Leserbrief: "Bamberger Bauleitplanung – Verkehrserschließung von vorgestern"

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Bebauungsplan mit integriertem Grünordnungsplan 123 B für das Gebiet Augustenstraße 6 / Ecke Küchelstraße
– hier: Anregungen und Bedenken –

Sehr geehrte Damen und Herren!

Vorbemerkungen

Gegenüber der frühzeitigen Bürgerbeteiligung im vergangenen Jahr fallen zwei wesentliche Änderungen auf: die Dachbegrünung, ergänzt durch allgemeine Aussagen zu deren Auswirkung auf die Niederschlagsrückhaltung, sowie die Mehrung der vorgesehenen Kfz-Stellplätze in der Tiefgarage um nahezu 50 %, ohne daß eine nachvollziehbare Begründung ersichtlich wäre.

Grundsätzliches

Zu begrüßen ist zweifellos, daß ein verkehrlich bereits erschlossenes und weitgehend versiegeltes Gebiet im Innenbereich entwickelt werden soll.

Der Vorhabensträger steht in öffentlichem Eigentum. Daher darf mit Fug und Recht erwartet werden, daß seine Planung soziale Belange beachtet. Neu geschaffener Wohnraum muß für weniger wohlhabende Einkommensschichten erschwinglich sein.

Im Rahmen der Umfeldgestaltung ist darauf zu achten, daß Kinder auch außerhalb definierter Spielflächen Gelegenheit haben, sich wohnungsnah altersgemäß auszuleben. Der Gestaltung der Grünflächen kommt somit neben der ökologischen auch eine soziale Aufgabe zu.

Verkehrliche Erschließung

Die Angebote (Einkauf, Bildung, …) in geringer Entfernung tragen dazu bei, Verkehr zu vermeiden, ohne Mobilität einzuschränken. Denn Mobilität bedeutet nicht, auf Grund vorgegebener Zwänge große Entfernungen zurücklegen zu müssen. Vielmehr beinhaltet sie die Gelegenheit, viele Bedürfnisse mit möglichst geringem Wegeaufwand zu erledigen.

Die Nähe der Bushaltestelle ist ein wichtiger Pluspunkt, ebenso die geringe Entfernung in die Innenstadt. Schamvoll verschwiegen werden sollte die fahrradbezogene Infrastruktur. Die erwähnten Radfahrstreifen an der Augustenstraße sind hinsichtlich Querschnitts und seitlicher Sicherheitsräume weit von Regelmaßen und verkehrssicherer Gestaltung entfernt. Im Umfeld findet sich u. a. die unfallträchtige Radverkehrsführung um den Wilhelmsplatz, die glücklicherweise wie der jeder Beschreibung spottende, vom Schönleinseck herführende Radweg nicht benutzungspflichtig ist. Unfallträchtig sind ferner die zu schmalen Radwege der Marienbrücke, deren spitzwinklig zur Fahrtrichtung verlaufende, nicht vollständig abgesenkte Bordsteinkanten zu Beginn ein vermeidbares Sturzrisiko bedeuten. Endseitig wiederum begünstigen sie Abbiegeunfälle durch die Vorfahrt des Radverkehrs mißachtende Kraftfahrer – noch verschärft durch die Rechtsabbiegespur zum Kunigundendamm. Die Weiterführung in Richtung Pfisterbrücke bietet gleichfalls eine miserable Wegequalität und erhebliche Sicherheitsrisiken besonders an den Knotenpunkten. Den sogenannten Schutzstreifen entlang des Kunigundendamms nur zu erwähnen, tut ihm angesichts seines deutlich zu geringen Querschnitts sowie der Beeinträchtigung durch gefährliche Einlaufdeckel und die breite, zu tief liegende Regenrinne zu viel Ehre an. Überholen ohne ausreichenden Seitenabstand ist hier die Regel. Sicheres Radfahren ist im Umfeld des Plangebietes nahezu nur auf den Straßen möglich, die keine (!) Radverkehrsanlagen aufweisen.

Stellplätze

Die Planung bietet ideale Voraussetzungen, ein hervorragendes Angebot durch den Umweltverbund (intelligente Vernetzung der städtebaulich, sozial und ökologisch verträglichen Verkehrsmittel Gehen, Radfahren, Bahn und Bus) aufzubauen. Hierzu sind selbstredend noch verschiedene nutzerorientierte (!) Optimierungen vonnöten. Da erscheint es wenig mutig, wenig in die Zukunft weisend, dennoch mindestens einen Kfz-Stellplatz je Wohneinheit vorzusehen (offenbar sind es inzwischen deutlich mehr!). Die verkehrsbezogene Planung in Bamberg fällt augenscheinlich immer weiter in längst überwunden geglaubte Zeiten zurück.

Dies gilt um so mehr, sollten künftige Bewohner gezwungen sein, unabhängig vom Besitz eines Kraftfahrzeugs zur Finanzierung beizutragen (Umlage der Kosten auf alle Wohneinheiten, nicht kostendeckendes Stellplatzentgelt mit Umlage des Überstands). Nach wie vor ist nicht erkennbar, welchen Beitrag städtische Siedlungs- und Verkehrsplanung zur Erreichung der selbstgesteckten Klimaschutzziele leisten wollen.

Die Aussagen zur Fahrradunterbringung bleiben weiterhin äußerst vage: keine Kapazitätsangabe, abgesehen von der direkten Zugänglichkeit keine qualitativen Festlegungen (soziale Sicherheit, Diebstahlschutz, Art der Zuwegung und Unterbringung, Berücksichtigung der Vielzahl möglicher Bauformen des Fahrrads einschließlich Zubehörs wie Anhänger, Kindersitze u. a.). Hier ist noch immer dringender Nachbesserungsbedarf gegeben.

Energie, Wasser, Begrünung

In den Unterlagen findet sich keinerlei Vorgabe zum Umgang mit Regenwasser resp. zu seiner Nutzung. Allein die Funktion der Dachbegrünung als Abflußpuffer ist erwähnt. Desgleichen fehlen entsprechende Aussagen zu Gewinnung bzw. Einsatz regenerativer Energie. Gerade im Neubau besteht die Chance, innerstädtisch beispielhafte und kostengünstige Umsetzungen vorzusehen.

Zur Bepflanzung sollten nicht allein standortgerechte, sondern vor allem heimische Gewächse zum Einsatz kommen. Denn diese bieten der Kleintierfauna erhebliche bessere Existenzgrundlagen als importierte, welche selbst mehrere hundert Jahre nach ihrer Ansiedlung nur von verschwindend wenig Arten besiedelt und genutzt werden.

Schlußanmerkung

Trotz idealtypischer Voraussetzungen verzichtet die vorliegende Planung auf jeglichen innovativen Ansatz. Eine gründliche Überarbeitung unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist unabdingbar.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig