Artikelserie: Energiewende ja – aber wie? 40. Stand und Planung der Energiewende – Bayern (Teil 1)

Goliath Poldermolen. Foto: Uberprutser, CC-BY-SA-3.0-nl

Goliath Poldermolen. Foto: Uberprutser, CC-BY-SA-3.0-nl

Der vorige Artikel zeigte, dass Bayern 2024 lt. Netzentwicklungsplan ein Defizit bei der Stromversorgung von ca. 30 TWh = 36%, haben wird. Grundsätzlich gibt es 3 Möglichkeiten diese Lücke zu schließen:

  1. Strom sparen. Jede nicht verbrauchte kWh entlastet die Umwelt, das Klima und den Geldbeutel. Aber landesweit 36%? Ein sehr ambitioniertes Ziel!
  2. Stromlieferung aus Bundesländern mit Stromüberschuss. Das ist sicher realisierbar, bedeutet aber Umbau und Erweiterung des Übertragungsnetzes.
  3. Ausbau der dezentralen Stromerzeugung aus lokalen erneuerbaren Energiequellen. Das Konzept der Bürgerinitiativen und der Bioenergiedörfer.

Wahrscheinlich ist ein Mix aus allen drei Punkten notwendig.

Obwohl in der Zwischenzeit das neue „Bayerische Energieprogramm 2015“ bekannt gemacht wurde, wollen wir uns zunächst ansehen, welche Konsequenzen sich aus der ursprünglichen Bundesweiten Planung (Netzentwicklungsplan 2014) und dem Bayerischen Energiekonzept von 2011 ergeben würden. Dann werden auch die Unterschiede zum neuen Bayerischen Energieprogramm 2015 deutlicher. Da dieses nur einen Ausblick auf die Entwicklung bis 2025 macht, beschränken wir die folgende Analyse auch auf die Prognosezahlen des Netzentwicklungsplanes bis 2024.

Nehmen wir zunächst den 2. Punkt unter die Lupe. Die fehlenden 30 TWh müssten dann aus Norddeutschland kommen. Hierfür würden, mit den bisher in Deutschland üblichen 400 kV Leitungen, 3 Trassen benötigt, die ursprüngliche Planung der Übertragungsnetzbetreiber. Dies wurde von der Politik nach zähen Verhandlungen auf Bundesebene auf einen kleinen Rest einer Trasse reduziert. Was wurde an der Situation geändert? Will man die dezentrale Stromerzeugung stärker ausbauen? 1 Leitung würde vermutlich genügen, würde diese als 750 kV Drehstrom-Leitung oder Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung gebaut (beides im bundesdeutschen Netz noch nicht realisiert). Dann würden aber die fehlenden 30 TWh (ca. 36% des Strombedarfes) Bayern an nur einem Punkt erreichen. Somit wären ebenfalls erhebliche Anpassungen im Verteilernetz notwendig.

Warum können nicht die bisherigen Übertragungsleitungen zwischen Bayern und den anderen Bundesländern genutzt werden? Betrachten wir hierzu die heutige Strombilanz Bayerns, vor Abschaltung der Atomkraftwerke, einschließlich Grafenrheinfeld (stillgelegt Juni 2015).

Atomkraftwerk

Installierte Leistung (el.)

Jahresproduktion
gerundet

Grafenrheinfeld

1.345 MW

7 TWh

Gundremmingen

2.688 MW

20 TWh

Isar/Ohu

1.485 MW

11 TWh

Die Stromproduktion dieser drei Atomkraftwerke war größer als das für 2024 prognostizierte Defizit. Bayern war Stromüberschussland. Nach Abschaltung von Grafenrheinfeld dürfte die Energiebilanz einigermaßen ausgeglichen sein. Nach Abschaltung aller Atomkraftwerke (bis 2022) ändert sich dies, Bayern wird Stromdefizitland, einige Energieströme drehen sich um. Die Einbahnstraße geht jetzt in die andere Richtung. Außerdem wäre der zukünftige Stromimport etwa 3mal größer als der frühere Stromexport. Es ist fraglich, ob die Übertragungskapazität der alten Leitungen, angepasst an den geänderten Energiefluss, für die neue Aufgabe ausreichen würde. Es ist eine Systemfrage, ob günstiger komplett neue Leitungen gebaut oder die alten Leitungen den neuen Verhältnissen angepasst werden, (s.a. Kapitel 33 und 34: zentrales / dezentrales System). Grundsätzlich gilt: je kleiner der Strombedarf (Punkt 1), umso weniger muss produziert werden, und je höher die Eigenproduktion (Punkt 3), umso geringer der Stromimport über das Verbundnetz.

