Sonntagsgedanken: Der Priester und der Kommunist
In den Jahren nach der russischen Oktoberrevolution tobte ein schrecklicher Bürgerkrieg zwischen den „Roten“ und den „Weißen“, die für die Wiederherstellung der Monarchie kämpften. Soldaten der „Weißen“ nahmen einen jungen Kommunisten gefangen und wollten ihn am nächsten Baum aufhängen. Da kam ein orthodoxer Priester daher und die „Weißen“ grüßten den Gottesmann mit dem damals üblichen Wort: „Segne uns, Vater!“ Der Angeredete aber verneinte: „Einen Mord kann ich nicht segnen.“ Erschrocken ließen sie den jungen „Roten“ frei. Nach einiger Zeit rief ein altes Mütterchen diesen Priester zu sich, denn ihr Sohn lag im Sterben. Als der Geistliche eintrat, hörte er die vor Wut und Schmerz verzerrte Stimme des Totkranken: „Ich will keinen Priester. Das sind doch alles Lügner und Gauner!“ Aber da stockte ihm der Atem, denn er erkannte in dem Priester seinen Lebensretter. Verunsichert fragte er ihn: „Du hast mir das Leben gerettet, obwohl ich Kommunist bin und sogar den Auftrag hatte, Dich umzubringen. Dort auf dem Tisch liegt noch das Messer. Hättest Du mich auch gerettet, wenn Du das gewusst hättest?“ Als der Priester dies mit Ernst und Würde bejate, sank der junge Mann heulend in sein Bett zurück. So konnte er versöhnt mit Gott sterben.
Ich bewundere den Mut, die Geradlinigkeit, den tiefen Glauben dieses Priesters.Würden wir so eine innere Stärke auch aufbringen? Seine Liebe war ein Abglanz der Liebe Gottes zu uns. Gott schreibt seine störrischen, boshaften, oft abgestumpften Geschöpfe eben nicht ab, wie es Menschen so gern untereinander tun. Gott hat Jesus für uns geopfert, um uns aus dem Teufelskreis von Schuld und Tod zu erretten. Teuflisch ist es, was Menschen einander antun, sei es aus Berechnung, sei es aus Leichtsinn oder Gleichgültigkeit. Teuflisch scheint zumindest manch hartes Schicksal zu sein. Aber vorsicht: Der junge Kommunist musste Schmerz, Angst und Gewissensqual erleiden, um zu Gott zu finden. So führte ihn ein scheinbar sinnloses Los zum „ewigen Leben“.
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Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
Infos zu Christian Karl Fuchs:
- geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
- Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
- Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
- Promotion zum Dr. theol. 1995
- Ordination zum ev. Pfarrer 1996
- Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
- seither in Neustadt/Aisch
- blind
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