Sonntagsgedanken: Gedanken zur evangelischen Konfirmation
Bischof Wilhelm Stählin wanderte mit einem Bergführer in den österreichischen Tauern: Da erspähten die beiden tief unten im Tal eine Herde Schafe. Stählin vermutete 200, sein Begleiter 600. Tatsächlich waren es 3000. Als sie hinunterstiegen und mit dem Hirten ins Gespräch kamen, erfuhren sie zu ihrem größten Erstaunen, dass er jedes einzelne seiner Tiere kenne, nicht nur seinen Besitzer, sondern die kleinen Eigenarten jedes Schafes. Gefragt, wie das denn möglich sei, erwiderte der Mann: „Ich kenne sie eben.“
Wenn dieser Mann schon 3000 Schafe kennt, um so leichter kennt Gott jeden von uns, vielleicht besser als wir uns selbst. Gott will uns damit nicht unter Druck setzen nach dem Motto: „Big brother is watching you“. Vor Gott brauchen wir uns nicht verstellen wie vor den Menschen. Vor Gott dürfen wir unser Versagen, unsere Verletzungen zugeben, während wir in Schule, Betrieb und selbst in der Familie nie ganz ehrlich sein können. Wir wissen ja nicht, wie der andere reagiert, ob man uns auslacht, verwundert den Kopf schüttelt oder wütend zurückstößt. Wie der Hirte seine Herde schützt und führt, wie er sich um jedes einzelne Tier kümmert, so macht es Gott mit uns. Erfahren wir seine Nähe nicht täglich? Jeder neue Sonnenaufgang ist ein Gruß Gottes. Daß wir materiell abgesichert sind, Freunde und Familie haben, ist keine Selbstverständlichkeit und bestimmt nicht unsere Leistung. Lassen wir uns nicht verwirren, entmutigen von der widerchristlichen Stimmung in unserem land, von dem Schweren und Unwägbaren in unserem Leben. Der Gute Hirte Jesus hat all das auch durchgemacht und noch mehr. Doch hat ihn Gott zum Hirten für uns eingesetzt, aus dessen Hand uns selbst der Tod nicht reißen kann. Darauf dürfen sich gerade die jungen Leute verlassen, die in diesen Wochen konfirmiert werden, häufig auch am so genannten „Hirtensonntag“, dem zweiten nach Ostern. Konfirmation meint ja nicht nur, dass die Jugendlichen das Taufversprechen ihrer Eltern und paten wiederholen sollen, sondern dass sich der Auferstandene erneut zu ihnen bekennt, ihnen seine Nähe, seinen Schutz zusagt.
Aus der Ferne konnte Wilhelm Stählin nicht einmal annähernd die Zahl der Schafe raten, geschweigedenn ihre Eigenarten erahnen. Er musste erst hinuntersteigen: So kann auch nur der die Frohe Botschaft ermessen, der sich der Herde Christi anschließt. Wer sich fein heraushält, wer meint, keinen Hirten zu brauchen, der begreift nichts und fällt leicht den Wölfen zum Opfer, die unseren Lebensweg belauern.
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Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
Infos zu Christian Karl Fuchs:
- geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
- Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
- Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
- Promotion zum Dr. theol. 1995
- Ordination zum ev. Pfarrer 1996
- Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
- seither in Neustadt/Aisch
- blind
- nicht verheiratet
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