Sonntagsgedanken: Die wahre Hölle
Vom griechischen Mönchsvater Makarios erzählt man sich folgende Legende: Er ging einst im Wüstensand spazieren und entdeckte einen Totenkopf. Er sprach ihn an: „Wem gehörst Du?“ Der Totenkopf erwiderte: „Einem heidnischen Priester. Aber nun sind wir alle in der Hölle.“ „Wie sieht es dort unten aus?“, wollte der Mönch wissen. „Wir stehen dort in den Flammen. Schlimmer aber als die Hitze ist der Umstand, dass wir Rücken an Rücken gefesselt sind und so nie das Gesicht des Anderen sehen. Aber wenn Ihr auf Erden für uns Sünder betet, dann lockern sich unsere Fesseln und wir können immer leichter miteinander reden.“
Die wahre Hölle dürfen wir uns nicht nach Art einer mittelalterlichen Folterkammer vorstellen. Die Hölle beginnt schon hier auf Erden im Alltag, wenn die Menschen einander nicht mehr ins Gesicht sehen können oder wollen, wenn Angst, Misstrauen, Hass, Neid und Gleichgültigkeit die Beziehungen verderben. So werden die Familien vergiftet, aber auch die Vereine, Firmen und selbst die Kirchengemeinden. Die Legende zeigt uns aber auch den Ausweg: Wo wir füreinander und noch besser miteinander beten, lösen sich allmählich die Fesseln um unser Herz. Vielleicht dauert es lange, bis die Ketten springen wie eben auch ein Steinmetz immer wieder zuschlagen muss, bis der Stein endlich springt. Im Gebet nehme ich den richtigen Platz ein, nämlich als Kind Gottes, das um seine Schuld, aber auch um die übergroße Liebe Gottes weiß. Im Gebet kann ich ehrlich sein zu Gott und zu mir, kann die Masken, die Schutzmechanismen ablegen, deren ich mich oft bediene, um vor den Leuten stark zu erscheinen. Wir dürfen aber auch für die beten, die noch nicht oder nicht mehr an das Evangelium glauben, auch für die in Verzweiflung und Wut Gestorbenen. Kein Gebet ist umsonst. Gott hat viele Wege mit den Menschen und seine Gnade hat keine Grenzen.
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Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
Infos zu Christian Karl Fuchs:
- geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
- Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
- Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
- Promotion zum Dr. theol. 1995
- Ordination zum ev. Pfarrer 1996
- Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
- seither in Neustadt/Aisch
- blind
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