Afrika ohne Klischees: Graduiertenschule der Uni Bayreuth verleiht den BIGSAS-Journalistenpreis 2017

Symbolbild Bildung

Bereits zum vierten Mal hat die Bayreuth International Graduate School of African Studies (BIGSAS) ihren Journalistenpreis verliehen, mit dem sie herausragende journalistische Beiträge über Afrika würdigt. In diesem Jahr ging der mit 2.000 Euro dotierte Preis an Jan Rübel für eine Reportage über junge Start-up-Gründer in Uganda. Christian Putsch erhielt eine besondere Anerkennung für einen Beitrag über nigerianische Lehrkräfte, die der Terrororganisation Boko Haram standhalten. Während einer feierlichen Veranstaltung auf dem Bayreuther Campus am 29. Mai 2017 nahmen die Journalisten ihre Auszeichnungen vor 250 Gästen aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Kirchen entgegen.

Mit ihrem Preis, der seit 2011 im zweijährigen Turnus ausgeschrieben wird, prämiert die BIGSAS Beiträge über Afrika, die in deutschsprachigen Print- oder Onlinemedien erschienen sind. Die Artikel beruhen auf detaillierten Recherchen, analysieren soziale Kontexte und lassen den kulturellen Reichtum, die wirtschaftlichen Potenziale und die gesellschaftliche Vielfalt in Afrika erkennen. Sie machen zugleich deutlich, wie sich Menschen mit Kreativität, Mut und Optimismus auch in schwierigen Lebensumständen behaupten und selbstgewählte Ziele verwirklichen. Der BIGSAS-Journalistenpreis wird vom Universitätsverein Bayreuth e.V. gestiftet und ist in Deutschland der einzige Journalistenpreis seiner Art.
Digitale Gründerszene in Uganda, Widerstand gegen Terror in Nigeria

„Mehr als die Hälfte der Einwohner Ugandas ist unter 18. Ein Land voller junger Menschen, die ihre Träume verwirklichen wollen“ – so beginnt die preisgekrönte Reportage „Afrikas entschlossene Kinder“. Es geht um Start-ups in einer ostafrikanischen Region, die zu den am stärksten wachsenden Märkten für mobile digitale Endgeräte gehört. Das Internet ist im Alltag allgegenwärtig, zu 95 Prozent wird es auf dem Handy genutzt, Apps haben Hochkonjunktur. Jan Rübel porträtiert junge Unternehmensgründer in der Hauptstadt Kampala, die sich durch digitales Know-how und intelligenten Service eine eigene Existenzgrundlage schaffen wollen – in einem autoritär regierten Staat mit einer geschätzten Jugendarbeitslosigkeit von 86 Prozent.

„Westliche Bildung ist verboten“ lautet übersetzt der Name der islamistischen Terrororganisation Boko Haram. Deren Milizen haben bereits mehr als 600 Lehrkräfte in nigerianischen Schulen ermordet, weil diese den Horizont von Jugendlichen erweitern und neue Perspektiven eröffnen. Rund 19.000 Lehrer und fast eine Million Schulkinder sind derzeit in Nigeria auf der Flucht. Christian Putsch beschreibt, wie Lehrerinnen und Lehrer der alltäglichen Bedrohung standhalten: mit einem starken Verantwortungsgefühl gegenüber ihren Schülerinnen und Schülern, getragen vom Glauben an Bildung und Zukunft, obgleich sie nicht mit öffentlicher Aufmerksamkeit rechnen können. Mit eindrucksvollen Porträtfotos gibt ihnen die Reportage „Mit Kreide gegen Boko Haram“ ein Gesicht.

