Freie Wähler luden zum Gespräch „Asylbewerber und Ehrenamt“

Hälse werden dicker

Nichts wird derzeit so kontrovers diskutiert wie das Thema „Flüchtlinge und Asylbewerber“. Klar ist jedoch, dass es ohne die vielen sich in der Flüchtlingshilfe engagierenden Ehrenamtlichen schon längst zu untragbaren Zuständen gekommen wäre. Doch wie arbeiten diese Helfer eigentlich, was erleben sie, was haben sie zu sagen? Um das aus erster Hand zu erfahren, hat der Kreisverband der FREIEN WÄHLER Forchheim e. V. die Ehrenamtlichen aus der Flüchtlingshilfe im Landkreis Forchheim zu einem Gespräch mit dem Thema „Asylbewerber und Ehrenamt“ ins Gasthaus Lindenhof in Heroldsbach eingeladen.

Neben zahlreichen Vertretern der lokalen Netzwerke und etlichen FREIE WÄHLER Kreisräten und Bürgermeistern begrüßte Manfred Hümmer, 1. Vorsitzender des Kreisverbandes der Freien Wähler Forchheim e. V. Frithjof Dier, den Geschäftsbereichsleiter für kommunale und soziale Angelegenheiten am Landratsamt Forchheim, Werner Lorenz, den Geschäftsstellenleiter des Caritasverbandes für den Landkreis Forchheim e. V. und den FREIE WÄHLER Landtagsabgeordneten Thorsten Glauber.

Hümmer eröffnete den Erfahrungsaustausch mit einem Zitat von Albert Schweitzer: „In keiner Weise dürfen wir uns dazu bewegen lassen, die Stimme der Menschlichkeit in uns zum Schweigen zu bringen.“ Etliche Fragen hatte Hümmer an diesem Abend an die Anwesenden: Kann das ehrenamtliche Engagement weiter so aufrechterhalten oder sogar noch gesteigert werden? Welche Probleme ergeben sich für die Unterstützer im Alltag? Was sind die konkreten Erwartungen an Politik und Verwaltung des öffentlichen Dienstes? Und letztendlich: Wie lauten die Anregungen der Betroffenen?

Tatsächlich waren die z. T. in örtlichen Hilfsgruppen organisierten Helfer sichtlich froh, zu Wort zu kommen und über erste Erfolge ihrer Arbeit zu sprechen, ihr Leid zu klagen, sich Tipps zu holen und oder sich einfach einmal auszutauschen. Vor der eigentlichen Diskussion brachte Frithjof Dier die Anwesenden mit einem Vortrag zu den aktuellen Flüchtlingszahlen auf den neuesten Wissensstand. So durchliefen laut Dier im Oktober im Landkreis Forchheim im Schnitt immer 100 bis 200 Menschen für drei Tage die Erstaufnahme in Forchheim,, in weiteren Unterkünften der Stadt sind etwa 80 Menschen untergebracht und dezentral im Landkreis 921 Menschen (44 Unterkünfte). Auszugsgestattung hätten zurzeit 50 Menschen (Unterbringung in Mietwohnungen). Dazu kämen 85 (demnächst bis zu 136) unbegleitete Minderjährige.

Dier unterstrich, dass er derzeit noch viele Angebote zur Vermietung im Landkreis habe, es bestehe keine Gefahr von Zeltunterkünften: „Forchheim ist kein Brennpunkt!“ Bis Mitte 2016 erwarte er keine Probleme. Erfreulich sei, dass es bisher keine Übergriffe auf Flüchtlingsheime im Landkreis gegeben habe. Er sei den zahlreichen Ehrenamtlichen, die sich engagierten, dankbar – ohne diese könnten seine Mitarbeiter die vielen Aufgaben nicht bewältigen. Es fehle nicht an gutem Willen, sondern schlicht an Personal.

Dies konnte Werner Lorenz, Leiter der Forchheimer Caritas, nur bestätigen. Die Caritassozialarbeit sei momentan zuständig für ca. 1000 Asylbewerber, es gebe aber in der Wohlfahrt nur sieben hauptamtliche Mitarbeiter: „Damit fahren wir nicht wohl!“, mahnte er eindringlich. Hauptamtlich tätig sein heiße zurzeit, die Begegnung mit Einzelnen liegenlassen zu müssen, nur nüchterne Notwendigkeiten seien möglich. Einzig durch intensives ehrenamtliches Engagement könne dieser Mangel aufgefangen werden.

Thorsten Glauber, der als Landespolitiker, Kreisrat und Bürgermeister sprach, nannte die Aufnahme der Flüchtlinge die „größte Herausforderung an uns seit der Wiedervereinigung“. Für besonders dringlich hielt Glauber in diesem Zusammenhang die Bewilligung von zusätzlichen Mitteln für den Wohnungsbau im nächsten Doppelhaushalt. Hier entstehe sonst „sozialer Sprengstoff“. Der Landtag müsse bereit sein, mindestens 600 Millionen Euro an Euromitteln einzusetzen, damit die Diskussion zwischen den sozial Bedürftigen und Menschen mit Anerkennung austariert werden könne. Als Kommunalpolitiker und Bürgermeister gab er den anwesenden Kreisräten und Bürgermeistern mit auf den Weg, sich sofort Gedanken zu machen, wie neuer Wohnraum geschaffen werden könne.

Geldmittel für das ehrenamtliche Engagement seien leider bisher politisch nicht durchsetzbar gewesen, wendete sich Glauber an die anwesenden Helfer. Seiner Meinung nach sei das aber ein dringliches Thema für den nächsten Haushalt. Es gebe für das Ehrenamt bisher zu wenig Mittel.

Im anschließenden Informationsaustausch den Netzwerkern kristallisierte sich schnell heraus, dass die Helfer aus unterschiedlichen Ortschaften oft mit den gleichen Problemen kämpfen. Viele beklagten den mangelnden Informationsfluss von örtlichen und überörtlichen Behörden. Oft fühle man sich nicht ernstgenommen oder alleingelassen. Konkret gehe es um Informationen zu gesetzlichen Änderungen, zum Anerkennungsstatus des einzelnen Flüchtlings, zu Sprachkursen, Datenschutz, Kinderschutz und medizinischer Versorgung. Als ganz große Schwierigkeit erkannten die meisten das Fehlen von Dolmetschern. In vielen Orten gebe es auch keine Betreuung durch soziale Dienste. Traumatisierte Menschen müsse zudem eine psychologische Behandlung ermöglicht werden. Besonders erbost waren die Helfer über das Verhalten einzelner Betreiber von Unterkünften, die ihre Häuser verwahrlosen ließen. Fazit einer Helferin: „Die Hälse werden dicker, je nachdem wie viele Schwierigkeiten es mit den Vermietern gibt!“ Vehement forderten die Ehrenamtlichen unangekündigte Kontrollen der Räumlichkeiten durch die Ämter.

Verschiedene Anfragen und Missverständnisse konnte Frithjof Dier, der auch um persönliche Rücksprache bat, schon vor Ort klären. Angesichts des großen Gesprächsbedarfs vereinbarten die Anwesenden aber mit Manfred Hümmer, sich baldmöglichst im kommenden Jahr wieder zu treffen. Dann sollen gemeinsam Lösungsansätze gesucht und diese an die Zuständigen weitergeleitet werden. Die Absicht, die Vernetzung der Helfer untereinander anzuschieben und zwischen den Netzwerkern zu moderieren, war an diesem Abend schon gelungen, wie Hümmer in seinem Schlusswort betonte.

Britta Kaiser