Das Defizit ausschließlich über Stromlieferungen zu decken, erfordert eine zentrale Struktur. Das Defizit zumindest zu einem großen Teil durch verstärkte dezentrale Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen, kombiniert mit Energie-Sparmaßnahmen, zu decken (Punkte 3+1), zeigt in Richtung einer dezentralen Struktur. Nehmen wir deshalb jetzt diese beiden Möglichkeiten (Punkte 1+3) unter die Lupe.

Datenquellen für die folgende Betrachtung:
Netzentwicklungsplan/Bundesnetzagentur für die Planzahlen 2024.
www.energyMap.info für den Verbrauch sowie den erzeugten Strom aus erneuerbaren Energiequellen in 2014.
Bayrisches Landesamt für Statistik für Stromerzeugung aus fossiler Energie (Kohle, Erdgas, Kernenergie) in 2013.
Die folgende Tabelle enthält gerundete Werte. Es sind z.T. Schätzwerte oder Mittelwerte. Nachkommastellen würden eine unrealistische Genauigkeit vortäuschen.

Basisjahr / Prognosejahr

2013/14

2024

Verbrauch / Bedarf (Prognose) in TWh

92

81

Steinkohle in TWh

5

4

Kernenergie in TWh

43

0

Erdgas in TWh

9

3

Kraft Wärme Kopplung in TWh

??

1

Windkraft in TWh

2

4

Photovoltaik in TWh

11

15

Biogas in TWh

8

10

Wasserkraft in TWh

3

11

Sonstige in TWh

??

2

Summe Eigenerzeugung/Plan in TWh

81

50

Summe Erzeugung aus erneuerbaren Quellen in TWh

24

43

Erzeugung aus erneuerbaren Quellen in % des Bedarfes

26

53

Betrachtet man in dieser Zusammenstellung nur das Endergebnis (letzte Zeile), so scheint Bayern auf einem guten Weg zu sein. Die derzeitige Entwicklung entspricht etwa dem Bayerischen Energiekonzept von 2011. Zitat: „Wir halten es für erreichbar, dass innerhalb der nächsten 10 Jahre (2021) 50 % des bayerischen Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden“. Demnach wäre bereits 2015 die Hälfte der Zielvorgabe erreicht.

Überlegen wir auf Basis der Planzahlen 2024 wie die Entwicklung aussehen müsste, mit dem Ziel, die Lücke zwischen Strombedarf und Summe der Eigenerzeugung/Plan (31 TWh) mit zusätzlicher Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen bzw. durch Stromeinsparung zu schließen.

  1. Verbrauch / Bedarfsprognose: Die scheinbare „Stromeinsparung“ von 2014 auf 2024 resultiert im Wesentlichen nur aus dem Wegfall des Eigenbedarfes der großen Dampfkraftwerke (Kernkraft, Kohle. S.a. Kapitel 9). Der tatsächliche Endstromverbrauch (2024 = 81 TWh) müsste um weitere 38% (31 TWh) gesenkt werden, um den Ausgleich herzustellen.
  1. Alternativ auf der Erzeugerseite aus erneuerbaren Quellen:
    a) Am Beispiel des größten Erzeugers, der Photovoltaik. Deren Ausbaugrad für 2024 müsste fast verdreifacht werden (+200% von 11 auf 31 TWh).
    b) Am Beispiel der beiden Quellen mit dem größten Entwicklungspotenzial in Bayern, Windkraft und Biogas. Beide müssten ebenfalls etwa verdreifacht werden.

Ist das realistisch?

Fazit: Ein Ausgleich kann nicht durch einen zusätzlichen Ausbau nur einer Energiequelle oder nur durch Stromsparmaßnahmen erreicht werden. Hieran müssen alle vorhandenen Energiequellen beteiligt sein, denn es kommt auch auf ein optimales Mischungsverhältnis an. Der effektivste Ansatz ist aber die Reduzierung des Verbrauches. Hier ist zwar jeder Einzelne gefordert. Aber das Ergebnis wird auch sofort im eigenen Geldbeutel sichtbar. Hierzu mehr in einer späteren Folge. Jedes „Restdefizit“ muss aus dem Norden zugeliefert werden.

Wie realistisch ist aber der Netzentwicklungsplan 2014? Hierzu weitere Überlegungen im nächsten Kapitel sowie der Vergleich mit dem neuen Bayerischen Energieprogramm 2015.

Dieter Lenzkes
Bürger-für-Bürger-Energie
www.bfb-energie.de

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