Leserbrief: „nur ein Anfang“

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(zu „Anliegen der Radfahrer erfolgreich“ – Wiesentbote vom 28. November)

Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Erfolg des ADFC Forchheim (http://www.wiesentbote.de/2016/11/28/adfc-forchheim-anliegen-der-radfahrer-erfolgreich-vermittelt/) ist durchaus anzuerkennen. Denn die Vielzahl der Radverkehrswege, straßenbegleitend oder nicht, deren seitliche Begrenzungen bei Dunkelheit kaum zu erahnen, geschweige zu erkennen sind, stellen eine dauerhafte Gefahrenquelle dar. Nicht zuletzt belegen sie, daß die verantwortlichen Behörden das Fahrrad nach wie vor nicht als Verkehrsmittel akzeptieren. Vielmehr sehen sie in ihm lediglich Freizeitgefährt und Sportvehikel.

Die weißen Randmarkierungen können aber nur ein Anfang sein. Das asymmetrische Abblendlicht der entgegenkommenden Kraftfahrzeuge erfordert bei linksseitiger Radverkehrsführung zwingend einen baulichen Schutz, so daß Radfahrer nicht zu „Blindflügen“ gezwungen sind. So verlangt das „Radverkehrsbuch Radlland Bayern“, herausgegeben von der Obersten Baubehörde des Innenministeriums, ausdrücklich, „dass die Beeinträchtigungen … (Blendung, …) sich auf ein Minimum reduzieren“. Entsprechende Vorrichtungen müssen „Schutz vor Blendungen durch entgegenkommende Kraftfahrzeuge bieten“ (ebd.).

Auch dem Leiter des Tiefbauamtes im Landkreis Forchheim, Herrn Dieter Els, sei ein Blick in die Publikation seiner vorgesetzten Behörde nahegelegt. „Weiße Leitmarkierungen bieten gerade bei Dunkelheit eine Verdeutlichung der Verkehrsführung“, ist im Kapitel „Radverkehrsanlagen außerorts“ zu lesen. Woher nimmt ein untergeordneter Beamter die Dreistigkeit, für die Befolgung dieser Vorgabe „keine Notwendigkeit“ zu sehen?

Natürlich hat er grundsätzlich recht, wenn er gemäß Straßenverkehrs-Ordnung Anpassung an die Verhältnisse erwartet. Nur zieht er die falschen Schlüsse. Denn die zuständigen Behörden sind, u. a. auf Grund der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO), verpflichtet, die Wege in verkehrssicherem Zustand zu halten. Ist ein Radweg nicht sicher benutzbar, haben Radfahrer nicht etwa abzusteigen oder zu schieben, gar zu Hause zu bleiben. Vielmehr gilt dann unmittelbar § 2, Abs. 1, der StVO: „Fahrzeuge müssen die Fahrbahn benutzen, von zwei Fahrbahnen die rechte.“ Denn nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz sind Verwaltungsakte – hier: Anordnung der Radwegbenutzungspflicht – nichtig, wenn ihre Befolgung nicht möglich ist. Zwangsläufig drängt sich die Frage auf, ob jemand, der grundlegende Rechtsvorschriften nicht kennt, mit der Leitung einer Behörde, die Verantwortung für Menschenleben trägt, betraut sein darf.

Überdies hat der Verordnungsgeber längst erkannt, daß getrennte Radverkehrsanlagen mitnichten zwangsläufig die Verkehrssicherheit erhöhen, eher das Gegenteil bewirken (Aufhebung der allgemeinen Benutzungspflicht im Jahre 1997, besondere Anforderungen an die Anordnung im Einzelfall), linksseitig geführte Radwege gar besonders gefahrenträchtig sind. Bau- und Ausführungsmängel vervielfachen die Risiken. Selbst die seit 2013 erleichterte Einrichtung sogenannter „Schutzstreifen“ und die mit der nächsten StVO-Novelle beabsichtigte grundsätzliche Zulässigkeit benutzungspflichtiger Radwege außer- und Radfahrstreifen innerorts dienen explizit nicht der Verkehrssicherheit. Statt dessen werden sie unter den Ausnahmetatbeständen der Verkehrsbeschränkungen gelistet, die ohne den Nachweis einer Gefahrenlage erlaubt sind.

Mit den aktuellen Änderungen gestehen Bundesverkehrsminister und Bundesrat ein, was seit jeher Beweggrund nahezu aller Verkehrsbehörden war, bei Einführung der Radwegbenutzungspflicht vor rund acht Jahrzehnten noch offen zugegeben wurde: Die zwangsweise (!) Verdrängung der Radfahrer von der Fahrbahn dient eben nicht der Verkehrssicherheit. Sie soll Autoverkehr beschleunigen und Kraftfahrzeuglenkern Aufmerksamkeitspflichten ersparen. Resultierende Unfälle, tote und verletzte Radfahrer nehmen die Verantwortlichen sehenden Auges in Kauf. Die in der StVO verankerten Pflichten, den Verkehrsverhältnissen angepaßt zu fahren und auf Radfahrer, aber auch Fußgänger Rücksicht zu nehmen, wollen sie Autofahrern nicht „zumuten“.

Das Bewußtsein für eine zukunftsfähige Mobilität ist bei Behörden und Politik weitgehend noch nicht vorhanden.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig