Blick über den Zaun: Vorbild in Sachen Inklusion
Im Tropenhaus in Kleintettau (Lkr. Kronach) gibt es ein deutschlandweit einzigartiges Besucherführungskonzept
Weit und breit einzigartig ist das Tropenhaus am Rennsteig in Kleintettau nicht nur wegen der Auswahl an exotischen Früchten und Pflanzen oder der tropischen Speisefische. Einzigartig in Deutschland ist auch das komplett barrierefreie Besucherführungskonzept. Neben Rollstuhlfahrern können somit auch Seh- und Hörgeschädigte an den Führungen teilnehmen. Bezirkstagspräsident Dr. Günther Denzler informierte sich im Rahmen seines Sozialbesuches vor Ort über das inklusive Angebot.
„Was hier entstanden ist, ist absolut beeindruckend. Würde dieses Gebäude in München oder Berlin stehen, wäre es wohl jeden Tag völlig überlaufen“, staunte Bezirkstagspräsident Dr. Günther Denzler bei seinem Sozialbesuch im Tropenhaus am Rennsteig in Kleintettau. In Begleitung von Angela Trautmann-Janovsky, Leiterin der Sozialverwaltung des Bezirks Oberfranken, dem Behindertenbeauftragten des Bezirks Oberfranken, Egon Feilner und Bürgermeister Peter Ebertsch ließ sich Denzler sowohl über die Forschungseinrichtung als auch über das derzeit deutschlandweit einzigartige Besucherleitsystem informieren. Zwar habe er bereits viel darüber gelesen. Doch wie umfangreich hier geforscht, wie nachhaltig gearbeitet und vor allem wie umfassend das wichtige Thema Inklusion angegangen werde, davon war Denzler am Ende sichtlich beeindruckt.
Ralf Schmitt, ideenreicher Geschäftsführer des Tropenhauses, erläuterte zu Beginn des Sozialbesuches die Entstehungsgeschichte der 3500 Quadratmeter umfassenden Gewächshäuser. „Barrierefreiheit war für uns schon immer ein wichtiges Anliegen. Wir haben vor dem Hintergrund der Inklusion von Menschen mit Behinderung von Beginn an nicht nur an die Rollstuhlfahrer oder Senioren mit Rollatoren gedacht“, erläuterte Schmitt die Idee hinter den kleinen schwarzen Geräten am Eingang. Die 20 mobiltelefonartigen Multimediaguides sind einfach zu bedienen und ermöglichen es auch seh- oder hörgeschädigten Menschen, die tropische Vielfalt in den Gewächshäusern zu erkunden.
Nicht nur, dass die Tastaturen mit Brailleschrift speziell auf die Bedürfnisse von Sehbehinderten angepasst sind. Die Erläuterungen in deutscher und bald auch in englischer Sprache sind mit akustischen Einspielungen hinterlegt: Geräusche und Musik sollen zusätzliche atmosphärische Eindrücke vermitteln. So hört man beispielsweise Blätterrascheln, wenn man an einer der großen Palmen entlang läuft. Für Hörgeschädigte steht auf dem Gerät ein großes Display bereit, auf dem die Tour in Gebärdensprache erklärt wird. „Wir haben dafür eng mit den großen Behindertenverbänden zusammengearbeitet und professionelle Gebärdensprachdolmetscher ins Boot geholt“, beschreibt Schmitt die großen Anstrengungen. In Summe habe man über 30.000 Euro investiert, finanziell unterstützt von der Sparkassenstiftung. Neben Kleintettau hätten nur das Nationalmuseum in Ankara und ein weiteres Museum in Wien eine vergleichbare Ausstattung.
Schmitt will sich darauf jedoch nicht ausruhen. Ihm schweben haptische Stationen vor, an denen sehbehinderte Menschen vor allem über den Tast- und den Geruchssinn noch näher an die tropische Pflanzenwelt herangeführt werden sollen. Ein Antrag auf Bezuschussung laufe derzeit. In das Tropenhaus am Rennsteig könne aber schon jetzt jeder kommen und über den Anbau exotischer Früchte im Gewächshaus staunen, egal ob mit oder ohne Behinderung, stellte Angela Trautmann-Janovsky am Ende des zweistündigen Rundgangs fest. „Das ist gelebte Inklusion: Das komplette Angebot steht allen, ob alt oder jung, behindert oder nicht behindert, in gleicher Weise zur Verfügung“, lobt die Leiterin der Sozialverwaltung.
INFO:
Beeindruckend war für die Besucher an diesem Tag aber auch die Vielfalt der exotischen Früchte, wie Papayas, Guaven oder Noni, die inmitten des eher rauhen Klimas zwischen Frankenwald und Rennsteig wachsen. Die Frucht Lulo werde außer in Südamerika nur noch in Kleintettau produziert und koste am Viktualienmarkt in München ein kleines Vermögen, erläuterte Schmitt stolz. Stolz sei das Tropenhaus aber auch über die Abwärmenutzung aus der benachbarten Glasfabrik. Knapp die Hälfte der benötigten Energie komme als Abfallprodukt des Glasherstellungsprozesses per Fernwärmeleitung in das Tropenhaus, den restlichen Energiebedarf deckt größtenteils die Sonne ab. Einen eigenen Kreislauf bildet auch das eingesetzte Polykultursystem, in dem die tropischen Speisefische wie Tilapia eingebunden sind. „Das Wasser der Fischzuchtanlage dient zusätzlich als Dünger der Pflanzen. Diese filtern das Wasser, bevor es wieder in die Fischtanks zurückfließt“, erläuterte Geschäftsführer Ralf Schmitt.
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