VCD Bamberg: "Haarsträubende Unfallberichte"
Zu den Artikeln des FT über die Tötung einer Radlerin durch einen Lkw-Fahrer am 6. Januar nimmt der Bamberger VCD wie folgt Stellung:
Am 6. Januar hat ein Lkw-Fahrer eine Radlerin um ihr Leben gebracht. Der FT hat dazu am 8. Januar „Tödlicher Unfall bleibt ein Rätsel“ abgedruckt, am 24. „Ermittlungen sind kurz vor dem Abschluss“. Beide Artikel stützen sich im Wesentlichen auf Sprecher der Bamberger Polizei, die auch mehrfach zitiert sind. Wir wissen nicht, wie der entsetzliche Unfall abgelaufen ist. Wir kennen nur diese Berichte und den kurzen Bericht, den die Polizei ins Netz gestellt hat (unter 7. 1.). Die Mängel dieser Erstinformation sind haarsträubend.
- Das „Wahrscheinlichste“, so wird im FT am 8. 1. zitiert, sei, dass beide Fahrzeuge aus der Stadt kamen und beide nach rechts in den Berliner Ring abbiegen wollten. Wer einen aufmerksamen Blick auf die Kreuzung wirft, sieht, dass ein nach rechts abbiegender Radler von einem nach rechts abbiegenden Motorfahrzeug nicht erfasst werden kann. Diese Variante als „die Wahrscheinlichste“ einzustufen, ist grober Unfug.
- Ebenfalls als Zitat steht da „Es kann einen toten Winkel gegeben haben“. Diese Aussage ist richtig und in Bezug auf zwei parallel nach rechts abbiegende Fahrzeuge so abwegig wie die erste. Sie ist, in der ihr zugeordneten Funktion, grober Unfug.
- Der Artikel gibt die Frage wieder „Wie gut konnte der LKW-Fahrer die junge Frau auf ihrem Rad sehen?“ Eine bedachtsame Betrachtung des Unfallorts ließ unmittelbar bemerken: Das lichtstarke Rücklicht des Rads hat noch lange nach dem Aufprall hell geleuchtet, die Kreuzung ist hell ausgeleuchtet, das Fahrrad hatte mehrere hell leuchtende Reflektoren, es war ein heller Tag und das Tageslicht noch nicht am Ende. Wer unter solchen Bedingungen eine Radlerin nicht sieht, ist nicht verkehrstüchtig oder nicht verkehrswillig. In beiden Fällen darf er sich nicht hinter ein Steuer setzen. Die gestellte Frage braucht keinen Gutachter.
- Die Sprecherin der Polizei soll erklärt haben, dass für Polizei und Sachverständigen „Die Frage nach der ‚Erkennbarkeit des Radfahrers‘ Klärung verlangt.“ An einer Kreuzung mit Fußgängerübergang muss ein abbiegendes Motorfahrzeug sogar Fußgänger leben lassen. Fußgänger haben weder Rücklichter noch Front-, Rück- oder Seitenstrahler, und sie sind häufig dunkel gekleidet. Ob das Rad beleuchtet war, ist ganz unerheblich. Auch diese Frage der Sprecherin ist, im Rahmen einer Erstinformation der Öffentlichkeit, grober Unfug.
- Im Artikel am 24. 1. wird der Blutalkoholgehalt der Radlerin zum Thema gemacht, obwohl auch er ganz unerheblich ist für die Frage nach der Verantwortung. Fehler, die das Opfer vielleicht eventuell gemacht haben könnte, werden mit Akribie gesucht und ausgiebig beredet. Wo bleiben die Fragen nach den Fehlern des Täters? Keine Frage, keine Silbe wird darauf verwandt, in keinem der Artikel.
Usw.
Wir wissen nicht, wie der Unfall abgelaufen ist; wir bleiben im Rahmen der vorgelegten Texte. Was Polizei und FT zum Druck gegeben haben, richtet sich in erster Linie darauf, die Frage nach der Verantwortung vom LKW-Fahrer abzulenken und Anhaltspunkte zu finden, die die Verantwortung der Radlerin zuschieben lassen. Um es krass zu sagen: Die Auskünfte über den Vorgang suchen Anhaltspunkte für eine Balkenüberschrift „Radlerin selber schuld“.
