Erzbischof Ludwig Schick zu Besuch in der Bamberger TelefonSeelsorge

Symbolbild Religion

Ein Erfolg der leisen Töne

(bbk) 60 Jahre TelefonSeelsorge in Deutschland – 10 Jahre in Bamberg. 60 Jahre Hilfe für verzweifelte Menschen in Notsituationen. Anlass genug, um der TelefonSeelsorge, deren Wirken sich vornehmlich hinter geschlossener Tür und im Hintergrund zeigt, Aufmerksamkeit zu schenken. Mit einem Aktionstag, organisiert von der TelefonSeelsorge Deutschland, waren gestern evangelische und katholische Bischöfe im ganzen Bundesgebiet eingeladen, eine der 105 Seelsorgestellen zu besuchen, um sich ein Bild von der Arbeit der Ehrenamtlichen zu machen. Im Zentrum der Gespräche stand die Alltagswirklichkeit der Gespräche am Telefon und der Praxis der Chatberatung.

Erzbischof Ludwig Schick besuchte die Mitarbeitenden der Ökumenischen TelefonSeelsorge Bamberg und bedankte sich für ihre Arbeit. „Die TelefonSeelsorge ist ein gutes, wichtiges und vorallem auch notwendiges Instrument, um den Menschen beizustehen, an ihren Ängsten und ihren Freuden teilzuhaben und sie zu unterstützen“, betonte Schick am Montagabend. Kirche müsse alle Mittel und Kommunikationswege nutzen, um bei den Menschen präsent zu sein und die Frohe Botschaft zu verkünden. Das Telefon und gerade auch der Chat ermögliche es dabei auf besondere Art, völlig anonym mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die sich auf anderen Wegen nicht offenbaren möchten. „Die Telefonseelsorge ist eine Erfolgsgeschichte und ich danke allen Helfenden für ihren enormen Einsatz.“

Die hohe Inanspruchnahme der TelefonSeelsorge war ebenso Thema der Gespräche, wie die große Bandbreite der Anliegen der Anrufenden beziehungsweise der Online-Ratsuchenden. Etwa 25 Gespräche führen die Ehrenamtlichen in Bamberg pro Tag, bei einem 24 Stundenservice. Dazu kommen regelmäßig missbräuchliche Anrufe und Aufleger. Die meisten Anrufer sind zwischen 30 und 60 Jahre alt, zwei Drittel der Hilfesuchenden sind Frauen, ein Drittel Männer. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen drei große Themenbereiche. „Die meisten Menschen, die bei uns anrufen, leiden an psychischen Erkrankungen, an Ehe/Partnerkonflikten oder an Problemen im Familienbereich – beispielsweise an Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Kindern oder Geschwistern untereinander“, erläuterte Susanne Röhner, Leiterin des Bamberger TelefonSeelsorgeteams.

In erster Linie gehe es darum, den Menschen einen Raum für Gespräche zu bieten, gemeinsam mit ihnen nach Lösungen für ihre Probleme zu suchen und sie gegebenenfalls zu motivieren, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Gemeinsam mit zwei weiteren hauptamtlichen Mitarbeiterinnen organisiert Röhner die etwa 80 Ehrenamtlichen und kümmert sich um Ausbildungskurse. „Wir suchen regelmäßig neue Mitarbeitende, die bereit sind, uns zu unterstützen“, so Röhner. Alle zwei Jahre bietet sie Ausbildungskurse an. Besondere Fachkenntnisse seien nicht gefordert, dafür aber ein stabiler und verlässlicher Charakter. „Unsere Arbeit ist hart, dessen muss man sich bewusst sein.“ Der aktuelle Kurs läuft gerade an – zwölf Frauen und Männer werden in den nächsten Monaten ausgebildet. Wer Interesse hat in zwei Jahren dabei zu sein, der kann sich im Netz unter www.telefonseelsorge-bamberg.de informieren und mit Susanne Röhner in Kontakt treten.

Hintergrund

Am 2. November 1953 platzierte der anglikanische Pfarrer Chad Varah in London erstmals das telefonische Angebot: Before you commit suizide, ring me up! („Bevor Du beschließt. Dich umzubringen, ruf mich an!“) In der Folgezeit erhielt Varah eine Flut von Anrufen. Er setzte sein Angebot kontinuierlich fort, wurde in kurzer Zeit von vielen Freiwilligen unterstützt und gilt so als der Gründervater der TelefonSeelsorge. In Berlin wurde die Idee von dem Arzt und evangelischen Pfarrer Klaus Thomas aufgenommen. Dieser rief 1954 zu einer praktischen „Lebensmüdenbetreuung“ auf, versammelte Seelsorger und Psychiater um sich, um nach dem Londoner Modell einen telefonischen Suizidverhütungsdienst einzurichten. Im Oktober 1956 wurde eine private Telefonnummer für die „Ärztliche Lebensmüdenbetreuung“ in der Presse veröffentlicht. Dies ist die Geburtsstunde der TelefonSeelsorge in Deutschland.