Naturschützer und Nationalparkverein kämpfen für Schutz der Heimat
„Nationalparke sind gut für Mensch und Natur!“
An einer mit über 150 Teilnehmern sehr gut besuchten Tagung des BUND Naturschutz (BN) in Ebrach nahmen Waldinteressenten aus ganz Deutschland teil, viele davon direkt aus dem Steigerwald. Die Vorträge von Artenschutzexperten und Kommunalpolitikern aus den Nationalparken Hainich und Bayerischer Wald brachten es auf den Punkt: Nationalparke sind gut für Mensch und Natur. Nationalparke ermöglichen staatliche Investitionen und Fördergelder, von denen die gesamte Region profitiert. Bei der abschließenden Podiumsdiskussion kritisierten etliche Bürger aus dem Steigerwald den stellvertretenden Landrat des Landkreises Haßberge Oskar Ebert heftig, weil er bislang nicht bereit war, trotz großer Probleme in den Steigerwaldgemeinden, die Chancen eines Nationalparks offen zu diskutieren. Ebenfalls kritisiert wurde die Blockadehaltung der Staatsregierung. Hubert Weiger forderte eine umfassende Untersuchung der Auswirkungen eines Nationalparks. Auch Ebert verschloss sich nicht völlig einer derartigen Studie und Christine Bender, stellvertretende Landrätin des Landkreises Schweinfurt, stand einer neutralen Studie positiv gegenüber.
Die schon traditionelle BN-Tagung „Naturerbe Buchenwälder“ in Ebrach hatte diesmal das Thema „Waldschutzgebiete für Mensch und Natur“. Am Freitag führten der Waldexperte Georg Sperber sowie Mitglieder des Freundeskreises Nationalpark Steigerwald eine große Zahl Waldinteressierter aus Nah und Fern in den Geschützen Landschaftsbestandteil „Hoher Buchener Wald im Ebracher Forst“. Bei der Führung und dem anschließenden Vortrag von Ralf Straußberger, Waldreferent des BN, standen die alten, sehenswerten Laubwälder des Schutzgebietes im Mittelpunkt. Straußberger kritisierte in dem Zusammenhang die irreführenden und wahrheitswidrigen Aussagen der Ebracher Forstbetriebsleitung zu der ökologischen Qualität im Schutzgebiet und den resultierenden Gewinneinbußen. Ulla Reck vom Freundeskreis Nationalpark Steigerwald ging auf die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen von Nationalparken ein. Nationalparke werden von den Landesregierungen mit einem festen Haushaltsetat finanziert. So investierte die Staatsregierung in die beiden bayerischen Nationalparke von 1995 bis 2008 rund 178 Mio €. In den Naturpark Steigerwald wurden im selben Zeitraum knapp 4 Mio € investiert. Die Übernachtungszahlen in den sieben Altgemeinden des Nationalparks Bayerischer Wald liegen 2013 um das 16-fache höher als die in den elf Gemeinden des Nationalpark-Suchraums im Naturpark Steigerwald.
Am Samstag lobte Ebrachs Bürgermeister, Max-Dieter Schneider, den Forstbetrieb Ebrach, der seine Wälder weitgehend schonend bewirtschaftet, forderte aber, dass ein Teil der Staatswälder sich in einem Schutzgebiet natürlich entwickeln darf. „Wir brauchen ein Schutzgebiet für einen Weltnaturerbetitel und wir brauchen einen Nationalpark.“ Helmut Weilbach, Vorstand des Vereins Nationalpark Nordsteigerwald, hatte in seinem Grußworte die neuesten Zahlen parat: „Die Nationalparkbewegung bekommt im Steigerwald immer größere Unterstützung. Mittlerweile zählt unser Verein über 550 Mitglieder und die Anmeldungen aus dem Bereich des Steigerwalds werden täglich mehr.“ Georg Sperber, der ehemalige langjährige Leiter des Forstamtes Ebrach, sprach über die wichtige Rolle der Eiche als Mischbaumart in Buchenwäldern. „Ob die Eiche sich als Mischbaumart überhaupt etablieren kann, hängt von der Anzahl der Rehe und somit der Jagd ab – junge Eichen werden oft verbissen.“ Sperber wies auf problematischen Auswirkungen von Eichenreinkulturen hin, in denen sich Eichenprozessionsspinner und Schwammspinner stark ausbreiten, wogegen dann alle paar Jahre große Mengen Gift eingesetzt werden.