Mit dieser Tendenz bedienen und schüren Polizei und FT Vorurteile, die weit verbreitet und überall zu hören sind. Diese Vorurteile sind es, die die Atmosphäre im täglichen Verkehrsablauf vergiften und die der Bereitschaft zur Rücksichtnahme den Boden unter den Füßen wegziehen. Verkehr ist gefährlich, für jeden von uns; das wichtigste aller Mittel, diese immer und überall währende Gefährdung kleiner zu machen, ist offensive Rücksichtnahme.
Der VCD bittet die Mitarbeiter von Polizei und FT: “ Stellen Sie Ihre Berichterstattung um. Lassen Sie sich nicht länger darauf festlegen, verbreitete Vorurteile zu bedienen. Wählen Sie Berichtsformen, die helfen, den Boden für Rücksichtnahme zu bereiten.“
Derlei Dinge decken sich mit meinen eigenen Erfahrungen.
Erst versäumt es die Polizei, die Namen, Adresse der Leute zu notieren (ich konnte es zu dem Zeitpunkt nicht), die meine Aussagen bestätigen können. Der Zeugenaufruf ein paar Wochen später brachte erwartungsgemäß nichts.
Dann sollte ich eine Mitschuld tragen, daß der überaus ortskundige (und vermutlich halbblinde, ich hatte ja Beleuchtung etc.) PKW-Fahrer ein ihm bekanntes Stopschild mißachtet und mich daher äußerst unsanft vom Fahrrad geholt hat.
Speziell bei LKW-Fahrern glaube ich, daß 95% ihr Hirn ausschalten, sobald sie hinterm Lenkrad sitzen.
Wie kann es sein, daß ein Fahrschul-LKW(!, aus Gotha in dem Fall) im explizit ausgeschilderten 80er-Bereich(!) im dichten Berufsverkehr(!) auf der linken Spur der Autobahn nach dem Motto „Weg da, jetzt komme ich“ mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit fährt?
Warum sind vielen LKW-Fahrern 65km/h in einem Baustellenbereich mit 60km/h-Beschilderung zu langsam, so daß sie einem im Kofferraum sitzen (in Anbetracht der Tatsache, wie das Kennzeichen im Rückspiegel zu sehen war – bzw. eben nicht -, war der Abstand 3-5m) und ständig mit der Lichthupe und Hupe „drohen“?
Wenn ich nach Tacho mit 95km/h auf der Autobahn unterwegs bin (GPS behauptet, das sind reale 89-90km/h, schneller lohnt für die paar Kilometer nicht, ist größtenteils ohnehin auf 100km/h begrenzt), werde ich von LKWs überholt – obwohl diese hierzulande doch nur 80km/h fahren dürfen. Ich glaube, daß die Aussage, daß LKWs geeichte Tachos haben, entweder eine Lüge ist oder die Fahrer dieser LKWs fahren vorsätzlich zu schnell. Ich bin geneigt, letzteres anzunehmen und schlußfolgere daraus, daß die meisten LKW-Fahrer charakterlich nicht die Eignung zum Führen eine Kfzs haben.
Tja, heute früh erlebt: Tanklaster eines Kronacher Unternehmens, mit Anhänger. Begrenzung der Geschwindigkeit in dem Streckenabschnitt auf 80km/h (bereits seit mehreren Kilometern), Berufsverkehr. Der LKW überholt mich und andere, die vorschriftsmäßig auf der rechten Fahrspur unterwegs sind, mit überhöhter Geschwindigkeit. Daß der Fahrer sein Gespann nicht wirklich im Griff hatte, konnte man daran erkennen, daß er mehr oder weniger beide rechte Fahrspuren (von insgesamt 3 Fahrspuren) benötigt hat. Der konnte sich nicht wirklich entscheiden, ob er nun in der Mitte oder rechts fährt. Das ständige Schlingern des Hängers trug auch nicht unbedingt dazu bei, Vertrauen in die Fahrkünste des Fahrers zu haben.
