Willy-Aron-Gesellschaft Bamberg e.V.: Vortrag und Filmvorführung

Neuanfang im Land der Täter. Jüdisches Leben nach 1945 in der Stadt und im Landkreis Bamberg

Am 12. November 2015 um 19:00 Uhr wird in der israelitischen Kultusgemeinde Jim Tobias vom Nürnberger Institut für NS-Forschung zu folgendem Thema referieren: „Neuanfang im Land der Täter. Jüdisches Leben nach 1945 in Stadt- und Landkreis Bamberg.“ Er wird ausführlich auf das Leben im DP-Lager in der ehemaligen Ulanenkaserne in Bamberg und auch auf das damals bestehende Kibbuz-Leben im Landkreis Bamberg eingehen. Im Anschluss wird sein Film über ein Kibbuz auf dem ehemaligen Hof des „Stürmer“-Herausgebers Streicher gezeigt.

Vortrag

Die gewaltige Zahl heimatloser Flüchtlinge, befreiter Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa, bezeichnete die amerikanische Besatzungsmacht als „Displaced Persons“ (DP). Unter den 250.000 Juden, die 1946/47 in Deutschland lebten, waren ungefähr 200.000, die aus der Sowjetunion nach Deutschland zurückgekehrt waren. Juden, die innerhalb Deutschlands Konzentrationslager oder Zwangsarbeit überlebt hatten, stellten eine Minderheit dar.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit warteten in Bamberg und Umgebung Tausende Überlebende der Shoa auf eine Möglichkeit zur Auswanderung nach Palästina oder Übersee. Doch die klassischen Einwanderungsländer hielten ihre Tore lange Zeit fest verschlossen und die Gründung des jüdischen Staates wurde erst im Mai 1948 verwirklicht. So dauerte der Aufenthalt im Land der Täter, der für viele Überlebende nur ein Zwischenstopp sein sollte, meist jahrelang.

Juden nutzten diese Zeit in den DP-Lagern, um sich selbstorganisiert und relativ abgeschottet auf ihr zukünftiges Leben vorzubereiten. In der Ulanenkaserne in Bamberg entstand eine autonome jüdische Stadt und in der Region einige Kibbuzim, es wurden Schulen, politische Vereinigungen, soziale Organisationen und Sportvereine gegründet – wie etwa Hapoel Scheßlitz, Elizur Aschbach oder Hakoach Bamberg.

Film „Der Kibbuz auf dem Streicher-Hof“

Der Pleikershof (LK Fürth) hat eine bewegte Geschichte: Bis Kriegsende im Besitz des NS-Gauleiters und „Stürmer“-Herausgebers Julius Streicher entstand ab Herbst 1945 darauf ein Kibbuz – eine jüdische Kollektivsiedlung. Hier fanden bis zu 150 Überlebende der Shoa vorübergehend ein sicheres Zuhause und konnten sich auf ihre Zukunft als Landwirte in Israel vorbereiten. Nirgendwo sonst wird die widersinnige Situation eines jüdischen Neubeginns im Land der Täter so deutlich, wie bei der Einrichtung des „Kibbuz auf dem Streicher-Hof“.

Vortrag und Filmvorführung am 12. November 2015, 19.00 Uhr

  • Referent: Jim G. Tobias, Nürnberger Institut für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts
  • Ort: Jüdisches Lehrhaus Bamberg, Willy-Lessing-Str. 7a – 96047 Bamberg (barrierefrei)
  • Veranstalter: Willy-Aron-Gesellschaft Bamberg e.V. und IKG – Israelitische Kultusgemeinde / Jüdisches Lehrhaus Bamberg

Es ergeht herzliche Einladung!