Vollversammlung der HWK: Bericht des Präsidenten
Präsident Thomas Zimmer:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in kaum einem europäischen Land ist die wirtschaftliche Lage besser als bei uns in Deutschland. Auch das Handwerk blickt auf eine sehr gute Konjunktur.
Das Handwerk in Oberfranken ist mit viel Schwung ins neue Jahr gestartet. Die Kombination aus niedrigem Ölpreis, günstigen Krediten und steigender Beschäftigung beflügelt die Kauflust der Verbraucher und beschert dem Handwerk Rückenwind.
Der zum Jahresstart sonst übliche saisonale Einbruch fiel praktisch aus. Im I. Quartal 2016 bewerten 88 % der Betriebsinhaber ihre Geschäftslage als gut oder befriedigend. Dies ist die beste Bewertung eines I. Quartals seit 24 Jahren und übertrifft damit den Spitzenwert aus dem Jahr 2014. Dementsprechend ist auch der Auslastungsgrad unserer Handwerksfirmen für die Jahreszeit hoch und liegt bei 72 %. Ebenso optimistisch sind die Erwartungen für das kommende Quartal: 92,5 % schätzen auch die künftige Geschäftslage als gut oder befriedigend ein.
Auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist angesichts der guten konjunkturellen Lage weiterhin stabil. In den kommenden Monaten planen 18,5 % der Inhaber neue Mitarbeiter einzustellen. Die Nachfrage nach Fachkräften ist im Handwerk damit weiterhin hoch. Nicht alle Betriebe werden aber vermutlich ihre offenen Stellen besetzen können.
In allen Handwerkszweigen hat sich die Geschäftslage im Vorjahresvergleich verbessert. Auch sonst präsentiert sich die Handwerkskonjunktur robuster denn je. Und dank niedriger Zinsen, geringer Inflation und Jobsicherheit dürfte die regionale Wirtschaft auch in diesem Jahr weiter wachsen. Insgesamt erwarten wir dieses Jahr ein leichtes Umsatzwachstum von bis zu 2 %. Bei der Beschäftigung rechnen wir mit einer stabilen Entwicklung bei uns im Handwerk.
Dabei können wir in Deutschland aktuell auf sprudelnde Steuereinnahmen setzen und von den historisch niedrigen Zinsen profitiert natürlich auch der Bundeshaushalt.
Das wirkt zunächst wie eine Bestätigung der aktuellen Wirtschaftspolitik. Aber eines muss uns bewusst sein: Die Konjunktur ist getrieben vom Geld der Bürger, die so viel konsumieren wie seit Jahren nicht mehr. Die Konjunktur ist nicht von einem staatlichen Investitionsprogramm oder einer zukunftsgerichteten Wirtschaftspolitik angetrieben. Und wir alle wissen auch, dass vor uns große Herausforderungen liegen – nennen möchte ich z. B. den Zustrom von Flüchtlingen und deren Integration in den Arbeitsmarkt!
Damit die aktuelle positive Entwicklung beibehalten werden kann, sind aber auch heute wichtige wirtschafts- und rechtspolitische Weichenstellungen notwendig, die in der Zukunft greifen. Das Motto muss lauten: Statt Altes bewahren – Neues wagen!
- Investitionen in moderne ökologische Technologien.
- Die schon oft beschlossenen Milliarden Euro in Klimaschutz investieren.
- Bildung und Forschung zu forcieren.
- Keine Kehrtwende hin zu einer steuerfinanzierten Rentenpolitik.
- Die Erbschaftsteuer so gestalten, dass Betriebsübergaben nicht belastet oder gar verhindert werden.
Das werden nur einige der Maßnahmen und Investitionen sein, die darüber bestimmen, wohin sich unser Land, unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft entwickelt. Als Fazit bleibt: Die Bundesregierung muss mehr für eine wirtschaftliche Dynamik tun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das Thema Erbschaftsteuer habe ich eben genannt. Leider ist es bis heute nicht gelungen, die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Anpassung des Erbschaftsteuergesetzes abzuschließen. Die auf dem Tisch liegenden Einigungsvorschläge sind aus Sicht des Handwerks eine gute Basis, um eine verfassungsfeste und für die Wirtschaft noch tragfähige Lösung zu finden.
Das Handwerk hat gerade für kleine Unternehmen gute Fortschritte erreicht. Auch wenn – und dies muss ebenso deutlich gesagt werden – wir noch nicht ganz zufrieden sind. Für uns ist die Grenze, ab wann der Nachweis des Arbeitsplatzerhalts geführt werden muss, ein wichtiger Punkt. Dies ist von großer Bedeutung, da in den nächsten Jahren viele Handwerksbetriebe zur Übergabe anstehen. Gut die Hälfte dieser Übergaben erfolgt innerhalb der Familie. Unsere wichtigsten Forderungen sind deshalb weiterhin die Anhebung der Nichtaufgriffsgrenze für die Einhaltung der Lohnsummenregelung von drei auf mindestens fünf Beschäftigte und die Berechnung der Mitarbeiterzahl nach Vollzeitäquivalenten und nicht nach Köpfen. Hier geht es auch um die Vermeidung von Bürokratie.
Im Interesse der Rechtssicherheit der Unternehmen appellieren wir, zügig eine Einigung zu erreichen. Ein Verstreichenlassen der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist wäre ein fatales Signal an die Unternehmen und die Bürger. Jetzt gilt es, den eingeschlagenen richtigen Weg zu Ende zu gehen und die vom Gericht ausdrücklich anerkannte Verschonung von Betriebsvermögen verfassungsfest umzusetzen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ganz Europa und auch das Handwerk bewegt das Thema „Flüchtlinge“. Wir brauchen hierzu Lösungen, und wir, das Handwerk, bringen uns gerne konstruktiv mit ein. Der absolute Schwerpunkt liegt dabei für uns in der Vermittlung der Flüchtlinge in Ausbildung und Arbeit. Nur dann kann eine langfristige Integration derjenigen mit einer hohen Bleibeperspektive überhaupt gelingen.
Zur Integration von Flüchtlingen mit hoher Bleibeperspektive, benötigen wir eine frühzeitige Sprachförderung und Berufsorientierung. Genauso wichtig ist aber auf der anderen Seite die Unterstützung und Begleitung der ausbildenden Betriebe sowie der Flüchtlinge während der Ausbildung.
Nachdem wir in Oberfranken Vorreiter mit unseren Flüchtlingsvereinbarungen in Sachen „sicherer Aufenthaltsstatus während einer Ausbildung“ waren, will die Bundesregierung nun auch gesetzgeberisch die Rechtssicherheit erhöhen und die Verfahren vereinfachen. Damit wird unsere zentrale Forderung endlich aufgegriffen.
Das Handwerk stellt aber nicht nur Forderungen an die Politik, wir packen auch selber mit an. Seit kurzem haben wir bei der Handwerkskammer zwei weitere Mitarbeiter, die sich auf der einen Seite um jugendliche Flüchtlinge kümmern, die im Rahmen eines Praktikums oder einer Ausbildung den Weg in das Handwerk gehen wollen. Auf der anderen Seite sind Herr Ott und Herr Ohlraun neben unserem Herrn Pfadenhauer auch Ansprechpartner für unsere Betriebe rund um das Thema Beschäftigung von Flüchtlingen im eigenen Betrieb.
Wir sehen für die Integration von jugendlichen Asylbewerbern in die berufliche Ausbildung noch erhebliches Verbesserungspotenzial:
1. Intensivierung der Vermittlung in Berufspraktika im Rahmen der Berufsintegrationsklassen
Das bayernweite Konzept der Berufsintegrationsklassen für jugendliche Asylbewerber an Berufsschulen ist bundesweit einmalig und ein wichtiges Erfolgsmodell für die Integration in Arbeit und Ausbildung. Im Rahmen der Ergänzung des Unterrichts an den Berufsschulen gibt es aber noch Verbesserungspotenziale. Insbesondere gilt es der Vermittlung in Berufspraktika mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Notwendig ist vor allem eine passgenaue Vermittlung in Praktika und die Betreuung während der Praktika. Aus unseren bisherigen Erfahrungen wissen wir, dass es gerade bei den jungen Asylbewerbern notwendig ist, dass man diese nicht wahllos in Praktikumsbetriebe „verteilt“, sondern individuell nach Lösungen sucht. Neben den Sprachkenntnissen ist besonders auch das Verständnis für die Anforderungen der Arbeitswelt in Deutschland und der beruflichen Ausbildung in den Mittelpunkt der Betreuung zu rücken.
