Artikelserie “Energiewende – muss das sein?”: 6. Stromnetze – sichere Versorgung auch bei vielen Störungsfällen
Wir haben schon festgestellt, dass im Störungsfall gezielte Schaltmaßnahmen innerhalb des Netzes nötig sind, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dies gilt sogar auch für den Normalbetrieb. Um das zu verstehen, müssen wir 3 wichtige Bedingungen berücksichtigen:
1. In jeder Sekunde muss genau die Menge an elektrischer Energie erzeugt werden, die angefordert wird. Jedes Mal, wenn ein Gerät ein- oder ausgeschaltet wird, muss ein Generator seine Stromproduktion anpassen. Bei kleinen und kurzfristigen Änderungen geschieht dies im Generator über die Steuerung der Magnetfelder automatisch. Dann wird ein „innerer Energiespeicher“ angezapft. Jeder Maschinensatz enthält mechanische Energie in Form von Bewegungsenergie in seinen rotierenden Teilen. Die Folge ist, dass die Drehzahl etwas fällt. Dadurch ändert sich die „Stromqualität“. Spannung und Frequenz werden kleiner. Dies ist in Grenzen und kurzzeitig zulässig. Spätestens aber dann, wenn dieses Limit unterschritten wird, muss die Energiezufuhr zum Generator erhöht werden – also mehr Dampf bei den nächsten Dampfkraftwerken, mehr Kraftstoff bei den nächsten Motor-getriebenen Kraftwerken.
2. In das Netz wird die Energie von vielen, wirtschaftlich eigenständigen Stromlieferanten eingespeist. Wer wann wieviel Energie liefern darf, wird jeden Tag an der Strombörse ausgehandelt. Die Energieflüsse im Netz müssen entsprechend diesen Vorgaben und der sich laufend ändernden Energieanforderung gesteuert werden. Und das möglichst auch in einfachen Störungsfällen (N-1-Kriterium).
3. Jedes Element im Netz – Leitungen, Schalter, Einspeisepunkte, Transformatoren und auch die Generatoren – sind für eine bestimmte maximale Durchgangsleistung dimensioniert. Diese wird laufend überwacht. Bei Überlast schaltet sich das jeweilige Gerät selbst ab, um Zerstörung und Folgeschäden vorzubeugen.
Durch eine übergeordnete Steuerung, z.T. automatisiert und mit selbsttätigen Regelungen unterstützt, wird sichergestellt, dass jeder Stromlieferant seinen ihm zustehenden Anteil bekommt und dass kein Element des Netzes überlastet wird. Dabei hat diese Steuerung keinen Einfluss auf die Energieanforderung. Sie reagiert nur unmittelbar auf Änderungen. Durch die vielen Nutzer, also laufende Be- und Entlastungen des Netzes, egalisiert sich dieser Energiebedarf. Außerdem hat man statistische Erfahrungswerte, wie sich der Energiebedarf im Tages-, Wochen- und Jahreszeitenverlauf ändert, so dass man sich grob darauf vorbereiten kann. Im Grundsatz muss aber auf jede Änderung sofort reagiert werden. Hierfür müssen u.U. Energieströme umgeleitet werden, um lokale Überlastungen zu vermeiden. Die Stromproduktion einzelner Kraftwerke ist nach oben oder unten zu korrigieren, oder ganze Kraftwerke sind zu- oder abzuschalten. Hiermit ist die sog. „Regelleistung“ gemeint, ein Begriff der in Diskussionen auftaucht, bei denen es um die „Stabilität des Netzes“ geht. Auch Begriffe wie „Blindleistungsgenerator“ oder „Phasenschieber“ gehören in diese Kategorie. Diese komplexe Anpassung der Stromerzeugung an den Bedarf, auch wenn mal ein ganzes Kraftwerk ausfällt, kann nur funktionieren, wenn immer auch ausreichende Reservekapazitäten zur Verfügung stehen. Im Grunde bedeutet dies, dass sowohl die Kraftwerkskapazitäten als auch bestimmte Teile des Netzes überdimensioniert sein müssen.
Schaltmaßnahmen, die im Sinne dieser übergeordneten Steuerung notwendig sind, werden letztlich von Menschen entschieden. Diese werden durch entsprechende Computersysteme unterstützt: einmal, um die notwendigen Messdaten aus dem gesamten Netz zu liefern, als Basis für die Entscheidungen, aber auch um die notwendigen Schaltmaßnahmen ordnungsgemäß durchzuführen, die in einer bestimmten Reihenfolge irgendwo im Netz erfolgen müssen. Dies gilt vor allem auch in Störungsfällen, bei denen ggf. sehr schnell reagiert werden muss. Doch hierüber mehr in der nächsten Folge.
Dieter Lenzkes
Bürger-für-Bürger-Energie
www.bfb-energie.de
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