Leserbrief: BArrierefrei – Vorschlag: Stadt Bamberg

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Sehr geehrte Damen und Herren!

Für die Vergabe des BArrierefrei-Preises der Stadt Bamberg schlage ich die Stadt selbst vor.

Begründung:

Zwar nicht physisch, aber dem Anschein nach beseitigt die Stadt Bamberg Barrieren, die dem ungehinderten Vorankommen mit dem motorisierten Kraftfahrzeug entgegenstehen – mit großem Erfolg. Unter der Verantwortung des Oberbürgermeisters und mit Zustimmung der politischen Gremien sorgen die für Verkehrsplanung und -gestaltung zuständigen Behörden für vermeintliche und in der Realität dann auch wahrgenommene freie Fahrt. Die hierdurch verursachte hohe Gefährdung für Radfahrerinnen und -fahrer nehmen sie zu Gunsten des hehren Ziels billigend in Kauf, zeigen Risikobereitschaft, wenngleich nicht sie die Risiken tragen.

Laut Straßenverkehrs-Ordnung (§5-4) muß „beim Überholen … ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern, insbesondere zu den zu Fuß Gehenden und zu den Rad Fahrenden, eingehalten werden“. Die Rechtsprechung hat, dies konkretisierend, Kraftfahrern situationsabhängig einen Mindestseitenabstand von 1,5 bis 2 m zu Radfahrern vorgegeben. Die Logik gebietet, daß diese Vorgabe auch dann gültig ist, wenn das Fahrrad auf eigens abmarkierten bzw. -getrennten Straßenteilen unterwegs ist. Denn sowohl Luftwirbel und Seitenwindeffekte als auch durch zu dichtes Passieren bewirkte Schreckmomente und -reaktionen werden weder durch Markierungslinien noch durch Bordsteinkanten verhindert.

Überdies sind Radler angehalten, selbst einen Abstand von 0,8 bis 1 m zum Fahrbahnrand bzw. bis 1,5 m zu haltenden und parkenden Kraftfahrzeugen einzuhalten. Dies schützt Fußgänger am Gehsteigrand, verhindert Unfälle durch unachtsam geöffnete Autotüren, berücksichtigt die Häufung von Oberflächenschäden und Verunreinigungen am Fahrbahnrand und verschafft den Pedalisten einen Ausweich- bzw. Fluchtraum, passiert ein vorbeifahrendes Kraftfahrzeug doch zu dicht.

Dieser fachlich wie rechtlich gebotene Raumbedarf der Radfahrer von rund 3,5 bis 4 m (einschließlich der Eigenbreite) stellt naturgemäß eine lästige Barriere für den Kraftverkehr dar. Die Stadt Bamberg indes hat eine Lösung für dieses Problem entwickelt:

Knapp dimensionierte Fahrspuren, teils als mit Fahrradpiktogrammen markierte Seitenstreifen (Beispiel: Löwenbrücke), teils als Radfahrstreifen (Hallstadter Straße, Lichtenheidestraße, Luitpoldstraße), teils als sogenannte Schutzstreifen (Kunigundendamm, Umfeld der Bushaltestellen „Luitpoldstraße“) ausgeführt, wecken in unbedarften Radfahrern die Illusion eines eigenen, (allerdings trügerisch) sicheren Fahrbereichs. Tatsächlich werden sie dichter an den Fahrbahnrand gedrängt, als es ihrer Sicherheit gut tut. Daß – mangels Benutzungspflicht – weder Seiten- noch Schutzstreifen sie rechtlich dazu verpflichten, wissen sie oft nicht – wie auch viele Kraftfahrer, die es häufig nötigend erzwingen. Zugleich sehen letztere vielfach keine Veranlassung, angesichts der trennenden Markierungslinie den notwendigen Seitenabstand einzuhalten.

Die Markierung unzureichender Fahrspuren für den Radverkehr erweckt somit den Eindruck ausreichender Überholmöglichkeiten auch bei beengten Verhältnissen. Sogar Berufskraftfahrer, die es besser wissen sollten (Linien- und Reisebusse, Taxen, Firmenfahrzeuge aller Art, Stadtwerke, städtischer Baubetrieb und andere), nutzen die Gelegenheiten allzu gern. Wie viele Stürze mit dem Rad, die laut polizeilicher Pressemeldungen „ohne Fremdverschulden“ passiert sind, beruhen wohl auf zu geringem Seitenabstand beim Überholen? Die „freie Fahrt für freie Bürger“ aber muß uns diese „Kollateralschäden“ wert sein – oder?

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig