Atommüll-Info-Abend der Bamberger GAL
„Wer das Atommüll-Endlager aufnimmt, muss die Dankbarkeit des ganzen Landes erhalten“
Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl (Grünen-MdB) berichtete über ihre Arbeit in der Endlagersuchkommission – Standortsuche fordert Grünen-Partei Überwindung ab
Wie soll man eine Lagerstätte für Atommüll finden, die sage und schreibe auf eine Million Jahre ausgelegt ist? Wie soll man die Information darüber an künftige Generationen überbringen – angesichts der Tatsache, dass wir über unsere Vorfahren vor nur 2000 Jahren kaum etwas wissen? Wie überzeugt man die Bewohner*innen einer Region davon, dass in ihrer Nachbarschaft das große deutsche Atommüll-Endlager entstehen wird?
All diese schwierigen und hochkomplexen Fragen beschäftigen die so genannte Endlagersuchkommission, die mit dem Standortauswahlgesetz StandAG eingesetzt wurde und im Jahr 2014 ihre Arbeit aufnahm. Eines von 32 Mitgliedern ist die grüne Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl aus Baden Württemberg, die als Gast bei einem Info-Abend der Grün-Alternativen Liste GAL über die Kommissionsarbeit berichtete. Aufgabe ist es, ein Verfahren zur Endlagersuche zu erarbeiten, samt Kriterien und Öffentlichkeitsbeteiligung, an dessen Ende dann das Endlager gefunden sein wird, das den gesamten von Deutschland produzierten hochradioaktiven Müll aufnehmen soll.
Noch ist man gerade erst dabei, überhaupt festzulegen, wonach man sucht. Voraussichtlich, so die atompolitische Grünen-Sprecherin, wird die Kommission wohl eine tiefengeologische Endlagerung empfehlen, die dauerhaft sein kann, aber auch rückholbar ist. „Man will künftigen Generationen andere Entscheidungen ermöglichen“, so Kotting-Uhl, „denn wer weiß, ob man nicht in Hunderten von Jahren bessere Konzepte für Atommüll hat.“ 2018 soll mit der konkreten Standortsuche begonnen werden. Erst in „vielleicht 25 bis 30 Jahren“ werde ein Endlager gefunden sein. Und das werde auch nur „vergleichsweise sicher“ sein, betonte die Grünen-MdB, „das relativ Beste eben, das sich finden lässt.“
Schon die Zusammensetzung der Kommission ist bemerkenswert. Neben acht Vertreter*innen aus den Bundesländern und acht Bundestagsabgeordneten kommen weitere acht Mitglieder aus der Wissenschaft, acht Sitze nehmen je zwei Delegierte aus Kirchen, Gewerkschaften sowie Verbänden aus Umwelt und Wirtschaft ein. Und erstaunlich: Die endgültige Entscheidung wird ausschließlich von den Kommissionsmitgliedern getroffen, die nicht aus der Politik kommen. „Ein großes Zugeständnis und eine Lehre aus der missglückten Atompolitik der 80er und 90er Jahre“, resümiert die Politikerin Sylvia Kotting-Uhl. Man wolle die Erfahrungen von Gorleben, wo über Jahrzehnte von der Politik ein Endlager gegen massive Widerstände durchgesetzt werden sollte, nicht wiederholen. „Das durch Gorleben entstandene tiefe, grundlegende Misstrauen ist noch wach. Viel befürchten auch heute noch, dass es kein anständiges und faires Verfahren für die Endlagersuche gibt.“ Deswegen hätten zahlreiche Anti-Atom-Initiativen eine Mitarbeit in der Kommission strikt verweigert, trotz des beschränkten Einflusses der Politik.
„Ich kann diese Verweigerungshaltung schon verstehen“, sagte Bundestagsabgeordnete. „Das ist auch für uns Grüne ein Dilemma. Von Anfang an haben wir gegen Atomkraft gekämpft, die Anti-Atom-Bewegung war ein Entstehungsgrund unserer Partei. Und nun sollen wir den Dreck mit wegräumen, den andere gegen unseren Willen produziert haben?“ Dennoch steht sie zu der Verantwortung vor allem gegenüber künftigen Generationen. „Jetzt sind die Probleme nun einmal da, und wir müssen sie angehen und können sie nicht einfach in die Zukunft verschieben.“
Da ist es dann nicht unbedingt einfach, in der Kommission mit zwei Vertretern der Atomwirtschaft am Tisch zu sitzen, die gleichzeitig insgesamt 30 Schadensersatzklagen gegen Bund und Bundesländer wegen des Atomausstiegs führen und sich zudem auf den Standpunkt stellen, dass ihre Konzerne nicht für die Finanzierung eines Endlagers zuständig seien.
Dennoch zeigte sich Sylvia Kotting-Uhl beim GAL-Info-Abend überzeugt von der Arbeit der Endlagersuchkommission. Auf die Frage, ob durch die geplante umfassende Bürgerbeteiligung in Regionalkonferenzen und einem Rat der Regionen nicht erst der Widerstand vor Ort belebt werde und ob man nicht am Ende doch einer Region das Endlager aufzwingen müsse, antwortete sie gewissermaßen visionär: „Das ganze Verfahren fußt auf der Hoffnung, dass es anders gehen kann als in Gorleben, dass über ein faires Verfahren ein für alle überzeugendes Ergebnis erreicht werden kann, dass mündige Bürger*innen mitentscheiden und die Vernunft siegt. Wir müssen es schaffen, dass die Region, die einst diese Last tragen wird, dafür hohes Ansehen und die Dankbarkeit des ganzen Landes erhält und dies als ehrenvolle Aufgabe annehmen kann. Dieser Paradigmenwechsel muss unser Ziel sein.“
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