Leserbrief: Unverdiente Lorbeeren – Fränkischer Tag Bamberg vom 12. März: „Fahrradstadt Süddeutschlands“

leserbrief-symbolbild

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Lienhardt!

„Radfahren fördern ,,, nicht den motorisierten Verkehrsteilnehmern das Leben unnötig erschweren“ – seit Jahrzehnten Standardfloskel, welche die Realität beschönigen soll: Erst wird, von Alibiprojekten geringer Tragweite abgesehen, alles getan, Autoverkehr möglichst attraktiv zu gestalten. Anschließend werden die Restflächen und -ressourcen verteilt – ohne Beachtung der Belange unmotorisierter Verkehrsteilnehmer.

Der hohe Fahrradanteil am Bamberger Verkehrsaufkommen gründet auf drei Säulen: geringe Ausdehnung der Stadt; Unmöglichkeit, die historischen Bereiche autogerecht zu gestalten; hohe Zahl Studierender. Sein Anstieg um 50 % seit 1998 resultiert zu über zwei Dritteln aus dem Rückgang der potentiellen Partner im Umweltverbund: Gehen minus 17 %, Linienbus (auf ohnehin niedrigem Niveau) minus 23 % – bemerkenswert, weil öffentlicher Personenverkehr deutschlandweit stetig neue Rekorde schreibt. Der Anteil des Bamberger Autoverkehrs verringerte sich nur um 7 % (www.Stadt.Bamberg.de).

Das Fahrrad trägt weniger zur Verkehrswende bei als daß es die anderen verträglichen Verkehrsmittel kannibalisiert. Das verwundert wenig: nicht aufeinander abgestimmte Fahrplantakte, große räumliche und zeitliche Angebotslücken, keine Vernetzung quer zu den Verbindungen in die Stadtmitte, Zwangsumstieg am ZOB, großzügig geduldetes, gar angeordnetes Parken sogar auf zu schmalen Gehwegen, lange Straßenabschnitte ohne sichere Querungsmöglichkeiten, lange Rot- und kurze Grünzeiten an Ampeln, … .

Für das Fahrrad wird wenig getan. Manche Maßnahmen sind wirkungslos, viele kontraproduktiv. Die Verkehrsführung widerspricht nicht nur fachlichem Kenntnisstand, sondern häufig geltendem Recht. Und wehe, der Autoverkehr soll sich einschränken – in Bamberg undenkbar.

So manche Notwendigkeit, auf das Auto zurückzugreifen, ist eingeredet. Tatsächliche Zwänge hingegen beruhen zu einem Großteil auf der eingangs erwähnten Verkehrspolitik – auf Bundes-, Landes-, aber eben auch Kommunalebene.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig

Bildbeschreibung (eigene Aufnahmen):

Gehwegparken

Gehwegparken

Bild 1 – Gehwegparken an der St.-Getreu-Straße (aufgenommen im Februar 2016)

Auf Teilstrecken ist Gehwegparken angeordnet, obgleich der erforderliche Mindestquerschnitt des freizuhaltenden Gehwegs weit unterschritten ist. Die Anordnung senkt zudem die Hemmschwelle, das Kfz auch dort auf den Gehweg zu stellen, wo es untersagt ist.

Das Elterntaxi ist an der Musikschule sehr beliebt. War nicht versprochen, der Umzug werde keinen zusätzlichen Autoverkehr ins Berggebiet bringen? Während bis heute noch kein einziger Fahrradstellplatz angelegt worden ist, stellt ein Aushang im Gebäude Parkplätze fürs Elterntaxi in Aussicht.

Fahrradstellplätze

Fahrradstellplätze

Bild 2 – Kundenstellplätze an der Pödeldorfer Straße (aufgenommen im März 2016)

Das erst vor wenigen Jahren errichtete Einkaufszentrum, inmitten von Wohngebieten gelegen, bietet einen großzügigen Autoparkplatz. Für radfahrende Kunden stehen hingegen nur wenige ungeeignete Vorderradklemmen bereit. Diese sind überdies häufig durch vor ihnen abgestellte Krafträder blockiert. Die Situation ist typisch für die Stadt Bamberg, aber auch für den Landkreis.

Baustelle

Baustelle

Bild 3 – Baustelle Hallstadter Straße (aufgenommen im März 2016)

Für Bamberger Verhältnisse ist diese Baustelle aus Radfahrersicht geradezu großzügig beschildert – aber wie?

Das Warnschild „Arbeitsstelle“ steht derart dicht am viel zu schmalen Radweg, daß die Gefahr versehentlichen Touchierens besteht.

Das Warnschild „Radfahrer“, welches auf den bevorstehenden Wechsel auf die bzw. das Kreuzen der Fahrbahn hinweisen soll, steht weit außerhalb des bewußten Wahrnehmungsbereichs der Kraftfahrer.

Das unter dem Schild „Gehweg“ (ja, wo ist er denn?) angebrachte Zusatzschild soll Radfahrer per Richtungspfeil nach links weisen – doch wohin? Völlig ungesichert in den auf der Fahrbahn fließenden Verkehr? Auf den linksseitig gelegenen Radweg (vergleichbar schmal und nicht nur deshalb ungeeignet)? Oder gar auf eine nicht weiter ausgeschilderte Umleitung über die Thorackerstraße? Radler können das Schild zudem erst auf kürzeste Distanz erkennen, da es zuvor durch das Warnschild „Radfahrer“ verdeckt ist.