Artikelserie “Energiewende – muss das sein?”: 17. Klima – die Bedeutung der Zeitkonstanten

Wie lassen sich die Erkenntnisse unseres kleinen Experimentes der letzten Ausgabe auf unsere Umwelt anwenden?

Foto: Uberprutser, CC-BY-SA-3.0-nl

Foto: Uberprutser, CC-BY-SA-3.0-nl

Zur thermischen Zeitkonstante: Bei unserem Wassertopf (kleine Masse) hatten wir es mit Zeitkonstanten im Minutenbereich zu tun. Die Verdopplung der Wassermenge verdoppelte auch die Zeitkonstante.

Bei einem Haus (größere Masse) haben wir Zeitkonstanten im Stundenbereich. Erkennbar daran, dass es einige Stunden dauert bis nach Einschalten der Heizung die Zimmer warm werden, bzw. nach deren Abschalten es nicht sofort kalt wird.

Wird das Haus zusätzlich isoliert, d.h. die Energieabfuhr behindert, wird auch der Energieaufwand kleiner, um innen dieselbe Beharrungstemperatur zu erreichen, bzw. bei gleichem Energieaufwand steigt die Innentemperatur in der gleichen Zeit auf eine höhere Temperatur.

Mit diesem Wissen wird auch verständlich, warum große Dampfkraftwerke, wie in Kapitel 9 und 10 beschrieben, so träge und für schnelle Regelvorgänge ungeeignet sind. Um den Heißdampf zu erzeugen, welcher die Energie der Primärenergie (Kohle, Uran) zur Dampfturbine transportiert, müssen erhebliche Wassermengen verkocht und weiter aufgeheizt werden. Hier ergeben sich thermische Zeitkonstanten im Stundenbereich. Solche Vorgänge können nicht schneller geregelt werden als es die thermische Zeitkonstante zulässt.

Diese Zusammenhänge gelten auch für den ganzen Erdball, allerdings etwas komplexer. Die Erde ist kein homogenes Gebilde wie ein Wassertopf. Sie besteht aus riesigen Wasserflächen die sich thermisch anders verhalten als Landflächen. Diese sind thermisch auch nicht homogen. Felsengebirge, Wüstensand, tropische Regenwälder, Schnee- und Eisflächen – alle haben ein unterschiedliches thermisches Verhalten. Hinzu kommt, dass es zu erheblichen lokalen Unterschieden und zeitlichen Veränderungen kommt, obwohl die Energieeinstrahlung der Sonne annähernd konstant ist.

Wir haben einen extremen Tag-Nacht Rhythmus, zwischen maximaler Energieeinstrahlung um die Mittagszeit und null Einstrahlung in der Nacht. Hier ergeben sich Zeitkonstanten im Stundenbereich. Erkennbar daran, dass die höchsten Tagestemperaturen erst gegen 15:00 Uhr auftreten und, nach Sonnenuntergang, noch stundenlang angenehme Temperaturen herrschen.

Wir haben einen ausgeprägten Jahreszeiten Rhythmus. Hier ergeben sich Zeitkonstanten im Wochen bis Monatsbereich. Erkennbar daran, dass die höchsten Sommertemperaturen nicht zum Zeitpunkt der höchsten Einstrahlung, der Sommersonnwende, auftreten, sondern 1 bis 2 Monate später. Genauso sind die kältesten Wintertemperaturen nicht bei der Wintersonnwende, sondern meist erst im Januar/Februar.

Diese Vorgänge sind ineinander geschachtelt, beeinflussen sich gegenseitig und sind sehr stark von lokalen Einflüssen geprägt, z.B. Küstennähe oder Hochgebirge. Will man wissen, wie sich bestimmte Veränderungen auf den gesamten Erdball auswirken, müssen diese lokalen und zeitlichen Einflüsse herausgefiltert werden. Dazu dient ein rechnerischer Temperaturwert, der einen Mittelwert über alle Regionen der Erde und über mehrere Jahre, abbildet. Hier wirkt sich die ungeheuer große Masse der Erde aus. Es ergeben sich thermische Zeitkonstanten im Bereich mehrerer Jahrzehnte, vielleicht ein Jahrhundert. Deshalb wird uns eine Klimaveränderung nicht unmittelbar bewusst, weil sie in Zeiträumen abläuft, die größer sind als unsere persönliche Lebenserfahrung.

Jedoch die Tatsache, dass wir durch Messwerte über einen Zeitraum von etwa 150 Jahren eine kontinuierliche Klimaerwärmung feststellen können, lässt den Schluss zu, dass sich an der Energiebilanz der Erde etwas geändert hat. Hierzu mehr in den nächsten Folgen.

Dieter Lenzkes
Bürger-für-Bürger-Energie
www.bfb-energie.de

Hintergrund zu dieser Serie

Alle Artikel der Serie