Vortragsabend „DDR – Geschichte aus 1. Hand“ in Forchheim
Dipl.Ing. Schudt (80), derzeit wohnhaft in Dechsendorf bei Erlangen, hat Glück gehabt. Doppeltes Glück sogar, wie er vor dem Männerkreis der Pfarrei Don Bosco Forchheim bekundete. Er wuchs in Ilmenau auf und war nach seinem Studienabschluss als Lehrbeauftragter an der Charite der Alexander-Humboldt – Universität in Ostberlin beschäftigt. Er hat in Zeiten der DDR am eigenen Leib spüren müssen , was es heißt in einer Diktatur zu leben.
Der Männerkreis Don Bosco hatte ihn zu einem Vortragsabend unter dem Titel „DDR – Geschichte aus 1. Hand“ als Zeitzeugen eingeladen. Der Referent lebte viele Jahre in einem Staat, in welchem ein Staatsratsvorsitzender per Federstrich ein „Lebenslänglich“ in ein sogleich vollstrecktes Todesurteil umwandeln konnte. Bei Schudt waren es, wie er authentisch erzählte „nur“ fünf Jahre Gefängnis. Von dieser Strafe musste er aber nur ein gutes Jahr absitzen, bevor man ihn, wie insgesamt 34000 DDR – Bürger an die Bundesrepublik „verkaufte“. „Freigekauft“ nannte man es damals, so Schudt. Der ostdeutsche Staat erlöste für Schudt etwa 40 000 D-Mark. Insgesamt beschaffte sich die DDR auf diese Weise Devisen in der Größenordnung mehreren Milliarden DM.
Die Anklage gegen den Elektroingenieur aus dem Thüringischen Ilmenau lautete auf „Verleitung zur Republikflucht“. Hans-Peter Schudt wusste von den Fluchtplänen einiger Bekannter, verriet sie aber nicht. 1965 wurde er deshalb inhaftiert, 1966 erhielt er seinen Prozeß und wurde dafür, dass er sein Wissen nicht an das Ministerium für Staatssicherheit verriet, zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Schuth belegte mit vielen Dokumenten, die er sich nach der Wende aus der Stasi-Unterlagenbehörde beschaffte, dass es sich bei der DDR beileibe nicht um einen Rechtsstaat handelte. 18 – jährige Oberschüler, die sich für freie Wahlen einsetzten, wurden zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, der Staatsratsvorsitzende konnte ohne Verfahren und Anhörungen Urteile umwandeln und verwerfen. Es gab eine von der Politik gelenkte Justiz.
Schuth sprach von 90.000 hauptamtlichen und 190.000 inoffiziellen Mitarbeitern der Staatssicherheit im Jahr der Wende 1989. Hinzukamen Informanten aus Schulen und Betrieben. Über verdächtige Personen wurden von sogenannten „Quellen“ Dossiers angelegt, die ebenso groteske wie banale Züge aufwiesen. Über ihn, so Schudt, wurden insgesamt 3000 Seiten angelegt. Darin wurde deutlich, wie sehr die Stasi in das Leben des Einzelnen eingedrungen ist und der Einzelne im Alltag ausspioniert wurde. Hans-Peter Schudt, der nach seiner Übersiedlung bei der Fa. Siemens in leitender Funktion tätig war, bezeichnete dabei die „Lüge“ in der DDR als gängiges Kampfinstrument gegenüber unliebsamen Personen, aber auch zur positiven Darstellung verfehlter Planungsziele.
Nach intensiver Aussprache und zahlreichen Rückfragen bedankte sich der 1. Vorsitzende Eduard Nöth beim Referenten und bezeichnete Aussagen von Zeitzeugen als besten Weg Geschichte erfahrbar zu machen und aufzuarbeiten. Er wünsche Herrn Schudt noch Kraft, Gesundheit und die Leidenschaft noch viele Jahre durch seine Berichte auf das Unrecht in der vormaligen DDR aufmerksam zu machen, damit v.a. junge Menschen nicht wieder auf dumpfe Parolen hereinfallen.
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