Sonntagsgedanken: Chinesische Philosophie und christliche Religion
In China stehen sich seit Jahrhunderten Konfuzianismus und Daoismus feindselig gegenüber: Die Konfuzianer verlangen Disziplin, Leistung und Gehorsam gegen den Vater, gegen die Regierung, die strenge Befolgung vorgegebener gesellschaftlicher Regeln, auch die heiligmäßige Verehrung der verstorbenen Ahnen. Die Daoisten indes lehnen strebsames Engagement ebenso ab wie die Leidenschaft. Sie lassen nichts Bleibendes gelten, denn alles sei vergänglich und relativ. Der Daoistische Weise will sich nicht selbst finden, verwirklichen, sondern will völlig leer werden, das eigene Ich aufgeben, um mit dem Dao eins zu werden, mit dem göttlichen Weltprinzip.
Vom christlichen Standpunkt muss ich beide Lehren zurückweisen: Wir vertrauen auf einen persönlichen, uns liebenden Gott, der die Zügel in Händen hält, nicht auf ein nebulöses göttliches Prinzip. Wenn die Daoisten jede Leidenschaft, jedes Streben vermeiden, dann lähmen sie das menschliche Verantwortungsgefühl, machen das leben fade, denn für Ausgelassenheit ist bei ihnen ebenso wenig Platz wie für die ehrliche Empörung über das Unrecht. Der Konfuzianismus indes begünstigt das zwanghafte Festhalten an sinnentleerten Ritualen, Autoritäres Denken, diktatorische Verhältnisse in Familie und Gesellschaft, was ebenso unchristlich ist wie die antiautoritäre Erziehung der jüngeren westeuropäischen Vergangenheit, die nur zu Egoismus und Selbstüberschätzung führt. Vielleicht nehmen deshalb Mobbing und Depression unter uns so massiv zu, weil der „moderne“ Mensch sich zu wichtig nimmt. Der Mensch soll das Gute tun, sich für Frieden und Ausgleich einsetzen, den Schwachen und Benachteiligten beistehen, soll die Eltern ehren. Jeder aber darf auch nach dem eigenen Glück streben, soll seinen eigenen Weg gehen, auch seine Grenzen bedenken. Ich kann und muss nicht das Himmelreich auf Erden schaffen. Das wird Christus bei seiner Wiederkehr tun.
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Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
Infos zu Christian Karl Fuchs:
- geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
- Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
- Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
- Promotion zum Dr. theol. 1995
- Ordination zum ev. Pfarrer 1996
- Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
- seither in Neustadt/Aisch
- blind
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