Artikelserie: Energiewende ja – aber wie? 64. Zentrale oder dezentrale Stromversorgung?
Die Sonne liefert der Erde täglich so viel Energie, dass der Energiebedarf der gesamten Menschheit mehrfach gedeckt werden kann (s.a. Kapitel 32). Wir müssen nur lernen diese Energiequelle zu nutzen. Hierfür steht uns nicht nur die direkte Sonnenstrahlung als Energiequelle zur Verfügung. Wind, fließendes Wasser, Meeresströmungen, Bioenergie usw., dies alles sind durch die Sonnenenergie gespeiste sekundäre Energieformen, die wir nutzen können, und die, wie auch Erdwärme, alle bis zu einem gewissen Grad auch in der Fläche zur Verfügung stehen. Sowohl das notwendige Wissen als auch die Technik für deren Nutzung sind vorhanden und werden ständig weiter entwickelt. Es ist daher möglich, zumindest einen Großteil der benötigten elektrischen Energie dezentral dort zu erzeugen wo sie gebraucht wird. Dies entlastet vor allem die Übertragungsnetze, deren weiterer Ausbau ja auch im Brennpunkt der öffentlichen Kritik steht.
In der Wiederaufbauphase nach dem Krieg war es zwingend erforderlich, für die Stromversorgung möglichst die heimische Energiequelle Kohle zu nutzen, denn auf andere Energiequellen hatten wir keinen nennenswerten Zugriff.. Deutschlands Infrastruktur wie Schienennetz, Straßennetz, Stromnetz und die Häfen, war erheblich zerstört. Die, durch diese Umstände bedingte, anfangs dezentrale Stromversorgung, entwickelte sich rasch zu einer zentralen Stromversorgung, weil es einfacher und kostengünstiger war, die Energie in Form von Strom über Leitungen in die Fläche zu verteilen, als viele kleine lokale Kraftwerke mit Kohle zu versorgen. Dieses Konzept erforderte jedoch den Ausbau eines starken Übertragungsnetzes.
Mit den technischen Möglichkeiten der Energiewende – Nutzung der in der Fläche vorhandenen regenerativen Energiequellen – sind grundsätzlich beide Varianten – dezentral und zentral – realisierbar. Die Möglichkeit der dezentralen Stromversorgung mit PV-Anlagen lässt sich bis auf die Ebene von Einfamilienhäusern herunter brechen (Kapitel 58 bis 63). Die großen Windparks, vor allem Offshore, die, wie Großkraftwerke, wesentlich mehr Strom generieren als in der unmittelbar benachbarten Region benötigt wird, sind Beispiele für eine zentrale Stromversorgung. Der Aufbau und der Betrieb einer dezentralen Stromversorgung ist vor allem auch für die vielen regional tätigen kleinen Unternehmer und Handwerksbetriebe eine Chance. Das Konzept einer zentralen Stromversorgung – Energiewende von Oben – ist dagegen etwas für Großinvestoren, und kommt natürlich dem klassischen Geschäftsmodell der großen Energieversorger und Netzbetreiber entgegen, weshalb es von diesen bevorzugt wird.
Die Fragestellung heißt aber nicht: dezentral oder zentral? Die technischen Möglichkeiten der Stromerzeugung aus den verschiedenen erneuerbaren Quellen erlauben jede beliebige Mischform. Jede technische Lösung und jedes Konzept hat seine spezifischen Vor- und Nachteile. Die Aufgabenstellung lautet deshalb: Maximierung der Vorteile und Minimierung der Nachteile – durch geschickte Kombination der verschiedenen Komponenten. Die Lösung dieser Aufgabe ist in hohem Maße von den regionalen Gegebenheiten abhängig (s.a. Energiedörfer, Kapitel 37). Und die Stärke der dezentralen Stromerzeugung liegt genau darin, alle regional vorhandenen Ressourcen möglichst optimal zu nutzen. Es gibt daher keine Standardlösung bzw. keinen Königsweg, der für alle passt.
Diesen optimalen Kompromiss zu finden und in die Wege zu leiten erfordert entsprechende Initiativen auf regionaler bzw. kommunaler Ebene. Damit solche Überlegungen auch eine breite Akzeptanz finden, müssen die wesentlichen Vor- und Nachteile der einzelnen Komponenten und Konzepte, die für einen Kompromiss entscheidend sein können, bekannt sein. Die folgenden Kapitel sollen deshalb diese Eigenschaften einander vergleichend gegenüber stellen.
Dieter Lenzkes
Bürger-für-Bürger-Energie
www.bfb-energie.de
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