Bewahrung artenreicher Lebensräume in Neunkirchen am Brand
„bundesweit seltene Helle Wiesenknopfameisenbläulinge“
Es fand ein Abstimmungsgespräch beim Markt Neunkirchen am Brand zur Suche nach einer Ausgleichsfläche im September 2016 statt. Ausschau gehalten wurde nach einer mageren, wechselfeuchten Mähwiese. Beteiligt waren seitens des Marktes Neunkirchen der 1. Bürgermeister Heinz Richter, dessen Bauamtsleiter Jochen Cervik und Marktkämmerer Arne Schell. Ferner nahmen Teil Michael Bokämper vom Planungsbüro Institut für Vegetationskunde und Landschaftspflege (IVL) sowie Dr. Ulrich Buchholz und Bernhard Birnfeld vom BUND Naturschutz in Bayern (BN).
Die Qualität des für die europaweit geschützten Tagfalter Wiesenknopfameisenbläulinge (WKAB) geeigneten Ersatzlebensraums ist floristisch als Lebensraumtyp (LT) 6510, Flachland-Mähwiese, beschrieben. Die Wiese muss im Neunkirchner Südosten liegen und ein deutliches Vorkommen des Großen Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) aufweisen.
Ein solcher Lebensraum wird vom Markt gesucht, um ein Vorkommen der bundesweit seltenen Hellen Wiesenknopfameisenbläulinge (und auch der ebenfalls seltenen Dunklen WKAB) aufzunehmen, welches sich momentan auf einem potenziellen Baugebiet im Süden Neunkirchens befindet. Der BN unterstrich nochmals sein Angebot, den Markt in der Angelegenheit zu unterstützen. Er übergab eine Karte, wo sich nach eigenen Begehungen evtl. derartige Wiesen befinden könnten.
Ob sich diese Stellen tatsächlich eignen, muss noch eine Untersuchung auf das Vorkommen spezieller Roter Ameisen ergeben, die den Raupen des Schmetterlings in ihrem Nest Bleibe ab Herbst bis Sommer des Folgejahres gewähren. Als „Starthilfe“, damit die Ausgleichsfläche tatsächlich von den seltenen Schmetterlingen als Ersatzlebensraum angenommen wird, sind Umsiedlungen der ausschwärmenden Schmetterlinge in den letzten Juliwochen nötig. Die Weibchen des Falters werden hierzu von der Baugebietsfläche gefangen. Zum Ersatzlebensraum überbracht, können sie ihre befruchteten Eier in die Blüten des Großen Wiesenknopfs ablegen, so dass sich hier eine neue Population aufbauen kann. Ist im Folgejahr eine Überprüfung erfolgreich, kann danach der Ursprungslebensraum für andere Verwendungen verfügbar gemacht werden.
Die Umsiedlung kann nur auf Antrag gemäß besonderem Öffentlichem Interesse durch die Regierung von Oberfranken, Höhere Naturschutzbehörde, in einem rechtlich vorgeschriebenen Verfahren per Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Zuvor muss von einem Gutachter gestützt das Vorhandensein der Ersatzfläche dargelegt und ein positiver Umsiedlungserfolg als wahrscheinlich angegeben werden können. Auch sollte vom Markt langfristige Pacht, besser eigener Besitz gemeldet sein.
Flachland-Mähwiesen dieser Art sind in unserer modernen Welt eher selten geworden. Einerseits gab es Äcker und Grünland schon immer, aber in unserer heutigen Zeit hat sich das Verhältnis hin zu intensiv genutzter Bewirtschaftung – also weg vom Grünland – deutlich verschoben. Andererseits wächst die Bebauung mit Siedlungs- und Straßenflächen stetig weiter ins Land. So ist es nicht verwunderlich immer seltener Lebensräume, wie das Grünland, der mageren wechselfeuchten Mähwiesen, anzutreffen, die durch einfachste, althergebrachte Bewirtschaftung geprägt sind. Nicht von ungefähr wurden Tiere und Pflanzen, die nur auf solchen Flächen leben können, durch die Naturschutzgesetze schon vor Jahrzehnten unter besonderen Schutz gestellt.
Tierarten, die das Vorhandensein dieses schwindenden Lebensraumes anzeigen, sind die Hellen und Dunklen Wiesenknopfameisenbläulinge. Diese Schmetterlinge haben eine spezielle Fortpflanzungsbiologie, und sind daher Zeiger für besonders naturnahe Wiesen, die stets besonders artenreich und bunt blühend sind – und genau diesen Reichtum gilt es zu bewahren. In den zwei bis drei Wochen Ihrer Sommer-Lebensphase als Tagfalter sind die Blüten des Großen Wiesenknopfs begehrtes Ei-Ablageobjekt, worin die Maden schlüpfen, sich satt fressen, um anschließend zu Boden zu fallen. Von den erwähnten Wirtsameisen werden nur diese nach Honig duftenden Raupen mit in den Bau genommen, gefüttert und über die Winter- bis zur nächsten Sommerzeit gepflegt – alle anderen dienen als Nahrung. Kurz vor der Metamorphose zum Schmetterling, wenn sie die Honigduftdrüse verloren haben, müssen die Raupen aus dem Ameisenbau fliehen, um nicht gefressen zu werden und erreichen so Pflanzenstängel an denen sie zum Flugtier mutieren – der Jahreskreislauf ist geschlossen.
Michael Bokämper empfahl dem Markt abschließend weitere derartige Flächen ins Ökokonto aufzunehmen und zu erwerben, um für künftigen Bedarf Ersatzflächen verfügbar zu haben. Da für jede neue Bebauung Ersatzflächen nachgewiesen werden müssen.
Der Markt wird nun zusammen mit dem Planungsbüro IVL die vom BN genannten Flächen auf Eignung prüfen. Allen Beteiligten war bewusst, dass die Suche noch einige Zeit andauern kann, Sie waren aber guten Mutes alsbald eine möglichst tragende Lösung finden und der Bevölkerung darlegen zu können.
Neueste Kommentare