Entlang beinahe der gesamten Zollnerstraße sind die Radwege, der Straßenverkehrs-Ordnung entsprechend, nicht benutzungspflichtig. Aus gutem Grund war vor mehr als 17 Jahren die allgemeine Benutzungspflicht aufgehoben worden.
Nur in der Bahnunterführung sowie auf dem letzten Stück vor dem Berliner Ring hat die Stadt Bamberg sie, ungeachtet aller Warnungen aus Fachkreisen, wieder angeordnet – ohne irgendeine nachvollziehbare Rechtfertigung. Denn es gab keine Unfälle, welche auf die Fahrbahnnutzung durch Radfahrer zurückzuführen waren. Nach höchstinstanzlicher Rechtsprechung hat aber das tatsächliche Unfallgeschehen in die Entscheidung, ob im begründeten Einzelfall die Benutzung des Radwegs ausnahmsweise angeordnet werden soll, einzufließen. Nur „allgemeine Sicherheitsüberlegungen“ anzuführen, ist unzulässig.
Die seitens der Stadt Bamberg vorgetragene Begründung: Die Schaltung der Lichtsignalanlagen (Ampeln) beließen den Radfahrern keine ausreichende Räumzeit, bevor der Querverkehr Grün erhält. Tatsächlich handelt es sich um eine Zeitdifferenz im Sekundenbruchteil – und die ist mit den anderen Risiken abzuwägen. Denn gemäß Straßenverkehrs-Ordnung bedarf die Anordnung der Benutzungspflicht einer das normale Maß erheblich überschreitenden Gefahrenlage. Selbst dann muß der Radweg zwingend vorgegebene Qualitätskriterien erfüllen (Verwaltungsvorschrift zur StVO, technische Regelwerke). Denn wenn die Gefahrenlage nicht entschärft werden kann, ist die Anordnung sinnlos. Daß die Radwege entlang der Zollnerstraße richtlinienkonform wären, wird niemand ernsthaft behaupten wollen.
Ohne Radweg hätte die Radfahrerin sich vor oder hinter dem Lkw, jedenfalls nicht im toten Winkel befunden.
Selbstverständlich muß ich vor allem als Radfahrer zigfache Vorsicht walten lassen. Das enthebt die Verkehrsbehörden aber nicht ihrer Verpflichtung, sichere Verkehrsbedingungen zu schaffen. Doch dazu sind sie oft nicht bereit, da ihnen der ungehindert schnelle Autoverkehr augenscheinlich das wichtigere Anliegen ist.
Es war eine klare, bewußte, von den Unfalldaten her erzwungene Entscheidung, mit Geltung ab Oktober 1997 die Radwegbenutzungspflicht zu einer rechtfertigungsbedürftigen Ausnahme zu erklären. Daß Behörden, die diese Rechtslage – auf Kosten der Verkehrssicherheit – nicht umsetzen, sich von aller Verantwortung freizusprechen versuchen, ist der Skandal.
Die damals in Kraft getretene Fassung der StVO ist von den seinerzeitigen Ministern Wißmann (Verkehr) und Merkel (Umwelt) unterzeichnet worden. Beide sind nie als besondere Freunde des nicht motorisierten Verkehrs in Erscheinung getreten, die den Radfahrern oder ihren Verbänden einfach nur einen Gefallen tun wollten. Der eine ist inzwischen auch offiziell das, was er damals schon war, nämlich hochrangiger Lobbyist der Autoindustrie. Die andere kämpft als Regierungschefin in Brüssel für rückständige Technologie, indem sie eine zukunftsfähige Luftreinhaltepolitik torpediert. Daß diese beiden für die Aufhebung der allgemeinen Radwegbenutzungspflicht verantwortlich zeichnen, belegt überdeutlich, wie groß die Sachzwänge waren.
Siehe auch:
http://www.infranken.de/community/blog/Toedlicher-Unfall-am-Berliner-Ring-bleibt-ein-Raetsel;art55467,913668
http://www.infranken.de/community/blog/Unwissen-oder-Ignoranz-zum-toedlichen-Fahrradunfall-am-Berliner-Ring;art55467,913937