Wissenschaftliche Expertise und journalistische Sensibilität

Der BIGSAS-Journalistenpreis ist nicht zuletzt wegen seiner Jury einzigartig: Unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Ruppert, dem früheren Präsidenten der Universität Bayreuth, gehören ihr 17 Absolventinnen und Absolventen der BIGSAS an, die heute in verschiedenen Ländern Afrikas und Europas tätig sind und ihre Forschungserfahrungen in die Auswahl der Preisträger einbringen. In diesem Jahr wurden fast 90 Beiträge eingereicht, die erneut ein breites thematisches Spektrum abdeckten. Prof. Ruppert zeigte sich bei der Übergabe der Preise beeindruckt von der hohen Qualität und merkte an, dass die mediale Berichterstattung über Afrika erfreulicherweise immer weniger von Stereotypen und Vorurteilen über Kriege, Krankheiten und Katastrophen geprägt sei.

Wie sehr der Journalismus herausgefordert ist, sich der Bedeutungen und oftmals versteckten Konnotationen üblicher Redewendungen bewusst zu werden, machte die ZDF-Moderatorin Jana Pareigis in ihrer Festansprache deutlich. „In jedem Wort steckt viel mehr, als wir glauben“, erklärte sie im Hinblick auf Begriffe wie ‚Migrationshintergrund‘ und ‚Flüchtlingswelle‘ und rief zu einer verstärkten Sensibilität gegenüber Wertungen und Interessen auf, die – von der Öffentlichkeit oft unbemerkt – manchen gern verwendeten Begriffen eingeschrieben sind. Die Festrednerin betonte das Verdienst der Bayreuther Graduiertenschule, dass sie mit ihrem Preis einen Journalismus fördert, der sich den bis heute wirksamen Klischees über den afrikanischen Kontinent entzieht.

Die Preisträger

Jan Rübel (47) studierte Islamwissenschaft und Nahostgeschichte und wurde zunächst Länderreferent beim Nah- und Mittelost-Verein in Hamburg. Er volontierte bei der Journalistenschule Axel Springer, trat in die Politikredaktion der WELT ein und wechselte 2005 zur WELT am SONNTAG, für die er als Parlamentskorrespondent berichtete. Es folgte eine kurze Zwischenstation bei einer Entwicklungsredaktion der Axel Springer AG. Seit 2008 arbeitet Rübel bei Zeitenspiegel und mittlerweile auch als politischer Kommentator bei Yahoo. Er wurde ausgezeichnet mit dem Theodor-Wolff-Preis, dem Deutschen Sozialpreis, dem Journalistenpreis Weltbevölkerung, dem Karl-Kübel-Medienpreis und dem ERM-Medienpreis für Nachhaltige Entwicklung. Seine mit dem BIGSAS-Journalistenpreis prämierte Reportage erschien am 22./23. August 2015 im Magazin der Berliner Zeitung.

Christian Putsch (39) besuchte nach einem Studium der Politikwissenschaft die Axel-Springer-Akademie, bevor er 2008 als Redakteur bei der WELT einstieg. Im gleichen Jahr zählte ihn das medium magazin zu den Top 30 Journalisten unter 30 Jahren. Seit 2009 arbeitet Putsch für die WELT als Korrespondent in Afrika, wo er mehr als 20 Länder bereiste. Eine Reportagereihe über Simbabwe wurde beim „Axel-Springer-Preis“ als herausragender Beitrag gewürdigt. Sein Artikel „Mit Kreide gegen Boko Haram“ erschien am 28. August 2016 in der WELT am SONNTAG.

Die Bayreuth International Graduate School of African Studies

Die BIGSAS wird seit 2007 von der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert. Wie für die Afrikastudien an der Universität Bayreuth insgesamt, gilt auch für die BIGSAS das Credo: „Forschung über Afrika nur mit Afrika“. Derzeit werden fast 100 Promovierende gefördert, weitere 98 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden bereits promoviert. Sie kommen aus 38 Ländern in Afrika, Amerika, Asien und Europa. Durch eine enge Zusammenarbeit mit sechs Partneruniversitäten in Äthiopien, Benin, Kenia, Marokko, Mosambik und Südafrika hat die BIGSAS nicht allein ein einzigartiges Umfeld für den wissenschaftlichen Nachwuchs, sondern auch Forschungsstrukturen mit einem enormen Zukunftspotenzial geschaffen.