2. Kontinuität der Betreuung vor und während der beruflichen Orientierung und der Ausbildung
Unser Modellprojekt in der Region Bamberg zur Integration von jugendlichen Asylbewerbern in eine berufliche Ausbildung, das von Herrn Pfadenhauer betreut wird, zeichnet sich vor allem durch Kontinuität der Betreuung vor und während der beruflichen Orientierung und der Ausbildung aus. Diese Kontinuität der Betreuung ist letztendlich der Erfolgsfaktor für die bislang geringe Abbruchquote von Ausbildungsverhältnissen. Nur bei einem Betreuungsschlüssel von 1:20 (ein Betreuer für bis zu 20 Azubis) ist gewährleistet, dass sowohl die Azubis als auch die Betriebe hinreichend betreut werden können.
3. Überwindung von Schnittstellen/Strukturbrüchen bei Übergang von Jugendhilfe in berufliche Ausbildung
Unbegleiteten jugendlichen Flüchtlingen werden im Rahmen der Jugendhilfe Betreuungsleistungen gewährt. So erhalten diese beispielsweise analog der Betreuung von Vollwaisen durch einen Vormund bei Bedarf ausreichenden Wohnraum, begleitet mit sozialpädagogischer Betreuung, Taschengeld, Sprachkurse sowie Sicherung der Verpflegung. An der Schnittstelle zur beruflichen Ausbildung fallen nicht selten aufgrund von Volljährigkeit bzw. des erforderlichen Ausscheidens aus der Jugendhilfe diese Unterstützungsleistungen weg. Der jugendliche Asylbewerber ist infolgedessen gefordert, seinen Lebensunterhalt incl. Sicherung seiner Wohnung selbst zu bestreiten. Bei Eintritt in eine berufliche Ausbildung und der damit gewährten Ausbildungsvergütung ergibt sich hierbei nicht selten ein kräftiger finanzieller Einschnitt. Weitere individuelle Fördermöglichkeiten bestehen zwar, einen Überblick hierüber zu gewinnen, ist insbesondere für die jugendlichen Asylbewerber äußerst schwierig. Diese Folgewirkungen behindern den Übergang in eine geregelte berufliche Ausbildung und entwickeln eher Abschreckungs- statt Anreizeffekte.
4. Wohngruppen für Azubis
Als wichtiger Erfolgsfaktor für eine langfristige berufliche Ausbildung für jugendliche Asylbewerber stellt sich mehr und mehr eine geordnete Wohnsituation für Azubis heraus. Es ist wichtig, dass sich diese Azubis auch außerhalb ihrer Ausbildungs- und Arbeitszeit auf ihre berufliche Ausbildung (z. B. durch Lernen) konzentrieren können. Bei Unterbringung in gemischten Gruppen, also mit Asylbewerbern, die sich nicht in Ausbildung befinden, werden die Azubis in ihrer Freizeit gestört und vom Wesentlichen abgelenkt. Wir sehen in lokalen Azubi-Wohngruppen für Asylbewerber eine Lösung zu diesem Problem. Dies erhöht den Erfolg der Integration in berufliche Ausbildung maßgeblich und verhindert auch Ausbildungsabbrüche. Deshalb werden wir diesen Themenkomplex in den Mittelpunkt eines weiteren Runden Tisches zur Integration von Geflüchteten stellen. Dieser Runde Tisch wird von uns organisiert und am 16. Juni in diesem Raum stattfinden. Und wir hoffen, dass wir dann gemeinsam mit weiteren Partnern wie etwa der Regierung, dem Bezirk und Wohngruppen bereits erste Erfolge erzielen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
eines ist mir an dieser Stelle auch besonders wichtig: Es darf aber keine Sonderregeln für Flüchtlinge geben, z. B. mit Schmalspur-Ausbildung oder Ausnahmen bei der Bezahlung.
