Sonntagsgedanken: Die Feuchtwanger Zeißigfänger – eine Pfingstgeschichte aus Franken
Die Bewohner Feuchtwangens mussten sich einst den Spitznamen „Zeißigfänger“ bieten lassen und das kam so: Der Bürgermeister dieser Stadt besaß einen Zeißig. Durch eine Unachtsamkeit seines Besitzers entkam der kleine Kerl jedoch. Da befahl der hohe Herr, alle Stadttore zu schließen, damit das edle Tier Feuchtwangen nicht verlassen könne. Die ganze Stadt musste den Zeißig jagen. Er aber pfiff ihnen was und flatterte über Mauern, Tore und Türme hinweg.
Diese Geschichte verrät uns auch viel über den Heiligen Geist, der 50 Tage nach Ostern die im Jerusalemer Tempel versammelte Gemeinde plötzlich in aktive, fröhliche Zeugen des Evangeliums verwandelte, weshalb Pfingsten – auf Deutsch: am fünfzigsten Tag – auch als Geburtstag der Kirche gilt: Wie der elektrische Strom durch das Kabel so fließt der Heilige Geist durch die Organisation Kirche bis ins Krankenhaus, ins Gefängnis. Er begleitet treu jeden von uns seit dem Tag unserer Taufe. Wo man sich von der Kirche trennt, nicht mehr in der Bibel liest, nicht mehr betet, nicht mehr die schönen Lieder der Kirche singt, wie soll da der Heilige Geist fließen?
Der Heilige Geist wirkt im Verborgenen, gewissermaßen maskiert, auch außerhalb der Kirche, überall wo Menschen Gutes tun, etwas Großartiges schaffen, etwas Schönes erleben, in der Sehnsucht nach Geborgenheit, nach dem letzten Sinn, in der Stimme des Gewissens.
Der Heilige Geist drängt sich uns nicht auf. Sein Symbol ist die zarte Taube, nicht der brüllende Löwe. Oft überhören, übersehen wir ihn, oft entschlüpft er uns wie der Zeißig dem Feuchtwanger Bürgermeister, weil wir unachtsam sind, ganz mit uns selbst beschäftigt. Wir können ihn aber auch nicht herbeizwingen, eine schmerzhafte Einsicht gerade für uns Menschen der Moderne, die wir so oft an die Machbarkeit aller Dinge glauben. Natürlich sollen wir mit aller Kraft versuchen, die Kinder zum Guten, zum Glauben zu erziehen, sollen gegen die vielen kleinen Gemeinheiten der Mitmenschen ankämpfen. Doch der Erfolg liegt nicht in unserer Hand. Der Heilige Geist überfliegt aber auch die Mauern von Gleichgültigkeit und Gewalt, kann in atheistischen Familien, ja in grausamen Diktaturen Menschen zum Glauben an Christus führen. Wir können uns dem Heiligen Geist öffnen, uns innerlich durch Gebet, Bibellesen und Gesang auf ihn vorbereiten. Wir können ihn anlocken, wie auch der Feuchtwanger Bürgermeister seinen entschlüpften Vogel nur geduldig, freundlich hätte bitten müssen.
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Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
Infos zu Christian Karl Fuchs:
- geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
- Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
- Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
- Promotion zum Dr. theol. 1995
- Ordination zum ev. Pfarrer 1996
- Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
- seither in Neustadt/Aisch
- blind
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