Artikelserie: Energiewende ja – aber wie? 43. Bayerisches Energieprogramm 2015 Teil 2
Basis für die folgenden Überlegungen ist wieder das Bayerische Energieprogramm 2015. Es empfiehlt sich den vorstehenden Link zu öffnen und die nachfolgende Analyse direkt mit dem Originaltext zu vergleichen.
Die Graphik 2.1 im Abschnitt 2 des Bayerischen Energieprogramms zeigt die Entwicklung der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch. Diese Graphik ist die einzige in diesem gesamten Energieprogramm, die sich an dem eigentlich korrekten Maßstab „Energieverbrauch“ orientiert. Aber es geht hier außer um die elektrische Energie, auch um den Energiebedarf für Wärme und Verkehr. Diese Graphik weist für 2010 bis 2014 eine Steigerung von 15,1% auf 18,8% aus, also +3,7% in 5 Jahren. Die Prognose für die nächsten 10 Jahre bis 2025 weist nur noch eine Steigerung von +1,2% auf 20% aus, nur noch 1/6 der bisherigen Steigerungsrate. Besser kann man nicht deutlich machen, dass die bayerische Energiewende am Ende ist. Trotzdem steht ein Abschnitt weiter folgende Behauptung unter der Überschrift (Zitat):
Bayern als Taktgeber in der Energiepolitik
Bayern ist Vorreiter bei der Energiewende und will dies auch künftig bleiben. (Zitat Ende)
Wie soll das gehen? Die Säulengraphiken 1.2 bis 1.5 des Energieprogramms zeigen eindrucksvoll die Entwicklung der jeweiligen Energieerzeugung in den Jahren 2010 bis 2014. Insbesondere für die heiß diskutierte Windkraft scheint die Steigerungsrate auf das Dreifache enorm. Also nur viel Lärm um nichts? Erst beim genauen Hinschauen erkennt man, dass die Graphiken zwar alle gleich groß, aber alle unterschiedlich skaliert sind. Insbesondere für die Windkraft findet die Verdreifachung auf einem sehr niedrigen, fast vernachlässigbaren Niveau statt. Auch eine Art von Etikettenschwindel.
Zum Vergleich der Größenordnungen werden die Graphiken 1.2 bis 1.5 mit den Zielvorgaben für 2025 aus Abschnitt 2, Überschrift: „Energiewende ist auch eine Klimawende“, für die vier wichtigsten Stromerzeuger aus erneuerbaren Energiequellen in folgender Graphik mit einem einheitlichen Maßstab zusammen gefasst.
Die blauen Säulen zeigen den tatsächlichen Ausbaugrad und den Fortschritt der jeweiligen Energiequelle für 2010 (hellblau) bis 2014 (dunkelblau). Die Wasserkraft blieb unverändert, die PV-Anlagen wurden mehr als verdoppelt, die Bioenergie wurde um knapp 50% erweitert, und die Windkraft wurde verdreifacht, jedoch auf einem fast vernachlässigbar niedrigen Niveau. Dies zeigt auch der Vergleich mit der bereits besprochenen Graphik 1.1. Die Prozentwerte dieser blauen Säulen beziehen sich, wie das ganze bayerische Energieprogramm, auf die bayerische Berechnungsmethode (Basis Stromerzeugung). Da aber in diesen Jahren die bayerische Energiebilanz im Wesentlichen ausgeglichen war (Strombedarf = Stromerzeugung weil noch 3 AKWs in Betrieb waren), würde die allgemein übliche Berechnungsmethode (Basis Strombedarf) etwa die gleichen Werte ergeben. Die roten Säulen zeigen die jeweiligen Zielvorgaben für 2025 aus Abschnitt 2 des bayerischen Energieprogramms. In den Jahren davor (2018 bis 2023) werden aber die restlichen Kernkraftwerke abgeschaltet. Dadurch vermindert sich die Basis „Stromerzeugung“ für die bayerische Berechnungsmethode erheblich. In den grünen Säulen sind diese Werte für die allgemein übliche Berechnungsmethode (Basis Strombedarf) umgerechnet. Der Vergleich der roten mit den grünen Säulen zeigt die bewusste Verzerrung der Zielvorgaben durch die bayerische Berechnungsmethode (Etikettenschwindel, optische Schönfärberei mit Hilfe eines Rechentricks). Nur der Vergleich der dunkelblauen mit den grünen Säulen zeigt die tatsächlichen Erweiterungen für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen bis 2025. Bezogen auf den Strombedarf: Wasserkraft +1,9%, PV-Anlagen +3,8%, Bioenergie +0,6% und Windkraft +1,6%. Für die Windkraft würden selbst die „nur“ +1,6% wegen des niedrigen Niveaus bedeuten: Die Zahl der Windkraftanlagen bezogen auf 2014 müsste nahezu verdoppelt werden (genau +75%) – bei Berücksichtigung der existierenden 10H-Regelung eine völlig unrealistische Zielvorgabe (s.a. Kapitel 41).
Fakt ist, mit diesen Zielvorgaben können 2025 nur etwa 45% des bayerischen Strombedarfes aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden. Um den Bedarf zu 100% zu decken, muss zukünftig der meiste Strom nach Bayern importiert, bzw. in Bayern weiterhin aus fossilen Energieträgern erzeugt werden (s.a. Graphik 3.1 in Abschnitt 3). Es ist nicht verwunderlich, dass die abgeflauten Diskussionen um die Stromtrassen schon wieder aufflammen.
Fazit: Man muss wohl unterscheiden zwischen einer „Energiewende von Oben“, initiiert und realisiert durch die bayerische Staatsregierung, und einer „Energiewende von Unten“, initiiert durch die Bürger selbst, Bürgerinitiativen, Genossenschaften, Bioenergiedörfer, Kommunen etc.. Die bayerische Energiewende von Oben ist offensichtlich am Ende. Umso wichtiger wird für Bayern die Energiewende von Unten. Sieht das Bayerische Energieprogramm 2015 das auch so? Hierzu auszugsweise einige Schlagzeilen mit Absichtserklärungen aus Abschnitt 3 des Energieprogramms unter dem Titel (Zitat):
Wie wollen wir die Ziele konkret umsetzen:
- Kommunen und Landkreise als Partner der Energiewende
- Vorrang für Bürgerenergie
- Bürgerenergie und Akteursvielfalt stärken
- Bürgernahe Gestaltung als Wegbereiter der Energiewende
- Unterstützung von Kommunen und Bürgern durch den Freistaat
- Rahmenbedingungen anpassen
- Reduzierung des Energiebedarfs durch weitere Einsparung und Steigerung der Effizienz
- Deckung des Strombedarfes durch erneuerbare Energien
(Zitat Ende)
Benötigt werden hierfür nun aber auch die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen und gezielte Förderungen.
Man darf gespannt sein, was da kommt!
Dieter Lenzkes
Bürger-für-Bürger-Energie
www.bfb-energie.de
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