Asylbewerberunterkunft in Creußen: Vorbild in der Betreuung junger unbegleiteter Ausländer
Es ist keine Asylbewerberunterkunft wie jede andere, die der oberfränkische Bezirkstagspräsident Dr. Günther Denzler Ende Januar besuchte. Zusammen mit dem Bayreuther Landrat Hermann Hübner und Bürgermeister Martin Dannhäuser informierte sich Dr. Denzler in einer speziell für über 18jährige unbegleitete Ausländer eingerichtete Wohngruppe in Creußen (Landkreis Bayreuth).
Die Wohngruppe mit derzeit 16 jungen Männern aus Afghanistan, Äthiopien, Somalia, Guinea und Syrien wird ambulant von einer Pädagogin des Jean-Paul-Vereins versorgt. Dadurch ist gewährleistet, dass die jungen Erwachsenen nach ihrer Zeit in der stationären Jugendhilfe im Alltag betreut werden und passgenaue Hilfen erhalten. Eine solche flexible und passgenaue Lösung hatte Denzler in Interviews immer wieder gefordert. „Die Mehrzahl der Jugendlichen, die bei uns ankommen, ist nicht traumatisiert. Die wenigsten brauchen eine umfassende Therapie. Im Vordergrund stehen eher praktische Hilfen und Lösungen für den Alltag“, so der oberfränkische Bezirkstagspräsident. Denn immer noch würden auch über 18jährige unbegleitete Ausländer viel zu oft einfach in den teuren stationären Einrichtungen der Jugendhilfe verbleiben. Oder aber, sie werden ab dem 18. Geburtstag, der oftmals nur beliebig gewählt wird, in eine normale Gemeinschaftsunterkunft zurückgeführt. Das führe ebenfalls am Ziel vorbei. „Die Jugendlichen sind dann oft von heute auf morgen auf sich alleine gestellt. Hier sollten bereits erreichte Erfolge nicht aufs Spiel gesetzt werden“, erläutert Dr. Günther Denzler bei seinem Besuch in Creußen.
Angetan zeigte er sich von einer Lösung, die im Landkreis Bayreuth bereits Schule macht. Die unbegleiteten Ausländer werden nach ihrem stationären Aufenthalt ab dem 18. Lebensjahr in der Wohngemeinschaft untergebracht und betreut. Mit Christina Will steht den 16 jungen Männern am Nachmittag eine ausgebildete Pädagogin mit Rat und Tat zur Seite. Etwa wenn es um die Beantwortung offizieller Post oder die Beantragung von Leistungen geht. Aber Christina Will hilft den jungen Flüchtlingen auch, wenn es private Probleme gibt, bei den Hausaufgaben Fragen auftauchen oder die Freizeitgestaltung besprochen wird. „Die Jungs haben Vertrauen zu mir. Und das ist in unserer Arbeit von enormer Bedeutung“, sagt die junge Pädagogin. Die jungen Erwachsenen gehen in Bayreuth und Pegnitz in speziell in den Berufsschulen eingerichtete Flüchtlingsklassen. Kamran Delsoz aus Afghanistan hat bereits den Sprung in die neunte Klasse der Mittelschule geschafft, wie er stolz erzählt. Ali Reza Moradi, der ebenfalls aus Afghanistan stammt, hat wegen seiner künstlerischen Begabung gar ein Stipendium des Kunstmuseums der Stadt Bayreuth erhalten und bereitet derzeit seine erste Ausstellung vor. Nach ihrer Schullaufbahn möchten sie Erzieher, Friseur oder Schreiner werden. Ihren Lebensunterhalt müssen sie alleine bestreiten, dafür bekommen sie die regulären Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz durch die Stadtverwaltung in Creußen ausbezahlt. Von dem Geld kaufen die jungen Erwachsenen ihr Essen ein, kochen dann oft zusammen in der Unterkunft. „Am Anfang hatten wir die Befürchtung, dass das Geld schnell aufgebraucht sein würde. Aber die Jungs haben das im Griff und haushalten gut mit ihren Mitteln“, erklärt Georg Schmelzer vom zuständigen Jugendamt, das zusammen mit der Regierung von Oberfranken die Zuweisungen für die Einrichtung regelt. Der Freistaat Bayern hat das zweistöckige Mehrfamilienhaus langfristig angemietet.
„Die Einrichtung hat sich bewährt. Sie ist kein Sparmodell, wir bieten passgenaue Hilfen jenseits der klassischen Jugendhilfe an“, erklärt Landrat Hermann Hübner und dankt der Stadt Creußen für das gute Miteinander. Sollte ein Jugendlicher doch traumatisiert oder eine spezielle Betreuung erforderlich sein, könnten schnell weitergehende Schritte angewiesen werden. Lösungen, die Bezirkstagspräsident Dr. Günther Denzler nachhaltig unterstützt. „Eine umfassende Ausbildung und die Eingliederung in den Arbeitsmarkt sind wichtige Voraussetzungen für eine gelungene Integration. Die Jugendlichen brauchen eine Tagesstruktur und eine Perspektive, um nicht von der Bahn abzukommen. Dies alles ist in diesem Modell vorbildlich umgesetzt“, ist Bezirkstagspräsident Dr. Günther Denzler überzeugt. Und spricht damit Regina Skierlo, Bereichsleitung Ambulante Dienste beim Jean-Paul-Verein, aus der Seele. „Die Zukunft der Jugendlichen ist das Wichtigste in unserer Arbeit. Die Idee dieses Hauses beruht darauf, dass die Jugendlichen eine strukturierende Beschäftigung haben. Ohne eine Tagesstruktur würde ihnen sicher bald die Decke auf den Kopf fallen und mit einer Fachkraft wäre es dann nicht mehr getan“, bangt Diplom-Pädagogin Skierlo, dass ihre jungen afghanischen Schützlinge nach Beendigung der ersten Flüchtlingsklasse bald nicht mehr zur Schule gehen dürfen und auf ihre Abschiebung warten müssen.
INFO:
Die Kosten der Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern nach ihrem 18. Geburtstag tragen in Bayern die Bezirke. Nach einer Übereinkunft mit der Bayerischen Staatsregierung sollen die Bezirke in 2017 eine Tagespauschale von 40 Euro pro jungem Erwachsenen erhalten. Diese Tagespauschale deckt die Kosten für eine stationäre Unterbringung nach Berechnungen des Bezirks Oberfranken nur zu rund einem Drittel. Im Jahr 2018 soll die Tagespauschale auf nur mehr 30 Euro abgesenkt werden.
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