Sonntagsgedanken: (K)ein hoffnungsloser Fall
Da trägt sich eine Familientragödie zu: Angestiftet von seiner Mutter Rebekka betrügt Jakob seinen altersschwachen Vater und seinen etwas naiven Bruder Esau. Die Gaunerei kommt heraus, Jakob muss fliehen. Wie ging es wohl zuhause weiter? Hat sich Esau an seiner Mutter gerächt? Hat Isaak seiner Frau verziehen? Hat sie ihre Tat bereut? Oder machte sich feindseliges Schweigen breit? Wie lange musste der Hass gewachsen sein, dass Eltern und Geschwister einander das antun konnten! Konflikte zwischen Ehepartnern, zwischen Eltern und Kindern, zwischen den Geschwistern sind normal. Wichtig ist es, rechtzeitig, ehrlich, vernünftig alles zu besprechen, nach akzeptablen Lösungen zu suchen, was nur mit Gottes Beistand gelingt. Wenn es dann doch zum offenen Streit kommt, sollte jeder bemüht sein, den ersten Schritt zur Versöhnung zu tun. Erpressungsversuche, Drohungen, Klagen und Vorwürfe zerstören dagegen die Familie.
Jakobs Familie hat an diesem Punkt versagt. So lebensnah erzählt die Bibel. Jakob flieht, getrieben von Angst, von Schuldgefühlen, einem ungewissen Schicksal entgegen. Heute geht es vielen jugendlichen Ausreißern ähnlich. Sie schweben in der Gefahr, entweder selbst kriminell zu werden oder einem Verbrecher in die Hände zu fallen. Der Landstreicher Jakob träumt Seltsames, dass Gott ihm erscheine. Gott aber beschimpft oder verlacht ihn nicht, sondern verspricht, dass er Jakob durch Höhen und Tiefen begleiten werde, ja dass Jakob dieses Land als Eigentum erhalten wird, dass er zum Segen für alle Völker wird. Jakob vertraut diesem Traum – zu Recht.
Der Gott der Bibel ist keine abstrakte Idee, etwa das Ideal der Gerechtigkeit, erst recht kein dumpfes Schicksal. Nach menschlichem Maß war Jakob erledigt, man hielt ihn damals, man hält seine Schicksalsgenossen heute für asozial, für Herumtreiber, für Parasiten. Doch so wie Gott mit diesem Jakob große Pläne hatte, will er auch die Obdachlosen, die Drogensüchtigen, die Strafgefangenen unserer Zeit glücklich machen. Vielleicht kann mancher von denen noch seinen Mitmenschen zum Segen werden. Die Gestrauchelten sollten sich nur vor Trotz und Selbstmitleid hüten.
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Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
Infos zu Christian Karl Fuchs:
- geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
- Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
- Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
- Promotion zum Dr. theol. 1995
- Ordination zum ev. Pfarrer 1996
- Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
- seither in Neustadt/Aisch
- blind
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