Wirtschaftsgemeinschaften in Afrika: Uni Bayreuth erforscht Zukunftsperspektiven
Ein neues fächerübergreifendes Forschungsvorhaben an der Universität Bayreuth will herausfinden, wie die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Afrika durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit und regionale Integration gefördert werden kann. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) fördert das Projekt für zwei Jahre mit 500.000 Euro.
Während in Europa die Strukturen und Ziele der EU kritisch hinterfragt werden, entstehen in Afrika neue Formen der Zusammenarbeit benachbarter Staaten. Herausragendes Beispiel einer regionalen Integration ist die im Jahr 2000 gegründete Ostafrikanische Gemeinschaft (East African Community, EAC). Neben den Gründungsstaaten Kenia, Tansania und Uganda gehören ihr mittlerweile auch Burundi, Ruanda und Südsudan an. Es existiert bereits ein gemeinsamer Markt; langfristig werden eine Währungsunion und die Gründung eines föderalen Staats angestrebt. „Unter welchen Voraussetzungen eine so weitreichende Integration gelingen kann, ist bisher allerdings unklar. Die politisch Verantwortlichen, die sich in der EAC oder in anderen Regionen Afrikas für den Aufbau transnationaler Strukturen einsetzen, können sich nur schrittweise vorantasten, bewährte Erfolgsrezepte gibt es nicht“, erklärt Johannes Döveling, der Leiter des Bayreuther Projekts. Daher werden Juristen, Ökonomen und Politikwissenschaftler aus Afrika und Europa in diesem Vorhaben eng zusammenarbeiten, um das Funktionieren grenzüberschreitender Kooperationen besser zu verstehen. Die Forschungsarbeiten sollen zeigen, wie soziale und wirtschaftliche Fortschritte in Afrika durch regionale Integration gefördert und nachhaltig gesichert werden können.
Von der Forschung zu Handlungsempfehlungen für die Politik
In den Mitgliedstaaten der EAC werden Vereinbarungen zur regionalen Zusammenarbeit und entsprechende öffentliche Absichtserklärungen nur unzureichend in die politische Praxis umgesetzt. Verfahren zur gemeinsamen Entscheidungsfindung, auf die sich nationale Regierungen geeinigt haben, werden zu selten angewendet, so die Kritiker der EAC. Das Bayreuther Forschungsprojekt will daher die Institutionen und Rechtsnormen afrikanischer Wirtschaftsgemeinschaften daraufhin untersuchen, ob sie diese Diskrepanz ungewollt fördern oder Anreize für eine intensivere Zusammenarbeit enthalten. Aus den Ergebnissen wollen die Forscher konkrete Handlungsempfehlungen für Politik und Gesetzgebung in afrikanischen Ländern gewinnen. Auch internationalen Partnern in der Entwicklungszusammenarbeit, die zunehmend mit afrikanischen Regionalorganisationen kooperieren, werden die Forschungsergebnisse zugutekommen.
Mit dieser Thematik ist die Frage verknüpft, wie die Institutionen und Gesetze einer Wirtschaftsgemeinschaft wie der EAC mit den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten zusammenwirken. „Nationale Regierungen schätzen die Verbindlichkeit von Entscheidungen, die von Institutionen der Gemeinschaft getroffen werden, häufig ganz anders ein als die Verantwortlichen in diesen Institutionen“, erklärt Johannes Döveling. Wirtschaftliche Integration kann nach Ansicht Dövelings nur gelingen, wenn die beteiligten Staaten ihre nationalen Rechtssysteme einander annähern. Im Rahmen des Projekts sollen daher ausgewählte Rechtsgebiete – beispielsweise das Steuerrecht, Handelsrecht oder Arbeitsrecht – systematisch unter dem Aspekt analysiert werden, wie eine Harmonisierung den Austausch von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital erleichtern kann.
Ein internationales Netzwerk von Wissenschaft und Praxis
Bayreuth verfügt über einen speziellen Vorteil für diese Forschung: Die Universität ist Mitbegründerin des Tansanisch-deutschen Fachzentrums für Rechtswissenschaft (Tanzanian-German Centre for Eastern African Legal Studies, TGCL), das zugleich das institutionelle Dach für das Forschungsvorhaben bildet. Das TGCL wird seit 2008 gemeinsam von der Universität Bayreuth und der Universität Dar es Salaam betrieben und ist mittlerweile ein in Ostafrika fest verwurzelter Think-Tank. Fragen regionaler Integration in Afrika bilden einen Schwerpunkt gemeinsamer Forschungsaktivitäten. Zudem bietet das Fachzentrum auf diesem Gebiet praxisbezogene Master- und Promotionsprogramme an. Daran nehmen Studierende aus allen sechs Mitgliedsstaaten der EAC teil. Das TGCL unterhält daher ein umfassendes Experten-Netzwerk in Ostafrika und pflegt einen intensiven Austausch mit Entscheidungsträgern aus Politik, Justiz und Verwaltung. Johannes Döveling ist sicher: „Das neue Forschungsvorhaben an der Universität Bayreuth wird von der weitreichenden Expertise dieses Think-Tanks außerordentlich profitieren können.“
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