Artikelserie “Energiewende – muss das sein?”: 26. Sicherheit und Risiko – Atomkraftwerke, Bewertung des Risikos
In der letzten Folge hatten wir für eine Eintrittswahrscheinlichkeit eines SuperGAUs für alle Kernkraftwerke weltweit eine MTBF von 25 bzw. 17 Jahren ermittelt. Diese Rechnung basierte jedoch nur auf der technischen Zuverlässigkeit der Anlagen, d.h. mögliche Unfallursache ist nur „technisches Versagen“. Zur Erinnerung: weder Tschernobyl noch Fukushima hatten technisches Versagen als Ursache. Es wäre also recht blauäugig Sicherheitsüberlegungen nur auf technische Aspekte abzustützen.
Die Grenzen zwischen den 3 Unfallursachen sind fließend. Ein technisches Versagen kann durch mangelnde Wartung sowie durch unerkannte Konstruktionsfehler entstehen. Umgekehrt kann ein unerkanntes technisches Versagen eine Fehlbedienung mit Unfallfolgen provozieren. Und höhere Gewalt? Zum Beispiel Fukushima: Wenn ein Kernkraftwerk an einer Stelle aufgebaut wird, wo ein „Jahrtausendereignis“ alle Sicherheitseinrichtungen zunichtemachen kann (es war bekannt, dass im 8. oder 9. Jahrhundert diese Gegend von einem Erdbeben und Tsunami ähnlicher Größenordnung betroffen war), kommen schon Zweifel an der menschlichen Entscheidung für den Standort auf. Die Ausfallsicherheit der Technik kann beliebig hoch sein, unter diesen Umständen ist die Ausfallsicherheit dieser Anlage nicht besser als „1 in 1.000 Jahren“.
Eine grundlegende Erkenntnis der Unfallforschung lautet: Unabhängig von der nachträglichen Feststellung der Unfallursachen, ist der Mensch am gesamten Unfallgeschehen zu 80% beteiligt. Auch wenn er den Unfall nicht direkt auslöst, bei richtigem Verhalten während des Unfallgeschehens hätte er ihn vielleicht verhindern oder den Schaden mindern können. Der größte Unsicherheitsfaktor in der Unfallprävention ist der Mensch.
Das Max Planck-Institut in Mainz macht deshalb für seine Arbeiten einen anderen Ansatz. Es bezieht alle bisherigen Unfälle in Kernkraftwerken, unabhängig von deren Ursachen, auf deren gesamte Betriebsstundenzahl. Das Ergebnis: Weltweit ist alle 10 bis 20 Jahre mit einem SuperGAU zu rechnen. Diese Methodik ist unabhängig von der Unfallursache, sie beinhaltet also alle Ursachen. Nach dieser Untersuchung sind – wegen der hohen Reaktordichte – in Westeuropa bei einer einzigen Kernschmelze etwa 28 Millionen Menschen von einer schädlichen radioaktiven Kontamination betroffen. Hier die komplette Pressemeldung.
Wie ist das nun mit dem Restrisiko bei Kernkraftwerken? Die internationale Norm DIN EN ISO 12100 behandelt ganz allgemein das Risiko. Es wird eine Methodik festgelegt, wie die Sicherheit technischer Produkte und das von ihnen ausgehende Risiko zu beurteilen ist, sowie eine erforderliche Risikominderung bei nicht akzeptablem Risiko. Diese Methodik entspricht sehr gut dem, wie Menschen subjektiv ein Risiko empfinden und auch bewerten.
Risiko ist definiert als: „Kombination der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens und seines Schadensausmaßes“. Dies beschreibt die subjektive Empfindung eines Risikos, denn es gibt keinen objektiven Maßstab für die Höhe eines Risikos. Ein seltenes Ereignis mit kleinem Schaden empfinden wir sicher als kleines Risiko. Umgekehrt wird ein häufiges Ereignis mit großem Schaden sicher als hohes Risiko eingestuft. Schwieriger wird es bei einem seltenen Schadenseintritt mit hohem Schaden, oder einem häufigen Schadenseintritt mit niedrigem Schaden. Da können die Meinungen schon auseinander gehen. Aber es macht auch deutlich, dass es kein „Null-Risiko“ gibt, außer es tritt kein Schaden auf.
Die Bewertung eines Risikos kann daher nur lauten „akzeptabel“ oder „nicht akzeptabel“. Falls das Urteil „nicht akzeptabel“ lautet, verlangt die Norm „Risiko mindernde Maßnahmen“, bis das „Restrisiko“ akzeptabel ist. Das Restrisiko ist definiert als ein „Risiko das verbleibt, nachdem Schutzmaßnahmen getroffen wurden“.
Was diese Risikobetrachtung für Kernkraftwerke bedeutet schauen wir uns in der nächsten Folge an.
Dieter Lenzkes
Bürger-für-Bürger-Energie
www.bfb-energie.de
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