Leserbrief: "Jagd auf Radfahrer"

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Sehr geehrte Damen und Herren!

Zum Mittel der Strafanzeige bzw. des Strafantrags greife ich erst dann, wenn das Verhalten des bzw. der Angezeigten eine erkennbar vorsätzlich herbeigeführte Gefährdung beinhaltet. Würde ich bereits bei einer niedrigeren Schwelle tätig, sobald ich durch rechtswidriges Verhalten eines Kraftfahrers / einer Kraftfahrerin behindert, genötigt oder gefährdet werde, wären mehrere Anzeigen in der Woche der Normalfall. Dies beschreibt leider die Realität auf den Straßen in Bamberg und erklärt, weshalb viele Radfahrer/innen es vorziehen, regelwidrig auf dem Gehweg zu fahren.

Leider gibt es keinerlei Hinweise, daß die Bamberger Verkehrs- und Ordnungsbehörden gewillt wären, dem häufig in aggressiver Weise zum Ausdruck kommenden „Revierverhalten“ mancher Kraftfahrer/innen wirksam Einhalt zu gebieten. Durch den geradezu krampfhaften Versuch, an rechtlich und fachlich nicht begründbaren Radwegbenutzungspflichten festzuhalten, leisten sie ihm statt dessen noch Vorschub. Daß viele Verkehrsteilnehmer/innen die vielschichtigen Inhalte der StVO und der mit ihnen verbundenen Rechtsvorschriften und Regelwerke nicht (zu) kennen (scheinen), liegt auch in der entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit der Behörden begründet.

Ich erstatte Strafanzeige bzw. stelle Strafantrag

1. gegen den Fahrer des Fahrzeugs X-XX XXXX wegen Nötigung in Tatzusammenhang mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr sowie rechtswidrigem Halten auf dem Radweg;

2. gegen die Fahrerin des Fahrzeugs XX-YY XXXX wegen Nötigung in Tatzusammenhang mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr;

3. gegen den Fahrer des Fahrzeugs XX-X XXXX wegen Nötigung in Tatzusammenhang mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr.

zu 1.

Tathergang:

Ich befuhr mit meinem Fahrrad einschließlich Anhängers die Pfisterstraße in Bamberg in Fahrtrichtung Schildstraße. Obwohl der Radweg, zwar von grauenhafter Qualität, für Bamberger Verhältnisse ausgesprochen breit ausfällt, war ich gezwungen, auf der Fahrbahn zu fahren. Denn auf dem als benutzungspflichtig ausgeschilderten Radweg (nach StVO eine rechtlich höchst fragwürdige Anordnung) war regelwidrig der eingangs bezeichnete Pkw abgestellt.

Dieser Wagen fuhr an, kaum daß ich ihn passiert hatte. In Höhe der Kreuzung Pfisterstraße / Schwarzenberger Straße / Starkenfeldstraße hupte der Fahrer in aggressiver Weise mehrere Sekunden lang. Auf der Pfisterbrücke überholte er dicht vor einer Verkehrsinsel, rief mir dabei zu: „Rechts ist der Radweg!“ – kurz zuvor hatte er wie erwähnt den Radweg selbst blockiert gehabt -, schnitt mich beim Wiedereinscheren und bremste kurz darauf so abrupt ab, daß ich trotz sofortiger Notbremsung nach links den Fahrstreifen verlassen mußte. Auch der hinter mir fahrende Pkw konnte offensichtlich soeben noch verhindern aufzufahren. Anschließend fuhr der Wagen mit hoher Geschwindigkeit davon.

Örtlichkeit:

Die Radwege auf der Pfisterbrücke unterschreiten das in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO genannte Regelmaß der lichten Weite von 2,00 m erheblich. Ob das für kurze, unvermeidbare Engstellen (maximal 50 m lang) angegebene Mindestmaß von 1,50 m eingehalten ist, wage ich zu bezweifeln. „Der Lichtraum nach VwV-StVO stellt in der Regel die Untergrenze dar, nach der eine Benutzungspflicht gegebenenfalls noch vertretbar sein kann“ (Radverkehrshandbuch Radlland Bayern, Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, Mai 2011). Mit meinem Hängergespann wären die Wege jedenfalls nicht sicher befahrbar, so daß die angeordnete Benutzungspflicht irrelevant ist: „Die vorgegebenen Maße für die lichte Breite beziehen sich auf ein einspuriges Fahrrad. Andere Fahrräder … wie mehrspurige Lastenfahrräder und Fahrräder mit Anhänger werden davon nicht erfaßt. Die Führer anderer Fahrräder sollen in der Regel dann, wenn die Benutzung des Radweges nach den Umständen des Einzelfalles unzumutbar ist, nicht beanstandet werden, wenn sie den Radweg nicht benutzen“ (VwV-StVO). Ich liefe ständig Gefahr, daß mir der Anhänger über die recht hohe Bordsteinkante in Richtung der Fahrbahn abkippt. Das Ausweichen über den Gehweg ist gemäß StVO strikt untersagt und wäre im Interesse des fußläufigen Verkehrs auch nicht vertretbar.