Wir dürfen das Niveau der Berufsbildung in Deutschland nicht aufs Spiel setzen. Deshalb sind wir auch entschieden gegen eine „Ausbildung light“ in Form von Teilqualifizierungen für Flüchtlinge, wie sie der „Aktionsrat Bildung“ in seinem neuesten Gutachten fordert. Das Handwerk benötigt gut ausgebildete Fachkräfte. Diese bekommen wir nur durch eine fundierte Berufsausbildung. Wir werden hier in Deutschland weltweit für unsere duale Berufsausbildung, unsere Meisterausbildung und das Niveau unserer Facharbeiter beneidet. Wollen wir dies leichtfertig aufs Spiel setzen?
Die Fehler, die im Umgang mit der ersten Generation an „Gastarbeitern“ gemacht wurden, dürfen sich nicht wiederholen. Wie im „Datenreport 2016“ des statistischen Bundesamts nachzulesen ist, sind vor allem Migranten erwerbslos und von Altersarmut bedroht, sofern diese über keine oder nur eine geringe Qualifikation verfügen. Für diese muss später der Steuerzahler aufkommen. Diejenigen, die eine „Ausbildung Light“ fordern, sollten sich an die Auswirkungen der letzten Wirtschafts- und Finanzkrise erinnern: Damals entließen die Großunternehmen vor allem Geringqualifizierte. Genauso wird es bei Flüchtlingen sein, die eine „Schmalspur-Ausbildung“ durchlaufen. Das Handwerk dagegen hat damals an seinen gut qualifizierten Mitarbeitern festgehalten. Anders ausgedrückt: Die duale Ausbildung ist daher ein Schutzschild gegen die (spätere) Jugendarbeitslosigkeit.
Deshalb lautet unsere Position: Vorfahrt für die duale Ausbildung! An dieser Stelle möchte ich nochmals betonen, dass die Berufsausbildung nicht durch eine verstärkte Anerkennung von Teilqualifikationen oder eine Modularisierung ausgehöhlt werden darf. Das Erlernen eines Berufs in seiner ganzen Breite ist durch nichts zu ersetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
damit bin ich bei einem Thema, das mir besonders am Herzen liegt und lassen Sie es mich gleich von Beginn an in aller Deutlichkeit auf den Punkt bringen: Die Berufliche Bildung ist genauso attraktiv wie ein Studium.
Es ist sehr erfreulich, dass die Wissenschaft die Berufschancen von Menschen mit beruflicher Bildung ähnlich gut einschätzt, wie die von Hochschulabsolventen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Ich zitiere: „Wer Karriere machen will, muss nicht unbedingt studieren“ und sinngemäß weiter „mit einem Meisterabschluss eröffnen sich vielversprechende Karriere- und Einkommensperspektiven.“
Damit zeigt sich einmal mehr, dass es sich lohnt, bei der Berufswahl alle Wege in Betracht zu ziehen. Die IW-Untersuchung hatte ergeben, dass beruflich Qualifizierte im späteren Berufsleben hinsichtlich Personalverantwortung, Entwicklungschancen und Bezahlung auf Augenhöhe mit Kollegen rangieren, die den akademischen Weg gegangen sind.
Berufliche Bildung und akademische Bildung sind gleichwertig. Das setzt sich auch in der Praxis – wenn auch langsam – durch. Diese belegte Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung muss jetzt noch stärker in die Öffentlichkeit. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Ich erinnere nur an unsere Berufsmessen, unsere Handwerkspaten und unsere Fortbildungen für Lehrer. Es sind aber auch Politiker, Lehrer und Berufsberater der Arbeitsagenturen in der Pflicht.
Abiturienten alleine über Wege in ein Studium zu beraten ist falsch – viele dieser jungen Leute sind praktisch begabt. Mit ihrer Leistungsorientierung erwartet sie auch eine Karriere im Handwerk. Das gilt auch für junge Leute, die an den Hochschulen und Universitäten mit den Anforderungen nicht zurechtkommen. Viele wollen weg von der akademischen Bildung und in eine Ausbildung im Handwerk wechseln. Zumal der Weg über die Hochschule nicht zwangsläufig zufriedener macht. Zahlen belegen, dass jeder dritte Student in Deutschland am erfolgreichen Abschluss seines Studiums zweifelt. Viele könnten sich als Alternative eine duale Ausbildung vorstellen.
Neben aller dokumentierter und festgeschriebener Gleichwertigkeit der beruflichen und akademischen Bildung sollten wir unabhängig davon selbstbewusst deutlich machen: Eine Ausbildung im Handwerk ist attraktiv.
Wir eröffnen jungen Frauen und Männern vielfältige Karrierewege und Entwicklungsmöglichkeiten. Digitalisierung und neue Technologien – wie z. B. Smart Home und Elektromobilität – machen das Handwerk auch für leistungsstarke Schulabsolventen attraktiv.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
um unser Handwerk und unsere Ausbildung noch attraktiver zu machen erarbeiten wir deshalb zur Zeit ein Konzept zusammen mit der Universität Bamberg und der Hochschule Coburg zur Kooperation im Bereich der Denkmalpflege. Ziel ist der Aufbau eines bundesweit einmaligen bayerischen Kompetenzverbunds im Bereich der Denkmalwissenschaften und Kulturgutsicherung durch die enge Kooperation der Handwerkskammer, der Universität Bamberg und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Die schon vorhandenen Kompetenzen durch eine Reihe international erfolgreicher, hochspezialisierter Unternehmen im Bereich Denkmalpflege, durch die schon bestehenden Kompetenzzentren des Handwerks in ganz Bayern und dem bereits angebotenen, gemeinsamen Masterstudiengang der Universität Bamberg und der Hochschule Coburg sollen durch den Aufbau eines „Kompetenzzentrums für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien“ in Bamberg nochmals verstärkt werden. Durch eine engere Verzahnung der Kompetenzen des Handwerks und Hochschulen besteht die einmalige Chance, in Oberfranken einen bundesweit einmaligen Kompetenzverbund zu schaffen.
Neben diesen neuen Wegen müssen wir aber auch darauf Wert legen, dass die Ausbildungsberufe des Handwerks und damit auch unsere Weiterbildungskurse bei der Handwerkskammer fortlaufend modernisiert werden, um sicherzustellen, dass junge Menschen mit Abschluss einer Ausbildung fit für die künftigen Erfordernisse des Berufslebens sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in diesem Jahr wurden zwei wesentliche Bausteine in der beruflichen Bildung auf den Weg gebracht: Das Meister-BAföG wird ab August 2016 deutlich erhöht und Fortbildungsqualifikationen, die nach dem Berufsbildungsgesetz sowie nach der Handwerksordnung geregelt sind, sind im Deutschen Qualifikationsrahmen auf das gleiche Niveau wie der Master-Abschluss der akademischen Bildung gestellt worden.
Angehende Handwerksmeister und Fachkräfte bekommen mehr Geld vom Staat für ihre Meisterausbildung. Mit großer Mehrheit beschloss der Bundestag Ende Februar deutliche Verbesserungen beim Meister-BAföG. Nach dem Beschluss steigen die Förderbeiträge für den Lebensunterhalt und die Lehrgangskosten, die Zuschläge für die Kinderbetreuung sowie der sogenannte Erfolgsbonus. Bei einer erfolgreich abgelegten Prüfung wurden bisher 25 % des Darlehens für Prüfungs- und Lehrgangsgebühren erlassen. Dieser Erfolgsbonus steigt auf künftig 40 %. Das neue Meister-BAföG gilt für alle Kurse, die nach dem 1. August 2016 beginnen. Dann steigen auch die Fördersätze für den Lebensunterhalt von derzeit monatlich 697 Euro auf 768 Euro. Ein großer Schritt hin zur Gleichstellung von Studium und beruflicher Bildung ist die hälftige Bezuschussung der Unterhaltsförderung für Besucher von Vollzeitlehrgängen. Auch die Kosten des Meisterprüfungsprojekts werden bezuschusst.