Der Käferexperte Heinz Bußler, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bayerischen Entomologen, berichtete, dass Buchenwälder erst ab einem Alter von 160 – 180 Jahren für viele Arten interessant werden. Im Nordsteigerwald wurden 466 holzbewohnende Käferarten nachgewiesen, im Hochspessart 411. „Alles über 400 sind Spitzenwerte!“. Über Massenvermehrung von Borkenkäfern brauche sich im Steigerwald aber niemand Gedanken zu machen: derartige Massenvermehrungen kommen nach Aussagen des Käferexperten nur in Nadelwäldern vor.
Ludwig Sothmann, Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) referierte über den Grünspecht, Vogel des Jahres 2014 und dessen Schwesterart, den Grauspecht. Der LBV wird weiter für einen Nationalpark im Steigerwald kämpfen, weil Nationalparke ideale Lebensräume für Spechte und deren „Nachmieter“ darstellen. Ralf Straußberger wies darauf hin, dass es in Deutschland und vor allem in Bayern viel zu wenige Naturwälder gibt. Um natürliche Waldentwicklung zu schützen, sind insbesondere großflächige nutzungsfreie Waldgebiete wichtig. In Bayern kommen dafür im Laubwaldbereich nur noch zwei Gebiete in Frage, eines davon ist der Nordsteigerwald.
Bürgermeister Bernhard Bischof aus der Nationalparkgemeinde Hörselberg-Hainich in Thüringen zitierte Ministerpräsident Bernhard Vogel, 2011: „Das Wagnis hat sich gelohnt – ein Hoch auf den Nationalpark Hainich!“ Die für neue Ideen offenen Thüringer haben es weit gebracht – seit 2011 sind Teile des Nationalparks zum Weltnaturerbe der UNESCO erklärt. Jetzt werben Wartburg und Nationalpark Hainich gemeinsam mit dem Titel „Welterberegion Wartburg-Hainich“. Die gestiegenen Besucherzahlen bestätigen es: „Früher fuhr man durch, heute fährt man hin.“ Auch der ehemalige Bürgermeister Heinz Wolf aus der Nationalparkgemeinde Neuschönau im Bayerischen Wald ist stolz auf das Erreichte: Ca. 1 Millionen Besucher kommen pro Jahr und jeder davon lässt durchschnittlich 38,70 Euro in der Region. Durch gute Zusammenarbeit der Kommunen, der Landkreise, der Naturpark- und der Nationalparkverwaltung im Kommunalen Nationalparkausschuss werden die Wünsche der Kommunen weitgehend erfüllt. Der Öffentliche Personennahverkehr funktioniert gut durch das Igelbussystem. Über 900 Vollzeitarbeitsplätze hat der Nationalpark geschaffen und 200 Beschäftigte direkt in der Verwaltung.
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion wurde es lebhaft: Während die Kommunalpolitiker aus den bestehenden Nationalparken genau wie Ebrachs Bürgermeister Schneider sehr gute Entwicklungschancen durch einen Nationalpark sehen, bezeichnete der stellvertretende Landrat des Landkreises Haßberge, Oskar Ebert, den Nationalpark als Alptraum für den Steigerwald und verwies auf wirtschaftlich gesunde, gute Situation der Steigerwaldgemeinden. Wegen dieser Aussagen wurde der ehemalige Bürgermeister aus Rauhenebrach in der Diskussion heftig von Gemeindebürgern kritisiert, die auf abwandernde Betriebe u.a.m. verwiesen. Es ist kein Geheimnis, dass die strukturschwachen Steigerwaldgemeinden mit geschlossenen Schulen, Kindergärten, Arztpraxen und Geschäften zu kämpfen haben. Außerdem wurde Ebert wegen Falschaussagen zum Geschützten Landschaftsbestandteil kritisiert.
Eine zentrale Rolle bei der Podiumsdiskussion spielte die sog. Machbarkeitsstudie. Weiger forderte eine vom Freistaat finanzierte, umfassende Studie, bei der von neutraler Seite vor allem die Auswirkungen eines Nationalparks auf die Arbeitsplätze vor Ort, Brennholzversorgung, Jagd, Nationalparkeinrichtungen in den Anliegergemeinden und Entwicklung eines sanften Tourismus u.a.m. gehen soll. Christine Bender, stellv. Landrätin des Landkreises Schweinfurt, steht persönlich einer neutralen Studie positiv gegenüber.
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