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß die verbleibende Breite des Gehwegs gleichfalls weit unterhalb dessen liegt, was die Anordnung eines benutzungspflichtigen Radwegs zuließe (VwV-StVO in Verbindung mit den RASt – Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen).

Begründung:

Unabhängig von Pflicht und Möglichkeit, den Radweg zu benutzen, ist kein/e Kraftfahrer/in berechtigt, nötigend in den Verkehr einzugreifen. Der Zusammenhang der Delikte, des nötigenden Verweises auf den Radweg, nachdem er selbst kurz vorher rechtswidrig auf ihm gehalten hatte, und des höchst gefährlichen Bremsmanövers, geben zu deutlichen Zweifeln an der charakterlichen Eignung des Fahrers zum Führen eines Kraftfahrzeugs Anlaß.

zu 2. und 3.

Tathergang:

Beide Vorfälle ereigneten sich kurz hintereinander am selben Tag auf der Magazinstraße, Fahrtrichtung Gaustadt.

Vor der Lichtsignalanlage an der Einmündung der Jäckstraße warten bereits zwei Pkw auf Grund des roten Signals. Während ich mich mit meinem Fahrrad-Anhänger-Gespann diesen näherte, versuchte die Fahrerin des eingangs erwähnten blauen Pkw, mich zu überholen, obgleich deutlich zu erkennen war, daß sie den Vorgang auf Grund des verfügbaren Raums nicht hätte abschließen können. Neben mir fahrend, drängte sie nach rechts, um mich zum Abbremsen zu zwingen und sich „vordrängeln“ zu können. Daß auch ein Fahrrad, noch dazu mit Anhänger, einen eigenen Bremsweg benötigt und nicht am Punkt stehenbleiben kann, schien ihr nicht bewußt zu sein. Auf meine entsprechenden Vorhaltungen reagierte sie mit starrem Blick ohne erkennbare Regung.

Nahezu identisch wiederholte sich der Vorgang vor der Kreuzung mit dem Margaretendamm. Der Fahrer stieg, als ich ihn ebenfalls wegen des auch von mir benötigten Bremswegs kritisierte, aus und kam in drohender Haltung auf mich zu. Hiervon ließ er allerdings ab, als ich demonstrativ auf sein Kennzeichen blickte und es laut vorlas.

Örtlichkeit:

Der einseitige Radweg auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite ist in Höhe der Siechenstraße als linksseitig benutzungspflichtig ausgewiesen. Er erreicht an keiner Stelle eine Fahrwegbreite von 1,50 m, ist an der schmalsten Stelle auf Grund eines auf ihm (!) stehenden Lichtmastes 0,87 cm schmal (mein Anhänger ist breiter). Ein benutzungspflichtiger Zweirichtungsradweg darf ausnahmslos an keiner Stelle eine lichte Weite von 2,00 m unterschreiten (zulässiges Mindestmaß an höchstens 50 m langen Engstellen), das Regelmaß nach VwV-StVO beträgt 2,40 m. Die Einmündung der Gasfabrikstraße ist hochgefährlich, mehrere schwer einsehbare Grundstückszufahrten ließen die Anordnung der Benutzungspflicht gleichfalls nicht zu (VwV-StVO).

Begründung:

Fahrerin wie Fahrer erweckten durch ihr Verhalten den Eindruck, sie hielten es für selbstverständlich, Radfahrer/innen einfach „wegzudrücken“, wenn sie ihnen im Weg sind. Ein solches Verhalten ist inakzeptabel. Es spielt keine Rolle, ob die Ursache in Wissensdefiziten bezüglich des Verkehrsrechts oder in hiervon unabhängigen „Revieransprüchen“ zu finden ist.

Ich widerspreche der Weitergabe meiner Daten über die Ermittlungsbehörden hinaus ausdrücklich.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig