Leserbrief: "Schilderwald"
Der Presse ist zu entnehmen, daß Sie sich gegenüber der Stadt Bamberg für eine deutliche Lichtung des sogenannten „Schilderwalds“ einsetzen.
Dieses Anliegen ist im Grunde begrüßenswert. Denn ein Übermaß führt zu Unübersichtlichkeit. Arg erstaunt, besser formuliert, verärgert war ich jedoch, als ich unter den Ihrerseits vorgebrachten Begründungen las, dies könne beim Einparken drohende Schäden an Kraftfahrzeugen vermeiden. Nicht, daß ich etwas gegen diese Motivation vorbringen wollte – nein: Aber die Relation ist doch mehr als fragwürdig.
Reihenweise stehen in Bamberg Verkehrsschilder, aber auch andere Hindernisse (Pflanzbehälter, Abfallkörbe, Schaltkästen, Licht- und Signalmasten und vieles weitere mehr) ohne jeglichen, geschweige denn ausreichenden Abstand zu Radverkehrswegen – teilweise sogar in der Wegeflucht oder im Weg selbst. Dies bringt ein erhebliches Unfallrisiko mit sich (am vergangenen Freitag erst verunglückte aus diesem Grund ein 75-Jähriger an der Einmündung des Münchner Rings in den Berliner Ring), führt zu deutlicher Behinderung und beeinträchtigt die Konzentration auf das Verkehrsgeschehen. Die technischen Regelwerke, die verbindlich zu beachten wären, sehen einen seitlichen Sicherheitsraum von 0,25 m vor. Die Situation wird noch dadurch verschlimmert, daß die Radverkehrswege selbst nicht die vorgesehene Dimensionierung aufweisen, sie vielfach sogar deutlich unterschreiten.
Auch die zahlreichen Schilder, welche unzulässigerweise Radwegbenutzungspflichten anordnen, gefährden den Verkehr in nicht hinzunehmender Weise. Mit Wirkung ab Oktober 1997 (!) gibt es in Deutschland keine allgemeine Radwegbenutzungspflicht mehr. Die seinerzeitige StVO-Novelle trägt die Unterschriften der damaligen Minister Matthias Wißmann (Verkehr) und Angela Merkel (Umwelt). Grund: Gerade auf Radwegen ist das Unfallrisiko deutlich höher als auf der Fahrbahn. Minister Ramsauer hatte dem Vernehmen nach zwar beabsichtigt, das Rad zurückzudrehen. Er konnte sich aber nicht gegen die fundierten fachlichen Bedenken durchsetzen.
Benutzungspflicht darf nur im begründeten Ausnahmefall angeordnet werden, um eine durch die Örtlichkeit bedingte, das normale Maß erheblich übersteigende Gefahrenlage zu entschärfen – was sie im Regelfall nicht kann. Diese Gefahrenlage ist konkret nachzuweisen. Es ist nicht zulässig, sich auf allgemeine Sicherheitserwägungen oder ausschließlich auf die vorhandene Verkehrsbelastung zu berufen.
Doch auch eine entsprechende Gefahrenlage rechtfertigt die Anordnung der Benutzungspflicht nicht ohne weiteres. Der Radweg muß die in den einschlägigen Regelwerken niedergelegten Qualitätsanforderungen erfüllen und ausreichenden Platz für den unbehinderten fußläufigen Verkehr auch im Begegnungsfall mit Rollstuhl bzw. Kinderwagen belassen (bei schwachem Fußgängeraufkommen gilt ein Regelmaß von 2,50 m verbleibender Gehwegbreite). In Bamberg ist kein einziger straßenbegleitender Radweg bekannt, der diesen Bedingungen auch nur annähernd genügt.
Das Verwaltungsgericht Dresden, in der Berufungsinstanz bestätigt, hat die Benutzungspflicht für einen unzureichenden – und damit gefährlichen – Radweg verworfen, obwohl die Verkehrsbehörde ein Kraftverkehrsaufkommen von rund 23000 Fahrzeugen täglich sowie einen erheblichen Schwerverkehrsanteil, Linienbus- und Straßenbahnverkehr ins Feld geführt hatte.
Die Bamberger Verkehrsbehörden hingegen haben bis heute nicht begriffen, was der Begriff „Vorschrift“ beinhaltet. Sie sind offensichtlich wie in grauer Vorzeit der Auffassung, gegenüber dem Radverkehr willkürlich nach eigenem Gutdünken vorgehen zu können.
Es wäre sehr begrüßenswert, wenn Sie sich im Sinne vorstehender Ausführungen verwendeten. Die Beseitigung der zu dicht an und auf Radverkehrswegen befindlichen Hindernisse sowie die Entfernung der rechtswidrig Radwegbenutzungspflicht anordnenden Schilder vermiede nicht nur geringfügige Lack- und Blechschäden. Sie beugte der Gefahr teils schwerer, auch tödlicher Verletzungen vor. Und ganz nebenbei machte sie den Radverkehr sicherer, angenehmer und komfortabler.
Zur themenbezogenen Lektüre empfehle ich:
Radverkehrshandbuch Radlland Bayern (trotz einiger Schwächen):
http://www.bestellen.bayern.de/application/stmug_app000044?SID=1272205451&ACTIONxSESSxSHOWPIC(BILDxKEY:03500089,BILDxCLASS:Artikel,BILDxTYPE:PDF)=Z
Seitliche Sicherheitsabstände:
http://www.adfc-weimar.de/download/Seitenabstand.pdf
Pannenflicken:
http://www.cycleride.de/index.php/aktionen/pannenflicken
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig
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