Ganz konkret bedeutet dies: Für einen Elektrotechniker fallen für seine Weiterbildung zum Meister in Vollzeit aktuell an Kurs- und Prüfungsgebühren etwa 10.000 Euro an. Werden sämtliche Fördermöglichkeiten inklusive Meisterbonus verrechnet, erhält er ab dem 1. August 2016 einen Zuschuss von ca. 7.400 Euro. Er muss also nur noch ca. 2.600 Euro selbst bezahlen.
Neu ist auch, dass erstmalig eine Fortbildungsqualifikation des Handwerks gleichwertig mit dem akademischen Master-Abschluss zugeordnet worden ist. Jetzt ist die Fortbildung „Geprüfte/r Betriebswirt/in nach der Handwerksordnung“ auf der DQR-Stufe 7 zugeordnet. Mit dieser Zuordnung sind erstmalig Fortbildungsqualifikationen, die nach dem Berufsbildungsgesetz sowie nach der Handwerksordnung geregelt sind, gleichwertig mit dem Master-Abschluss der akademischen Bildung zugeordnet worden. Dies ist ein echter Erfolg unserer Arbeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Studium oder Ausbildung? Das ist die Gretchenfrage für viele Schulabsolventen. An dieser Stelle setzt auch die neue Kampagne „Elternstolz“ an. Eine gemeinsame Kampagne des Bayerischen Wirtschaftsministeriums, der bayerischen IHKs und der bayerischen Handwerkskammern. Wir wollen jungen Menschen und deren Eltern signalisieren, dass eine „Karriere mit Lehre“ erstrebenswert ist und Eltern stolz darauf sein können, wenn ihre Kinder den dualen Berufsbildungsweg einschlagen. Die Botschaft lautet: Das Studium ist nur eine andere, aber keinesfalls immer die bessere Entscheidung für die berufliche Zukunft.
Allein seit 2006 ist die Zahl der Studienanfänger um
47 % gestiegen. Inzwischen beginnen mehr junge Menschen ein Studium als eine Lehre. Verstehen Sie mich dabei bitte nicht falsch, ich will nicht auf den Studenten herumhacken nach dem Motto: Die können nix, die machen nix und werden am Ende sowieso alle Taxifahrer. Die meisten Studenten lernen hart und wenn sich einer etwas dazu verdient, dann ist das nur zu begrüßen. Mir geht es um ein ausgewogenes Verhältnis. Und unser Land bleibt nur attraktiv, wenn es genug Leute gibt, die Ideen in die Praxis, also in Produkte und Dienstleistungen, umsetzen können. Und das sind Sie, das sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Handwerksbetrieben in Oberfranken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir müssen aber besonders auch darauf achten, dass unser erfolgreiches duales System der beruflichen Bildung, für dessen Funktionieren die Meistervoraussetzung ein Kernstück ist, nicht durch Maßnahmen der Europäischen Union geschwächt wird. Wir haben ja die sogenannte Evaluierung der regulierten Berufe bewältigt. Die Qualifikationsanforderungen beim Berufszugang standen dabei auf dem Prüfstand. Das ist immer auch ein Alarmsignal für die Meistervoraussetzung im Handwerk. Allerdings konnten wir mit unseren Argumenten überzeugen. Und wir erhielten die notwendige Unterstützung durch die Politik, auf Landes- und auch Bundesebene. Brüssel wäre aber nicht Brüssel, wenn ein Thema, das schon erledigt scheint, nicht bald wieder auf der Tagesordnung auftauchen würde.
In diesem Zusammenhang halte ich es wie der Generalsekretär des ZDH, Holger Schwannecke vor kurzem in der FAZ: „Der Apparat in Brüssel muss mal innehalten!“
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich habe es bereits deutlich gemacht: Bildung und Qualifizierung sind ein Erfolgsmotor für das Handwerk in der Zukunft. Ein weiterer Motor der bereits heute das Handwerk bewegt und zukünftig noch in viel größerem Ausmaß bewegen wird, ist die Digitalisierung.
