Ein Zentrum für Sprachförderung in Bayreuth
Auf Wunsch ihrer Eltern erhalten Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsverzögerungen im Bereich „Sprache“ in der Markgrafenschule Bayreuth Unterstützung zur sprachlichen Weiterentwicklung – solange bis sie für die (Wieder-)Eingliederung in eine Regelschule bereit sind. Auf die Einschränkungen im Bereich des sprachlichen Handelns möchte am Freitag, 6. März der Europäische Tag der Logopädie hinweisen.
Sprachliche Kommunikation ist ein zentraler Bestandteil im menschlichen Leben. Bei der sozialen Interaktion ist sie genauso wichtig wie bei der Aneignung von Wissen. Sprechen, Schreiben, Lesen – das alles geschieht auf Basis eines komplexen Sprachsystems. Durch die Kombination von Buchstaben, Wörtern und Sätzen versenden wir Botschaften an unser Umfeld. Die Bedeutung einer Mitteilung kann jedoch nur einwandfrei entschlüsselt werden, wenn Sender und Empfänger mit den gleichen sprachlichen Werkzeugen und Regeln arbeiten.
Was geschieht also, wenn Kinder durch Sprachauffälligkeiten in ihrem sprachlichen Handeln und ihrer Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt sind? Wird der Besuch einer Regelschule durch nichtaltersgemäße Sprachentwicklung infrage gestellt, sind Förderzentren wie die Markgrafenschule Bayreuth ein Ort, an dem die Sprachprobleme angegangen werden können. Sachaufwandsträger für die staatliche Förderschule ist der Bezirk Oberfranken, der zusätzlich für die Fördermaßnahmen einer Tagesstätte aufkommt, die sich ebenfalls auf dem Gelände des Sprachzentrums befindet. Unter dem Einsatz sonderpädagogischer Methoden wird in den unterschiedlichen Einrichtungen an der Behebung, Verringerung oder Kompensation sprachlicher Auffälligkeiten gearbeitet.
Die Kinder haben Probleme im Spracherwerb, der Sprechtätigkeit oder im aussagekräftigen Einsatz von Sprache. „Am häufigsten treten Sprachentwicklungsstörungen auf“, erzählt Rudolf Meyer, der Rektor der Markgrafenschule, „Die Kinder sind in ihren Sprachverarbeitungsfähigkeiten stark beeinträchtigt und können deswegen die Aussprache, die Grammatik und den Wortschatz unserer Sprache nicht angemessen erlernen.“ Die sprachliche Förderung, gezielt abgestimmt auf den Förderbedarf jedes einzelnen Schülers, sei daher das grundlegende Prinzip der Arbeit an der Markgrafenschule.
Da die Sprachprobleme oftmals an Lern- und Verhaltensschwierigkeiten anknüpfen, haben viele der betroffenen Kinder auch Schwierigkeiten im Erlernen von Lese- und Schreibkompetenzen. Um dem entgegenzuwirken, müsse man Sprachstörungen frühzeitig identifizieren und bereits im vorschulischen Bereich so fördern, dass die kindlichen Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten entscheidend verbessert werden, erläutert Meyer. Ähnlich wie ein klassischer Kindergarten, betreut die Schulvorbereitende Einrichtung (SVE) der Schule daher Kinder im Alter von drei Jahren bis zur Einschulung. Gut 80 Prozent der 217 Kinder besuchen derzeit die SVE und die Grundschule. Für den Rektor sind diese Zahlen ein Beleg für den Erfolg der Sprachtherapie in jungen Jahren. Eine frühzeitige Sprachförderung sei „absolut notwendig und sehr effektiv“, unterstreicht er. Nichtsdestotrotz erzielen die Maßnahmen nicht immer die gewünschten Ergebnisse. Liegen zum Zeitpunkt der Einschulung noch sprachliche Entwicklungsrückstände vor, die den Besuch einer Regelschule einschränken, können Kinder auf Wunsch der Eltern in die erste Klasse der Markgrafenschule aufgenommen werden.
Doch gerade vor dem Hintergrund der andauernden Inklusionsdebatte äußert sich vermehrt Kritik am Fortbestand von Förderschulen. In Deutschland gilt seit 2009 die UNO-Behindertenrechtskonvention, die den Besuch einer Regelschule bei Kindern mit körperlichen oder geistigen Behinderungen bzw. Störungen vorsieht. Das deutsche Schulsystem setzt dem jedoch nach wie vor Grenzen. So könne eine Regelschule Schülern mit intensiveren Sprachförderbedürfnissen ein solches Maß an Unterstützungsmöglichkeiten und sprachheilpädagogischen Kompetenzen kaum anbieten, sagt Meyer. Er plädiert daher für den Erhalt von Sprachheilschulen: „Der Besuch unserer Schule ist für manche Kinder eine große Chance, trotz ihrer massiven sprachlichen Beeinträchtigungen die Schriftsprache sicher zu erwerben, ihre sprachliche Handlungsfähigkeit auszubauen und so ihre Persönlichkeit zu stabilisieren.“
Inklusion sei wichtig, solle aber nicht mit der Brechstange umgesetzt werden, meint auch der oberfränkische Bezirkstagspräsident Dr. Günther Denzler. Zudem sei die Markgrafenschule vornehmlich eine Durchgangsschule. Aus diesem Grund wird nach dem gleichen Lehrplan wie in der Grund- und Mittelschule unterrichtet. „Dies ist unbedingt notwendig, da die Schüler sonst nicht an die Regelschule wechseln könnten“, betont eine Lehrerin der Markgrafenschule. Die geringe Klassenstärke bietet dem Lehrerkollegium den Freiraum die regulären Unterrichtsinhalte nach aktuellen sprachheilpädagogischen Konzepten aufzubereiten. So könne das, was in der Sprachtherapie erarbeitet wird, im Unterricht geübt und angewendet werden. Erst ab der siebten Jahrgangsstufe rückt die Wiedereingliederung in eine Regelschule in den Hintergrund. Das erfolgreiche Absolvieren des Mittelschulabschlusses liegt nun im Fokus. Diese Chance stellt den Jugendlichen die Weichen für ihr späteres Berufsleben und dennoch wäre sie den meisten bei Besuch einer Regelschule entgangen.
Einschränkungen im Bereich des sprachlichen Handelns treten in allen Altersstufen auf. Darauf möchte an diesem Tag auch der der Deutsche Bundesverband für Logopädie (DBL) aufmerksam machen und organisiert alljährlich am 06. März den Europäischen Tag der Logopädie. Unter dem Motto „Plötzlich sprachlos…“ liegt der Fokus dieses Jahr auf sprachlichen Störungen, die im Zusammenhang mit degenerativen Erkrankungen wie Demenz, Parkinson oder Schlaganfällen auftreten können. Auch in diesen Fällen gilt bei der Sprachförderung, was an der Markgrafenschule schon lange Leitlinie ist: zum Sprechen ermutigen und für Kommunikation stark machen.
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