Sonntagsgedanken: Ein Glas Honig als Erziehungsmittel
Eine Schlange vor der Kasse des Supermarktes: Hinter einer älteren Dame drängelt sich ein Junge. Er fährt ihr mit dem Einkaufswagen ständig in die Beine. Zunächst übersieht sie den Kleinen gnädig. Als er aber nicht aufhört, bittet sie seine Mutter höflich, ihm Einhalt zu gebieten. Doch die junge Dame erklärt schnippisch: „Mein Sohn ist antiautoritär erzogen. Er weiß von selbst, wann er aufhören soll!“ Die ältere Frau ist sprachlos über so viel Unverschämtheit. Hinter der aufgeblasenen Kindsmutter steht ein Mann, der die Szene mitansieht. Dann nimmt er ein Glas Honig, gießt es der Frau über den Kopf und meint: „Ich bin auch antiautoritär erzogen.“
Die so oft beklagte Verrohung unserer Gesellschaft ist wohl eine Folge der antiautoritären Erziehung der 60er und 70er Jahre. Umgekehrt werden wohl auch deshalb immer mehr Menschen hierzulande depressiv, weil man sich selbst zu wichtig nimmt, weil man seine überzogenen Ansprüche an das Leben nicht mit der konkreten Wirklichkeit vereinbaren kann. Jedes Spiel aber braucht seine Spielregeln, die für alle gelten und deren Verletzung geahndet werden muss. Wir leben nur einmal. Daraus darf man nicht den Schluss ziehen, sich schrankenlos austoben zu sollen. Vielmehr geht es darum, mit allem Ernst das Gute zu tun. Aus der Moral kann man nicht austreten wie aus einem beliebigen Verein. Als Christ weiß ich, dass die kleinen und großen Schurken zwar oft der irdischen, nie aber der göttlichen Justiz entkommen werden.
Wie das Leben vieler Zeitgenossen misslingt, möchte ich abschließend an folgender Parabel verdeutlichen: Ein Weizenkorn wollte nicht ausgesät werden, wollte sich nicht opfern und vergehen müssen. So versteckte es sich in der Scheune. Während die anderen Körner in den Acker gelegt wurden, wo sie wuchsen und Frucht brachten, blieb das versteckte Korn allein. Es wurde nie zu Mehl gemahlen, zu Brot gebacken, nie gesegnet, ausgeteilt, nie in Lebenskraft umgewandelt. Schließlich vergammelte das Korn und der Bauer kehrte es mit dem übrigen Schmutz hinaus.
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Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
Infos zu Christian Karl Fuchs:
- geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
- Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
- Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
- Promotion zum Dr. theol. 1995
- Ordination zum ev. Pfarrer 1996
- Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
- seither in Neustadt/Aisch
- blind
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