Geheimnisvoll geführt

Symbolbild Religion
Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfarrer Dr. Christian Fuchs

„Als ich gestern durch den Bahnhof ging, sah ich abseits vom Getümmel ein einsames Kind stehen. Ein Papier baumelte ihm auf der Brust, das seine Bestimmungsadresse enthielt. Dieser Anblick erweckte etwas wie eine halbgläubige Zuversicht. Wir können ja alle den Zettel selbst nicht lesen, den das Geschick uns bei der Geburt umgehängt hat, wir werden befördert, ohne die Richtung zu kennen, nach der es geht, wissen nicht, wann und wie die Reise zu Ende kommt. Und doch lebt in uns ein Gefühl, dieses Hin-und-hergeschobenwerden, dieses Fahren durch unbekanntes Land sei nicht so sinnlos, wie es unserem Kinderverstand oft vorkommen will. Wir denken zurück und es ist, als wären immer große schwere Hände da gewesen, die wir bei jedem Umsteigen, an scharfen Kurven und bei rasender Abwärtsfahrt verspürten.“

Hoffentlich hat der bayerische Maler Max Unold nicht nur über das Leben nachgedacht, sondern auch dem armen Kind geholfen. Seine Erfahrungen aber kann ich nachvollziehen: Oft fühlen wir uns im Leben getrieben, gehetzt, unter Druck gesetzt, nicht Herr unserer Zeit, unseres Handelns. Die Kinder müssen in die Schule, die Erwachsenen auf die Arbeit. Das Finanzamt, die Kommunen verlangen Abgaben und Steuern. Vor allem aber das unerbittlich fortschreitende Alter fordert seinen Tribut. Wo soll das alles noch hinführen? Was kommt noch auf uns zu, auf unsere Kinder und Enkel: Arbeitslosigkeit, Mini-Rente, Scheidung? Glücklich, wer sich dann rückblickend geführt fühlt, wer darauf vertraut, dass diese geheimnisvolle Führung auch seinen Angehörigen zuteil wird. Doch wir dürfen über Unolds „halbgläubige“ Einsicht hinausgehen, denn uns führt keine dunkle dubiose Schicksalsmacht, sondern der liebende Vatergott, der unsern Tod in seine Ewigkeit verwandeln wird. Darauf vertrauen heißt gläubig sein.

Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de

Infos zu Christian Karl Fuchs:

  • geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
  • Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
  • Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
  • Promotion zum Dr. theol. 1995
  • Ordination zum ev. Pfarrer 1996
  • Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
  • seither in Neustadt/Aisch
  • blind
  • nicht verheiratet