Gedanken zum ökumenischen Bibelsonntag am 26. Januar
Vom hochgebildeten Professor Adolf schlatter wird erzählt, er sei vom König zu einer Diskussion eingeladen worden. Der Herrscher bekundete seine Freude, daß nun auch ein Theologe anwesend sei, der auf dem Boden der Heiligen Schrift stehe. Schlatter verbesserte ihn sogleich: „Nicht auf der Heiligen Schrift, sondern unter ihr.“
Das ist nicht nur ein Wortspiel. Vielmehr geht es um die entscheidende Frage: Stehe ich über der Bibel, daß ich sie nach meinen Wünschen und Ansichten zurechtbiege oder lasse ich mich von ihr leiten, notfalls auch mahnen und warnen? Wie aber soll man die Bibel recht verstehen? Dazu erzählt uns Johann Peter Hebel eine hintergründige Geschichte: Der Bauer traf den Schulmeister auf dem Weg und fragte ihn, ob er noch dazu stehe, was er am Vortag den Kindern eingetrichtert habe, dass man auch die andere Backe hinhalten solle. Als der Lehrer dies bejahte, erhielt er vom Bauern zwei Ohrfeigen. Der Schulmeister aber war klug und im wahrsten Sinn schlagfertig, versetzte dem Landwirt gleich mehrere Watschen und sprach: „Es steht auch geschrieben: ‚Mit welchem Maß Ihr messet, wird Euch wieder gemessen werden, Ein voll gerüttelt und überfließnd Maß wird man in Eueren Schoß geben.'“ Wie sie so stritten und sich prügelten, kam der Edelmann daher, sah sie von weitem, schickte seinen Diener hin, der mit folgender Meldung zurückkehrte: „Es hat nichts zu bedeuten, gnädiger Herr, denn sie legen einander nur die Heilige Schrift aus.“ Hebel schließt seine Geschichte mit den Worten: „Merke: Man muß die Heilige Schrift nicht auslegen, wenn’s man nicht versteht.“ Der Bauer wurde inhaftiert, der Schulmeister aus dem Dienst entlassen.
Tatsächlich kann man mit spitzfindiger Auslegung der Heiligen Schrift alles begründen und widerlegen. Wir sollten uns auch nicht um Kleinigkeiten streiten. Gleichwohl bin ich mit Hebels „Moral von der Geschicht“ nicht zufrieden, ebensowenig mit der Antwort des Dieners. Ist die Auslegung der Bibel wirklich Nebensache? Sollte nicht auch der „Laie“ in der Heiligen Schrift lesen und sie zu verstehen suchen? Verschiedene Losungsbücher und volkstümliche Auslegungen etwa in unseren evangelischen bayerischen Wochenzeitungen wollen uns dazu verhelfen. Wir sollten die Bibel allerdings von ihrem Zentrum her deuten, von der Frohen Botschaft: Gottes Liebe gilt allen menschen und überwindet selbst den Tod. Christus hat unsere Schuld gesühnt, unser Leid geteilt und zu ihm sollen wir uns vor den Leuten bekennen, seinem Beispiel zu folgen suchen.
Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
Infos zu Christian Karl Fuchs:
- geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
- Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
- Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
- Promotion zum Dr. theol. 1995
- Ordination zum ev. Pfarrer 1996
- Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
- seither in Neustadt/Aisch
- blind
- nicht verheiratet
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