Trockenheit: Fischereirat spricht von katastrophaler Lage in Oberfranken
Notruf aus dem Karpfenteich
Wenn Fische schreien könnten, man könnte sie derzeit in ganz Oberfranken lautstark hören. Die Hitzewelle mit lang anhaltender Trockenheit und die niedrigen Grundwasserstände aus dem Frühjahr haben dazu geführt, dass viele oberfränkische Gewässer Gefahr laufen umzukippen oder zu versiegen. „Die Lage ist katastrophal. Wir sind bereits seit Tagen dabei, Fische zu bergen wo immer es geht, Schäden aufzunehmen und die heimischen Gewässer genau zu beobachten“, erläutert Dr. Thomas Speierl, Leiter der Fachberatung für Fischerei des Bezirks Oberfranken.
„Die Notrufe der Fische kommen aus ganz Oberfranken: vom Frankenwald bis zum Aischgrund, von Bamberg bis Regnitzlosau, die Lage spitzt sich stetig zu“, beschreibt der Fischereirat die höchst kritische Situation. Die Wetterumstände der letzten Wochen hätten dazu geführt, dass die Wasserabflüsse in ganz Oberfranken mittlerweile sehr niedrig sind. Durch die starke Verdunstung und Erwärmung hat der Sauerstoffgehalt in den Fließgewässern und vielen Teichen bereits dauerhaft abgenommen.
„Gerade an den Oberläufen der Bäche und Flüsse merken wir das gewaltig. Normalerweise führen diese Gewässerbereiche auch im Sommer kühles Wasser und sind somit der geeignete Lebensraum für Bachforelle, Mühlkoppe, Elritze, Rutte und Bachneunauge. Wenn die meist abflussschwachen Oberläufe nicht schon ausgetrocknet sind, wie z. B. am westlichen Juraabfall zum Regnitztal hin, haben sie sich in vielen Bereich bereits kritisch aufgeheizt – für Bachforelle und Co. ist es dramatisch “, so der promovierte Biologe.
Für die Fische gibt es weitere Probleme. Durch zahlreiche Privatausleitungen aus den Bächen und Flüssen verschärfe sich die Lage zusätzlich. „Wir müssen nach wie vor feststellen, dass Gewässeranrainer immer noch Wasser aus den Bächen zum Gießen des Gartens abpumpen bzw. verwenden, obwohl die Regierung von Oberfranken den Anliegergebrauch und Gemeingebrauch zur Wasserentnahme bereits verboten hat“, schüttelt Speierl verständnislos mit dem Kopf: „Man muss in diesem Jahrhundertsommer keinen sattgrünen englischen Rasen haben. Bitte denken Sie beim nächsten Gießen auch an unsere heimischen Fischarten!“ Wenn die eigenen Regenwasser-Vorräte aufgebraucht seien und es keine Beschränkungen des Wasserversorgers gibt, sei das Wässern aus der Leitung der richtige Weg. „In Oberfranken kosten 1.000 Liter Wasser zwischen einem und zwei Euro. Diese Wassermenge bietet in einem Bach bis zu 50 Bachforellen Lebensraum. Mit durchschnittlichen 1,50 Euro können sie in dieser angespannten Situation vielen unserer bedrohten Fische das Leben retten“, appelliert der Fischereirat an die Gewässeranrainer.
Überlebenswichtig, besonders für Kaltwasser liebende Fischarten, sei auch die Einhaltung der vorgegebenen Restwassermengen an Wasserkraftanlagen und Fischaufstiegen, um den Fischen Rückzugsmöglichkeiten zu sichern. „Wir stehen hier in engen Kontakt mit den Wasserwirtschaftsämtern Kronach und Hof. Zum Beispiel werden an der Eger die Restwassermengen gut eingehalten, viele Wasserkraftwerke sind wegen des wenigen Wassers bereits abgeschaltet.“
Kritisch stellt sich die Situation auch in der Lehranstalt für Fischerei des Bezirks Oberfranken in Aufseß dar. Die dortige Teichanlage und das Bruthaus werden für gewöhnlich aus Quellzuläufen gespeist. Auch hier gingen die Wasserstände stetig zurück. „Glücklicherweise haben wir noch ausreichend Sauerstoff in unseren Forellenteichen und im Bruthaus, um nicht notabfischen zu müssen“, erklärt Fischwirtschaftsmeisterin Amanda Dornelas, „aber die Sauerstoffversorgung im Karpfenteich ist kritisch“.
Kritische Sauerstoffwerte, zu wenig Wasser, zu hohe Temperaturen, Algenblüten und die ständige Gefahr, dass das Gewässer umkippt – das alles schwebt aktuell wie ein Damoklesschwert über den Köpfen vieler Teichwirte. „Um das Wasser nicht zusätzlich zu belasten, haben viele Fischbauern die Zufütterung bei ihren Karpfen schon eingestellt. Die zukünftigen Speisekarpfen sind vielerorts zu klein – Einbußen bei der Ernte im Herbst sind vorprogrammiert. Wir hoffen jedoch zum Wohle unserer heimischen Fischarten und der Teichwirtschaft auf eine deutliche Abkühlung und auf ergiebige Niederschläge zum Wochenende“, blickt Dr. Thomas Speierl gebannt auf die Wettervorhersagen, die zumindest von einer vorrübergehende Wetteränderung ausgehen. Das ganze Ausmaß der Schäden im Fischbestand und der Teichwirtschaft durch die Hitzewelle kann erst in ein paar Wochen prognostiziert werden. Denn dann beginnt die Fischsaison.
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