Die Digitalisierung durchdringt sämtliche Lebensbereiche und beeinflusst maßgeblich auch die Zukunft handwerklicher Arbeits- und Produktionsprozesse. Dieses Thema greifen wir aktiv auf. Seit März 2016 ist die Handwerkskammer für Oberfranken ein bundesweites „Kompetenzzentrum Digitales Handwerk“. Wir dürfen stolz darauf sein, dass wir in dem bundesweiten Projekt eine tragende Rolle einnehmen.
Gerade im Handwerk ist es äußerst wichtig, den Prozess der Digitalisierung fachlich und praxisbezogen zu begleiten. Ziel des Kompetenzzentrums ist es deshalb Handwerksunternehmen bei der Digitalisierung von Geschäftsprozessen zu unterstützen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und neue Geschäftsfelder im Kontext der Digitalisierung zu erschließen. Die Handwerkskammer für Oberfranken fungiert dabei als Ideengeber, Werkstatt, Labor und Demonstrator für Digitalisierungsfragen der Handwerksbetriebe. Wir unterstützen unsere Unternehmen konkret durch:
- Information und Hilfestellung in den Bereichen „Produktions- und Automatisierungstechnologien“
- Workshops, Informationsveranstaltungen, Schulungen und „Live-Demonstrationen
- Unterstützung bei der Einführung und Nutzung von Produktions- und Automatisierungstechnologien im eigenen Betrieb
- Informationsaustausch mit anderen Betrieben
Im Kompetenzzentrum Digitales Handwerk und bei verschiedenen Leuchtturmbetrieben verteilt in ganz Oberfranken können unsere Betriebe die Digitalisierung im Bereich der Produktions- und Automatisierungstechnologien in den verschiedenen Gewerken „live“ erleben und Ideen für den eigenen Betrieb mitnehmen. Dabei benötigen kleine und mittlere Unternehmen nicht nur eine generelle Information und Sensibilisierung, sondern auch Unterstützung bei der Umsetzung ihres Digitalisierungsvorhabens im Betrieb.
Themen, die wir in einem ersten Schritt angehen wollen sind:
- 3D-Druck (Kunststoff, Metall, Lebensmittel)
- Smart Home, Gebäudeautomatisierung
- Digitales Aufmaß
- Digitale Messtechnik und Dokumentenmanagement
- Vernetzte Produktionssysteme
Die Laufzeit des Projektes geht zunächst bis Dezember 2018. Das Projekt wird von Dipl.-Ing. Johanna Erlbacher geleitet. Sie hat bereits das Projekt „KFZ-Service-Engineering 2020“ erfolgreich betreut. Informationen über das Projekt und erste Veranstaltungsflyer haben wir für Sie ausgelegt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sie haben es bemerkt, der Schwerpunkt meiner heutigen Rede ist die berufliche Bildung. Lassen Sie mich zum Ende aber noch ein Thema ansprechen, bei dem eine Kostenbelastung für Handwerker und Kunden droht. Nämlich den Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes. Eine geplante Ausweitung der Maut für kleinere Lkw von 3,5 bis 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht hätte für unsere Betriebe erhebliche Auswirkungen. Insbesondere wenn unsere Betriebe einen Anhänger nutzen, werden Fahrzeuge zwischen 2,8 und 3,5 t in der Regel mautpflichtig, weil sie mit dem Gesamtgewicht über die Grenze zur Mautpflicht rutschen. Rund ein Drittel der Betriebe könnte betroffen sein. Durch die nicht mehr kalkulierbaren Wegekosten würden Betriebe in der Peripherie Zug um Zug ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in meinen Ausführungen zum Thema „Flüchtlinge“ habe ich gesagt: „Das Handwerk stellt nicht nur Forderungen an die Politik, wir packen auch selber an“.
Ich möchte mich an dieser Stelle für Ihr „ehrenamtliches Anpacken“ ganz persönlich bedanken. Sie sind es, die durch Ihre Anwesenheit heute zeigen, dass Sie aktiv Verantwortung für das Handwerk in Oberfranken übernehmen, dass Sie die Zukunft des Handwerks und die Zukunft Oberfranken mitgestalten wollen.
Dafür danke ich Ihnen!
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