Woche der Brüderlichkeit: Brücken von Nachbarschaft und Gemeinsamkeit
Knapp 30 Veranstaltungen in der „Woche der Brüderlichkeit“ im Erzbistum/ Interreligiöser Dialog vor Ort gelebt und gefördert
(bbk) Stimmengewirr, Notenblattgeraschel, Instrumentenstimmen. Hektisches Treiben herrscht in der Synagoge „Or Chajim“ der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg (IKG). Kein Wunder, tummeln sich im Saal doch fast 90 Sänger und Instrumentalisten – Juden, Christen und Muslime. Maria Becker hebt ein Schild in die Höhe. „Bim Bam, Shabbat Shalom!“ steht darauf. Flugs wird es mucksmäuschenstill. Dann fangen die Kinder der Kreismusikschule Bamberg, der Städtischen Musikschule und der IKG an zu singen. Voller Freude, wie es der Titel des Konzerts, für das sie proben, verspricht: „Schirej simcha – Lieder der Freude“ erklingen am 11. März um 18.30 Uhr als ein Teil der „Woche der Brüderlichkeit“.
Seit über 50 Jahren laden die Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit zur „Woche der Brüderlichkeit“ ein. Vom 9. bis 16. März gibt es auch im Erzbistum Bamberg viele Angebote – nicht nur rund um das Thema „Freiheit – Vielfalt – Europa“. So organisiert Musiklehrerin Maria Becker erstmals jenes Konzert, das einen Teil zum interreligiösen Dialog beiträgt. „Die Beschäftigung mit Neuem, zum Beispiel arabisch angehauchte Lieder oder Stücke in anderer Tonalität, hat die Kinder zum Nachfragen angeregt. Durch die Musik wurde es leicht, Theoretisches zum jüdischen Leben mit Praktischem zu verbinden. Jüdische Kinder leben in einem christlichen Umfeld, kennen christliche Lieder und Feiertage. Umgekehrt ist es kaum so. Dabei lebt man seinen Glauben besonders an den Feiertagen. Die Musik verbindet dabei, vor allem weil die Melodien sehr eingängig sind.“
Rabbinerin Antje Yael Deusel freut sich über das gemeinsame Musizieren von Juden, Christen und Moslems: „Diese Gemeinschaft nehmen die Kinder mit ins Leben. Je besser wir uns gegenseitig kennen lernen, desto leichter kann Verständnis füreinander wachsen und Vertrauen zueinander entstehen.“ Gemeinschaft und das Öffnen des Blickfelds für andere ist auch Ziel der „Woche der Brüderlichkeit“.
Pastoralreferentin Barbara Göb und Domkapitular Gerhard Förch sind erzbischöfliche Beauftragte für den interreligiösen Dialog im Dekanat Bamberg. Sie wissen um die Relevanz des interreligiösen Dialogs: „Für die katholische Kirche ist der interreligiöse Dialog, insbesondere mit Juden und Muslimen, mit denen der Glaube an den Einen Gott geteilt wird, spätestens seit dem II. Vatikanischen Konzil ein Kernanliegen.“
Ebenso betont Mehmet Çetindere, der Vorsitzende der Türkisch-Islamischen Gemeinde zu Bamberg: „Wir legen großen Wert auf die Werte, die für den Islam von großer Bedeutung sind und die auch als universelle Werte geschätzt werden. Dies sind Prinzipien wie Respekt vor Menschen mit anderen religiösen und weltanschaulichen Ansichten, der Dialog und die Toleranz.“
Aufgabe der Kirche sei es, so Förch, die jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens positiv in Erinnerung zu halten, Gemeinsamkeiten zu fördern und im respektvollen Dialog zu bleiben. „Seelsorger, Gemeinden, Dekanate und Bildungseinrichtungen organisieren Veranstaltungen vor Ort – häufig in ökumenischer Kooperation. Sie tragen das Anliegen der Woche in die Gemeinden und zu den Menschen.“
Wie sich jeder persönlich für Brüderlichkeit zwischen Juden, Christen und Muslimen einsetzen kann, weiß Barbara Göb: „Pauschale Feindbilder gegen Menschen anderer Religionen widersprechen dem christlichen Glauben. Es liegt vor allem an jedem Einzelnen, solche Feindbilder erst gar nicht entstehen zu lassen. Das Wichtigste ist, sich an die Goldene Regel zu halten: Behandle jeden Menschen so, wie du selbst behandelt werden möchtest. Das könnte heißen: Interessiere dich für ihn; höre ihm zu; respektiere seine Überzeugungen, auch wenn du sie nicht teilst; sei gastfreundlich; widersprich, wenn Pauschalurteile über Menschen anderer Religionen oder Kulturen gefällt werden.“ Rabbinerin Deusel knüpft an: „Jeder von uns ist gehalten, den berühmten Schritt auf den Anderen zuzumachen. Sonst kann kein Dialog entstehen.“
„Es ist wichtig“, so Barbara Göb und Gerhard Förch, „unsere Geschichte nicht zu vergessen. Wenn wir uns nicht mehr füreinander interessieren, können nach der Gleichgültigkeit auch Hass und Gewalt wieder Bahn brechen, ohne dass wir es merken.“ Dagegen stemmt sich die „Woche der Brüderlichkeit“ mit knapp 30 Veranstaltungen an acht zentralen Orten im Erzbistum.
Philipp Fischer
Info: Woche der Brüderlichkeit
Die Woche der Brüderlichkeit ist eine gemeinsame Aktion von über 80 Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Sie setzen sich ein für die Verständigung zwischen Christen und Juden, den Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus sowie für ein friedliches Zusammenleben der Völker und Religionen. Besonders in Bamberg ist, dass nicht nur Juden und Christen, sondern auch Muslime an der „Woche der Brüderlichkeit“ beteiligt sind. Schon seit den 1980er Jahren herrscht ein guter Trialog zwischen den drei Religionsgemeinschaften. Das Gesamtprogramm ist erhältlich bei der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Franken, Königstraße 64, 90402 Nürnberg oder unter www.gcjz-franken.de.
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