionslos und wenig entscheidungsfreudig war. Er machte einfach immer jeden Unsinn mit, den ihm seine Kollegen vorschlugen.

„Probieren wir´s doch mal aus“, meinte Niklas, der einmal mehr die Neugierde in Person war. Schon hatte er sich den Hörer geschnappt und war nicht mehr aufzu­halten.

„Oh ja, das hört sich gut an. Fünf Weizen bitte“, sagte er schließlich grinsend.

Besorgt blickte ich mich um. Fünf Weißbier? Neben Dominik, Bernd und Niklas befanden sich nur Stefan und ich in dem kleinen Hallenbad. Oh nein! Ein Weißbier am Nachmittag vor dem Zirkeltraining, und das nach der gestrigen Nacht. Na wunderbar!

„Alter, die hört sich aber süß an!“, murmelte Niklas und entledigte sich seiner Badehose.

Was hat dieser verrückte Hund denn jetzt wieder vor?, fragte ich mich verwirrt.

Bernd und Dominik hingegen fanden die Aktion ganz und gar nicht ungewöhnlich.

„Ich steh zu meinem Körper“, kündigte Dominik Prien an und zog ebenfalls seine Badehose aus.

Auch Bernd Hagen folgte dem Beispiel seiner beiden Kollegen und zwinkerte Stefan und mir verschmitzt zu: „Ich glaub, ihr braucht noch das richtige Gespür, wann Nudismus angebracht ist und wann nicht!“

Wenig später balancierte eine hübsche junge Bedien­ung ein Tablett mit fünf schäumenden Weißbiergläsern in das Hallenbad. Unsere drei splitterfasernackten Mann­schaftskollegen saßen am Beckenrand und taten alles, um ihre besten Stücke bloß nicht zu verdecken. Nach einem ersten geschockten Gesichtsausdruck hatte sich die schöne Bedienung schnell wieder gefangen. Mit be­wundernswerter Professionalität gelang es ihr, die Weiß­biere am Beckenrand abzustellen, ohne einen zu langen Blick auf das baumelnde Gemächt meiner Mitspieler werfen zu müssen.

„Du kannst aber gut wegschauen“, grinste Niklas Dinger in gewohnter Dreistigkeit und erntete ein mühsam unterdrücktes Prusten seiner beiden nackten Kollegen.

Als die entzückende Bedienung mit peinlich geröteten Wangen verschwunden war, reichte Niklas Stefan und mir ein Glas. „Die Runde geht auf mich – schließlich haben wir euch Beiden gestern ganz schön übel mitgespielt.“

„Auf das isotonischste aller Sportlergetränke“, rief Bernd Hagen, und wir stießen feierlich unsere Gläser aneinander.

Ein Weißbier am Nachmittag zwischen zwei Trai­ningseinheiten war Neuland für mich. Aber wenn es der inoffizielle Vergnügungswart des TSV Weiherfelden anordnete, half es nichts, sich lange dagegen zu wehren.

Es war keine gute Idee. Unser geliebter Trainer Andreas hatte sich wieder wunderbare Folterübungen ausgedacht: Rennen mit Medizinbällen, Hüpfen über Stangenparcours, Liegestützen und Hindernisläufe. Doch meine größte Herausforderung war der ständige Kampf gegen den Würgereiz.

„Marco, wie sieht‘s aus? Gehst du noch mit in die Disco?“, fragte Harald, als wir nach einer heißen Dusche beim gemeinsamen Abendessen zusammensaßen.

Wer konnte dazu schon Nein sagen. Es war ein anstrengendes Wochenende gewesen, und die Abwechs­lung eines unbeschwerten Abends mit den Mannschafts­kollegen war zu verlockend.

„Ja, ich denke schon. Ist denn dort etwas geboten?“

„Geboten?“, fragte Niklas Dinger. „Auf jeden Fall!“ Sein sarkastischer Tonfall war mir einmal mehr ent­gangen.

