Universität Bayreuth: Humboldt-Stipendiat erforscht westafrik. Arbeitswelt
Arbeitswelt und Lebenszyklen in Westafrika
Wie stark greifen neue Technologien und organisatorische Strukturen der Arbeitswelt in die Lebenswege der Menschen ein, und wie beeinflussen sie die Beziehungen innerhalb der Familie und zwischen den Generationen? Lassen sich die eigene berufliche Laufbahn und das eigene Leben überhaupt noch verlässlich planen? Mit diesen Fragen sieht sich eine wachsende Zahl von Menschen in Westafrika konfrontiert, wo sich traditionelle Rahmenbedingungen des Lebens und Arbeitens allmählich auflösen und gewohnte Strukturen keine Sicherheit mehr bieten.
An der Universität Bayreuth erforscht Prof. Dr. Isaïe Dougnon die Konsequenzen, die sich daraus für die Menschen in seiner Heimat Mali ergeben. Er ist Professor für Anthropologie in der malischen Hauptstadt Bamako und als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung nach Bayreuth gekommen, um hier eine neue Monographie über ‚Lebenszyklen, Karrieren und Rituale in der modernen malischen Arbeitswelt‘ fertigzustellen. Dabei arbeitet er insbesondere mit Prof. Dr. Georg Klute zusammen, der aufgrund eigener Feldforschungen mit den sozialen Strukturen in Mali vertraut ist und vor kurzem ein Standardwerk über die Tuareg in Mali veröffentlicht hat.
„In Westafrika haben insbesondere junge Menschen keine klare Vorstellung davon, wie die Arbeitswelt aussieht, in die sie sich hineinbegeben, und welche Chancen und Risiken sie ihnen bieten wird“, erklärt Prof. Dougnon. „Die Furcht vor Arbeitslosigkeit löst ebenso Ängste aus wie die Aussicht auf ein unberechenbares Berufsleben und eine unzureichende Altersversorgung.“ Deshalb, so der malische Anthropologe, würden soziale Regeln und Rituale in manchen Bereichen der Berufswelt, insbesondere im öffentlichen Dienst, an Bedeutung gewinnen – sei es dass sie neu geschaffen oder im Rückblick auf gesellschaftliche Traditionen wiederbelebt werden. Die Rolle solcher Regeln und Rituale untersucht Prof. Dougnon insbesondere unter dem Aspekt, ob sie geeignet sind, dem eigenen ‚Lebenszyklus‘ wieder mehr Sicherheit und eine vorhersehbare Struktur zu verleihen.
Grundsätzliche Überlegungen gelten dabei dem Begriff der Zeit. Wie wird Zeit von Menschen in Mali wahrgenommen, die unterschiedlichen Generationen angehören? Die Konsequenzen, die sich daraus für die Gestaltung des beruflichen oder familiären Alltags bis hin zur Lebensplanung ergeben, sind nicht allein für die Erforschung von Sozialstrukturen in Westafrika relevant. Sie können und sollen auch – davon ist der Bayreuther Humboldt-Stipendiat überzeugt – Impulse für die Auseinandersetzung mit den Strukturen westlicher Industriegesellschaften geben.
Zur Person:
Isaïe Dougnon ist dem Afrikaschwerpunkt der Universität Bayreuth schon seit langem verbunden: Von 1998 bis 2003 hat er hier bei Prof. Dr. Gerd Spittler promoviert. Im Mittelpunkt seiner Dissertation standen Fragen der Migration, insbesondere Wanderungsprozesse zwischen verschiedenen westafrikanischen Staaten. 2003 übernahm er eine Professur für Anthropologie an der ‚Faculté des Lettres, Langues, Arts et Sciences Humaines (FLASH)‘ der Universität Bamako. Von 2009 bis 2010 war Prof. Dougnon an der Humboldt-Universität in Berlin zu Gast und hat hier am Internationalen Geisteswissenschaftlichen Kolleg ‘Arbeit und Lebenslauf in globalgeschichtlicher Perspektive’ mitgearbeitet.
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