Neuartiger Flammschutz für Kunststoffe: Innovationspreis für Bayreuther Polymerwissenschaftlerin
Sie sind leicht und klein und haben einzigartige mechanische Eigenschaften: Immer öfter kommen Schaumstoffkugeln aus expandiertem Propylen (EPP) in Autos, Flugzeugen und anderen Verkehrsmitteln zum Einsatz. Denn obwohl sie infolge ihrer geringen Materialdichte nur wenig wiegen, zeichnen sie sich zugleich durch eine hohe Energieabsorption aus. Selbst bei hohen Kompressionsdrücken behalten sie ihre Form. In ihrer Masterarbeit im Studiengang ‚Polymer Science‘ hat die Bayreuther Polymerwissenschaftlerin Christin Pawelski nun einen ebenso umweltfreundlichen wie kostengünstigen Flammschutz für solche Schaum-Kunststoffe aus EPP entwickelt. Für diesen innovativen Beitrag zur Material- und Verfahrensentwicklung ist sie mit dem Innovationspreis Neue Materialien 2016 ausgezeichnet worden.
Die Fördervereinigung Neue Materialien Bayreuth hat diesen Preis 2015 ins Leben gerufen und würdigt damit alljährlich die Leistungen junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die auf den Gebieten der Materialentwicklung und Verfahrensoptimierung besonders kreative Lösungen erarbeitet haben. Die Auszeichnung wendet sich an den wissenschaftlichen Nachwuchs aus dem gesamten Bundesgebiet.
Effizient und umweltfreundlich: Ein neuartiger Flammschutz für Kunststoffe
Das von Christin Pawelski entwickelte und im Labor erfolgreich getestete Flammschutz ist eine attraktive Antwort auf eine Herausforderung, die sich seit rund einem Jahr infolge der EU-Gesetzgebung deutlich verschärft hat. Denn seit August 2015 dürfen in der industriellen Produktion nur noch solche Materialien für den Flammschutz verwendet werden, die nachweislich umweltfreundlich, ungiftig und effizient sind. Damit entfallen die meisten der halogenhaltigen Substanzen, die früher für den Flammschutz von Kunststoffen häufig verwendet wurden. Denn diese können die Umwelt schädigen und beeinträchtigen überdies die gewünschten Eigenschaften der Kunststoffe. Zudem verursachen sie, sobald sie in großen Mengen für die industrielle Produktion eingesetzt werden, hohe Kosten.
Die Flammschutz-Mittel, die von der Bayreuther Preisträgerin entwickelt worden sind, enthalten dagegen kein Halogen, sondern basieren auf Schicht-Silikaten und Phosphorverbindungen. Sie sind ungiftig, eignen sich hervorragend für Beschichtungen und verbessern die Flammschutz-Eigenschaften im Vergleich mit den bisher verwendeten Flammschutz-Mitteln; zugleich wirken sie der Rauchentwicklung entgegen. Darüber hinaus haben sie keine negativen Auswirkungen auf die mechanischen Eigenschaften, welche die Kunststoffe für zahlreiche Anwendungen im Leichtbau attraktiv machen.
Attraktive Anwendungen in der mittelständischen Wirtschaft
Die Masterarbeit von Christin Pawelski ist aus Forschungsarbeiten hervorgegangen, die sie größtenteils in Laboratorien der Neue Materialien Bayreuth (NMB) – in unmittelbarer Nähe zum Campus – durchgeführt hat. Prof. Dr.-Ing. Volker Altstädt, Inhaber des Lehrstuhls für Polymere Werkstoffe an der Universität Bayreuth und Geschäftsführer der NMB, hat die Arbeit betreut. Er würdigt den „ganzheitlichen Ansatz“ der Forschungsarbeit, der es bei der Entwicklung eines effizienten und umweltfreundlichen Flammschutzes zugleich gelungen sei, „die Verarbeitbarkeit des Materials in den etablierten Prozessen der Kunststoffindustrie zu berücksichtigen.“ Gerade für mittelständische Betriebe – beispielsweise im Automobil- oder im Flugzeugbau – eröffnen sich daher neue Perspektiven für den Einsatz von polymeren Werkstoffen, die schwer entflammbar, kostengünstig und umweltfreundlich sind.
Neues Forschungsziel: Materialien für die nächste Generation elektronischer Leiterplatten
Mittlerweile hat sich die ausgezeichnete Polymerwissenschaftlerin einem neuen Forschungsthema zugewandt. Für ihre Dissertation befasst sie sich mit Kunststoffen für eine neue Generation elektronischer Leiterplatten. „Polymere Werkstoffe haben auch in diesem Bereich ein hohes Potenzial, wie frühere Forschungsarbeiten in Bayreuth bereits gezeigt haben. Es freut mich sehr, an der Entwicklung neuer Leiterplatten mitarbeiten zu können, die einem Langzeit-Gebrauch bei hohen Temperaturen standhalten können und eine höhere Wärmeleitfähigkeit als derzeit übliche Leiterplatten aufweisen“, erklärt Christin Pawelski. „Unter diesen Voraussetzungen wird sich die nächste Leiterplatten-Generation insbesondere auch für E-Mobility-Anwendungen eignen.“
Zur Person:
Christin Pawelski wurde 1987 in Bad Frankenhausen geboren. Nach dem Abitur 2007 am Gymnasium Alexandrinum in Coburg absolvierte sie zunächst eine Ausbildung zur Chemielaborantin bei Procter & Gamble in Schwalbach/Taunus und anschließend von 2010 bis 2013 den Bachelor-Studiengang ‚Angewandte Chemie‘ mit dem Schwerpunkt ‚Polymere‘ an der Hochschule Reutlingen. 2013 wechselte sie an die Universität Bayreuth, wo sie im September 2015 den Master-Studiengang ‚Polymer Science‘ erfolgreich abschloss. Heute ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Polymere Werkstoffe und als Doktorandin Mitglied der University of Bayreuth Graduate School.
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