Grüner EU-Abgeordneter Sven Giegold sieht europäische Demokratie durch TTIP in Gefahr

Europawahl muss Konzernen Einhalt gebieten

Diskussionsabend mit Sven Giegold im voll besetzten TKS-Saal

Diskussionsabend mit Sven Giegold im voll besetzten TKS-Saal

Die europäische Demokratie ist in Gefahr. Auf diesen Punkt ließ sich die ungeheuer dichte und informative Rede des Grünen-Europaabgeordneten Sven Giegold bringen, die das Bamberger Publikum im vollbesetzten Saal des TKS anhörte und diskutierte.

Aufhänger für Giegold war das geplante Freihandelsabkommen zwischen USA und EU, dessen Zustandekommen auch vom Ergebnis der Europawahlen am 25. Mai abhängt. „Vorsicht Falle!“ war sein Vortrag betitelt, in dem er erklärte, warum sich die Grünen klar gegen ein Abkommen in dieser Form aussprechen. „Wenn technische Normen angeglichen werden und künftig beispielsweise alle Elektroautos in USA und Europa dieselben Stecker verwenden, dann ist dagegen nichts einzuwenden“, so Giegold.

Zur Disposition stünden bei den Verhandlungen aber auch Umwelt- und Sozialstandards, auf die die Grünen nicht verzichten wollen, etwa das Verbot von Antibiotika im Fleisch oder von Gentechnik in Lebensmitteln. Giegold erläuterte, wie auf diese Weise auch die Demokratie ausgehöhlt werde: „Diese Standards sind Ergebnis demokratischer Wertentscheidungen, um die oft lange gerungen wurde und die ein Gemeinwesen ausmachen. Wenn jetzt mithilfe eines Handelsabkommen, das hinter verschlossenen Türen, ohne parlamentarische Beteiligung und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit ausgehandelt wird, diese demokratisch entwickelten Werte einfach über Bord geworfen werden, so trifft das Europa in seinen Grundfesten.“

Deswegen hat Sven Giegold kürzlich als erster Abgeordneter Unterlagen, die ihm über Dritte aus Verhandlungskreisen zugespielt wurden, per Internet unter www.ttip-leak.eu veröffentlicht. „Das muss man sich mal vorstellen: Wir EU-Abgeordnete haben offiziell gar keinen Zugang zu den Verhandlungsunterlagen oder auch nur Informationen darüber“, betonte er.

Weiterhin kritisierte er den im Abkommen vorgesehenen Investoren-Schutz, der Klagen von Firmen gegen Staaten ermöglicht, weil deren Gesetze die Firmengewinne schmälern. „Das wäre ein Knebel für jeden demokratischen Gesetzgeber, weil künftig jedes beschlossene Gesetz mit Schadendersatzforderungen verbunden sein könnte.“ Zudem würden solche Klagen nicht vor öffentlich tagenden ordentlichen Gerichten verhandelt, sondern in eigens eingerichteten intransparenten Schiedsgerichten.

Sven Giegold warnte auch vor einem Rechtsruck des europäischen Parlaments und rief dringend dazu auf, alle demokratisch denkenden Menschen zur Wahl zu bewegen, um den zahlreichen rechten Parteien in allen Ländern keinen Raum zu geben. Leidenschaftlich fiel sein Plädoyer für das „sehr demokratische und inzwischen auch sehr effektiv arbeitende EU-Parlament“ aus. „Es gibt keinen Fraktionszwang wie etwa im Bundestag, und sehr viele Entscheidungen wie etwa die Kennzeichnungspflicht der Lebensmittelzutaten oder Datenschutzbestimmungen für das Internet sind nur über die EU möglich gewesen.“

Die Veranstaltung mit dem Spitzenkandidaten der deutschen Grünen für die Europawahl kam durch den Bezirksverband der oberfränkischen Grünen zustande. Auch Bezirksvorsitzende Christine Schoerner aus Hof und die Vizepräsidentin des Bayerischen Landtags, Ulrike Gote aus Bayreuth, unterstrichen die Bedeutung der bevorstehenden Europawahl.