„Gibt es da hübsche Mädels?“

„Mädels gibt es dort einen ganzen Haufen. Und ich muss sagen, wenn man die Erfahrung der letzten Jahre in Betracht zieht, stürzen sie sich sogar auf uns Fußballer. Das ist echt eine gute Gelegenheit.“

„Wart ihr wohl schon mal hier im Trainingslager?“

„Nicht hier am Monte Kaolino. Aber in der Gegend. Und die Disco ist bis weit über ihre Grenzen hinaus bekannt.“

Ich hatte ein wenig den Eindruck, als verkniffen sich meine Kollegen ein Kichern. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht verstehen, warum. Vielleicht freuten sie sich einfach auf den bevorstehenden Abend. Und auf die willigen Mädels. Nun ja, es war schließlich nicht das erste Mal, dass ich durch meine grenzenlose Naivität glänzte.

Routinier Klaus Meier bot an, uns im Mannschaftsbus in die Disco zu kutschieren. Jeder nahm eine Flasche Bier mit in den Bus, und nach einer 15-minütigen Fahrt kamen wir endlich in der Diskothek an. Es war kein Club, wie ich ihn aus Hamburger Tagen kannte. Vielmehr hatten wir es mit einer kleinen Bauerndisco zu tun. Aber die Mädels vom Lande hatten ja alles andere als einen schlechten Ruf. Wir begaben uns auf die Jagd.

Am Eingang bezahlten wir drei Euro Eintritt und betraten den Tanzsaal. Tanzsaal war nicht wirklich das Wort, das ich normalerweise in einer Disco gebrauchte, aber in diesem Fall traf es zu. Denn die Mädels ent­puppten sich als runzelige, grauhaarige Greisinnen, die von ihren Tanzpartnern mit dem Bewegungsradius eines Bernd Hagen in Zeitlupentempo über die Tanzfläche geschoben wurden.

„Wenn du hier keine abbekommst, dann klappt es vermutlich nie“, bemerkte Niklas Dinger trocken. Lang­sam aber sicher dämmerte es selbst mir, dass an diesem Abend in Sachen Liebe nichts zu holen war.

„Lasst uns ein paar Mumien rumschieben!“, rief der durchgeknallte Max Hölzelein und stürzte sich ins Getümmel.

Wir verbrachten unsere Zeit dennoch sinnvoll. Die Mannschaft versammelte sich am Tresen und bestellte ein Weißbier nach dem anderen. Schließlich waren wir im Trainingslager, und Weißbier war ein isotonisches Sport­lergetränk. Natürlich war die Diskothek nicht auf diesen Konsum eingestellt. Als wir mit unserer zehn Mann starken Truppe den gesamten Weißbierbestand des Tanz­saals geleert hatten, folgten wir Klaus Meier schwankend hinaus zum Bus. Eines war klar: Der Waldlauf am nächsten Morgen würde erneut eine Tortur werden. Aber zumindest waren wir körperlich ausgeruht, denn an an­strengende Liebesspiele mit jungen, hübschen Mädels war hier nicht zu denken. Denn spätestens seit Rocky Balboa wissen wir ja: Bumsen macht die Beine schwach. Und das konnte man in einem Fußball-Trainingslager bei Schleifer Andreas Dietner wahrlich nicht gebrauchen.

Nach lockerem Training am Sonntagmorgen spielten wir schließlich zum Abschluss unseres Trainingslagers gegen den FC Kohlenmoor. Wunderdinge waren an diesem Tag freilich nicht zu erwarten.

Aber Andreas Dietner war sich den erschwerten Vor­aussetzungen vollauf bewusst: „Ich weiß, ihr seid er­schöpft. Ihr habt dieses Wochenende gut trainiert! Bewegt euch, kämpft und nehmt das Spiel als zusätzliche Trai­ningseinheit mit. Das Ergebnis ist heute zweitrangig!“

Wir verloren das Spiel mit 1-3 und schlugen uns dabei deutlich besser als erwartet. Vielleicht hatte der Gegner aber auch Mitleid mit uns gehabt und mit angezogener Handbremse gespielt. Die elf dunklen Augenringe konn­ten ihnen schließlich kaum entgangen sein.

Titel: Sonntagsschüsse – Fußballfieber in der Kreisklasse

Amateur-Fußballer Marco Tanner muss sich als “Zugereister“ in die deftige fränkische Lebensweise einfinden, um bei seinem skurrilen neuen Fußballverein Fuß zu fassen.

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