Bayreuther Forscher untersuchen Folgen des Klimawandels
Tropenviren bald auch in Europa?
Chikungunya ist eine von Stechmücken übertragene Viruserkrankung, die vor allem in den Tropen vorkommt. Forscher an der Universität Bayreuth und am Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten in Stockholm haben jetzt ermittelt, wie der Klimawandel die weitere Ausbreitung des Chikungunya-Virus begünstigt. Selbst wenn sich die derzeit zu beobachtenden Klimaänderungen nur moderat fortsetzen, steigt das Infektionsrisiko in vielen Weltregionen bis Ende des 21. Jahrhunderts an. Bei einem ungebremsten Klimawandel wird sich das Virus sogar in Südeuropa und in den USA verbreiten können. In ‚Scientific Reports’ berichten die Wissenschaftler über ihre Erkenntnisse.
Es sind hauptsächlich die Asiatische Tigermücke und die Gelbfiebermücke, die den Menschen mit dem Chikungunya-Virus infizieren. Das Klima beeinflusst die Ausbreitung eines von Stechmücken übertragenen Virus vor allem in zweierlei Hinsicht: Es wirkt sich entscheidend auf die geografische Verbreitung der Mücken aus, die nur bei hinreichend hohen Temperaturen und Niederschlägen auf Dauer leben können. Zudem kann sich das Virus im Organismus der Mücken besonders schnell vervielfältigen, wenn die Außentemperaturen hoch sind und im Tagesverlauf nicht zu sehr schwanken. Daher konzentriert sich das Risiko, an Chikungunya zu erkranken, bisher auf tropische Regionen in Afrika, Asien und Südamerika.
Eine Weltkarte der heutigen Risikogebiete
An der Universität Bayreuth hat eine Forschergruppe um Prof. Dr. Carl Beierkuhnlein die klimatischen Bedingungen, die eine Übertragung des Chikungunya-Virus begünstigen, genauer untersucht. In Gebieten, die seit langem hohe Infektionsraten aufweisen, haben sie ermittelt, welche Faktoren die dortigen Klimaverhältnisse bestimmen. Aus den so gewonnenen Daten konnten sie eine Weltkarte generieren, die zeigt, wo das Infektionsrisiko besonders hoch ist. Hierfür wurde ein auf maschinellem Lernen basierender Forschungsansatz gewählt, der heute oft im Natur- und Artenschutz angewendet wird, um Modelle für die Verbreitung von Tier- und Pflanzenarten zu erarbeiten. Ein Computerprogramm, das auf der sogenannten ‚Maximum-Entropie-Methode’ beruht, übernimmt dabei alle nötigen statistischen Berechnungen. „In enger Zusammenarbeit mit den Kollegen am Stockholmer ECDC, dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, ist es uns gelungen, aus Klimadaten einen differenzierten globalen Überblick über die Risiken einer Chikungunya-Infektion zu gewinnen“, sagt Nils Tjaden, der in Bayreuth am Lehrstuhl für Biogeografie promoviert.
Steigende Infektionsrisiken infolge des Klimawandels
Wie werden sich die heutigen Risikogebiete infolge des Klimawandels verändern? Dies hängt davon ab, welcher Verlauf des globalen Klimawandels den Berechnungen zugrundegelegt wird. Die Wissenschaftler in Bayreuth und Stockholm haben mit zwei sehr unterschiedlichen Szenarien gearbeitet. Eines der beiden Szenarien nimmt an, dass sich der Klimawandel moderat fortsetzt und das klimapolitische 2-Grad-Ziel nur knapp überschritten wird: Die globale Mitteltemperatur erhöht sich demnach bis zum Jahr 2100 um 2,6 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit. Unter dieser Annahme zeigen die Berechnungen einen allgemeinen Trend, der weltweit die klimatischen Voraussetzungen für Chikungunya-Übertragungen begünstigt.
Das zweite Szenario geht hingegen von einem weitgehend ungebremsten Klimawandel aus. Dieser führt dazu, dass sich die globale Mitteltemperatur bis zum Jahr 2100 um etwa 4,8 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zustand erhöht. In diesem Fall werden sich die Regionen mit einer hohen klimatischen Eignung für Chikungunya-Übertragungen spürbar ausweiten. Das Virus wird dann voraussichtlich bis in die Länder Südeuropas und in die USA vordringen. „Dieses Szenario ist insofern wahrscheinlicher, als bisher keine globalen Strategien erkennbar sind, die den Klimawandel nachhaltig abschwächen würden. In den gemäßigten Breiten könnte die Chikungunya-Gefahr sogar noch stärker ansteigen, als sie in diesem zweiten Szenario dargestellt wird“, meint Prof. Beierkuhnlein. „In Italien, Frankreich und Florida sind bereits Menschen mit Chikungunya infiziert worden, aber diese Fälle sind noch zu selten, als dass sie in unserem Modell eine signifikante Rolle spielen könnten. Vermutlich wird das klimatische Potenzial für Neuerkrankungen im Süden Europas und der USA unterschätzt“, ergänzt die Bayreuther Biogeografin Dr. Stephanie Thomas. Den Projektionen zufolge könnte sich die Chikungunya-Gefahr allein in Indien und an den Südrändern der Sahara leicht abschwächen: Die Lebensbedingungen für Stechmücken könnten hier zu extrem werden.
Die Frage, wie sich tropische Infektionskrankheiten infolge des Klimawandels in Europa und weiteren Regionen der Erde ausbreiten können, ist bereits seit mehr als einem Jahrzehnt ein Forschungsschwerpunkt der Bayreuther Biogeografie. Die Arbeitsgruppe von Prof. Beierkuhnlein ist dabei spezialisiert auf die Analyse der Faktoren, die das Vordringen von Insekten wie der Asiatischen Tigermücke begünstigen. Diese überträgt nicht allein Chikungunya, sondern auch das gefürchtete Dengue-Fieber.
Veröffentlichung:
Nils B. Tjaden, Jonathan E. Suk, Dominik Fischer, Stephanie M. Thomas, Carl Beierkuhnlein, Jan C. Semenza, Modelling the effects of global climate change on Chikungunya transmission in the 21st century,
Scientific Reports (2017), DOI: 10.1038/s41598-017-03566-3
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